Es kann nicht so viel produziert werden, wie momentan an Rye Whiskey getrunken wird. Denn die US-Industrie muss „das Monster füttern“, die es ein Kenner einmal formulierte. Selbst im weichen Bourbon an der Tankstelle ist in der Regel nämlich ein wenig Roggen-Brand. Und nachdem die US-Whiskey-Industrie in Summe eine gewaltige Menge davon braucht, fehlt die Menge für ein Nischenprodukt, das in den letzten Jahren einen Höhenflug hinlegt wie nur – der Rye eben, bei dem über 51% Roggenanteil in der Maische sein muss.
Man will nämlich plötzlich wieder Kanten und keinen zu weich(gespült)en Geschmack. Das war beim Craft Beer, teilweise in den USA der 1980er Jahre schon näher am Wasser gebaut als am Geschmack, so. Das kommt jetzt auch beim Whiskey. Zumal der Geschmack der goldenen Ära des Cocktails vor der Prohibition mit ihrem camouflierten Fusel in Teetassen und „medizinischem“ Alkohol die Bar-Fliegen weltweit wieder interessiert. Aromatische Kanten und Retro-Feeling beflügeln die Rye-Nachfrage und bisher kam Canada da wenig vor. Das dachten sich auch die findigen Köpfe bei der in Sonoma beheimateten Wein-Dynastie Sebastiani. Zwar stieg man aus dem Rotwein-Business in Kalifornien aus, doch die junge Generation gründete mit „3 Badges Mixology“ eine Spirituosen-Company, die sich nach klaren Vorgaben mit dem Vertrieb von Bränden beschäftigt.
Der Masterson’s wurde nach dem aus Canada stammenden, aber im Dunstkreis von Wyatt Earp zu Ruhm gelangten Büffeljäger, Spieler und Revolverhelden William „Bat“ Masterson benannt. Ehe er als Sportkolumnist in New York der 1920er Jahre sein Leben beendete, war er als US-Marshall, der noch knapp vor der legendären Schießerei am OK-Corral bei den Earp-Brüdern und Doc Holliday, dem alten Schwindsüchtler, zu Gast. Eine echte „Frontier Personality“ dachten die Kalifornier und hieften den wie aus dem Cast von Boardwalk Empire wirkenden Haudegen auf das Cover der eleganten Flasche.
Destilliert wird der zehn Jahre alte „Masterson’s“-Rye von der Alberta Distillers Ltd. in Calgary im kanadischen Bundesstaat Alberta. Zwar wird nicht mehr aus Kanada Whiskey in die USA geschmuggelt wie zu den Tage der Prohibition (heute läuft der illegale Import – der niedrigeren US-Alko-Steuer wegen – in die andere Richtung!). Doch die Nachbarn im Norden haben den Brennern in Tennessee und Kentucky eines voraus, wenn es um Roggenwhisky geht. Sie können auch einen 100% aus dem dunklen Getreide bestehenden Whiskey brennen. Denn das US-Gesetz verlangt 51% Roggen-Anteil in der Rezeptur des Brenners, der so genannten Mash Bill, doch mehr wie 80 % sind es selten. Denn dann fehlt die für die Gärung wichtige Stärke-Komponente, nur mit Enzymen lässt sich ein durch und durch aus Roggen gebrannter Whiskey erreichen.
Warum man das überhaupt will? Weil jeder Anteil „corn“, also Mais, in der Mash Bill in der Regel auch mehr Süße bedeutet. Gerade die Würzigkeit – zum Nachkosten: Schwarzbrot mit dem Geschmack von Maiswaffeln vergleichen! – macht aber das Wesen des Rye aus. Und nicht wenige Cocktail-Historiker sind der Ansicht, dass klassische US-Drink-Rezepturen mit kanadischem Roggenwhiskey gemixt wurden. Am prominentesten firmiert hier der „Manhattan“, 1874 in New York – und somit näher an Canada als Tennessee – erfunden.
Manhattan
4 cl Masterson’s 10 years
2 cl süßer Vermouth
2 Spritzer (Dashes) Angostura Orangenbitter
1 Orangenzeste
Alle Zutaten auf Eis rühren. Durch ein Barsieb in eine vorgekühlte Cocktailschale abseihen, mit den ätherischen Ölen der Orangenschale aromatisieren und mit der Orangenzeste garnieren.
Pur lässt sich der Canadian Rye natürlich ebenfalls konsumieren, je nach persönlichem Gusto mit einem Spritzer Wasser „gecuttet“ oder auch nicht. Im Duft kommen dann die Noten von Nougat-Schokolade, etwas Piment und Lebkuchengewürz (die würzige Roggen-Seite!) und auch frischem Schwarzbrot durch. Am Gaumen merkt man die lange Lagerung im Weißeichen-Fass: Da ist zunächst einmal viel Kokos, aber auch hier wieder viel Milchschokolade und die weiche Karamell-Note. Die Würzigkeit meldet sich am Anfang, ehe sie abtaucht, um für die Kokos-Schoko-Mandel-Mischung Platz zu machen. Im Finish ist sie aber wieder da und streut uns noch ein paar Körner weißen Pfeffer in den Schlund. Im Rückgeschmack werden die nussigen Aromen merkbar, aber auch eine zarte rote Fruchtigkeit, die vielleicht am besten mit dezenter Kirsche beschrieben wird.
Preislich bewegt man sich definitiv abseits der Rye&Coke-Wunschkandidaten. Aber wer an diese Mischung denkt bei einem Roggenwhiskey wie diesem, dem erscheint vermutlich Bat Masterson samt schußbereitem Colt in seinen Träumen.
Bezugsquelle:
35 Maple Street-Spirits, „Masterson’s“ Straight Rye ist um EUR 79,90 (0,7 Liter-Flasche) bei Malts and more erhältlich, www.maltsandmore.de