Das Land des biblischen Weinbaus erwacht. Über 300 Weingüter zählt der Weinführer Israels, mit dem auch von offizieller Seite der wiedererwachende Landwirtschaftszweig promotet wird. Denn, wo vor 3000 Jahren schon Trauben kultiviert wurden, schließt man an die Jahre nach der osmanischen Regentschaft an, die allenfalls Tafeltrauben zuließ. Mit den aus alten Funden geklonten ursprünglichen Trauben haben die vier Winzer aber nichts zu tun, die in Wien ihre Weine vorstellen.
„Die Qualitäten überzeugen mich nicht, sie wurden ja auch früher nach den Eigenschaften für Tafeltrauben ausgewählt“, bringt es Eli Ben Zaken von der Domaine du Castel auf den Punkt. Er ist der Doyen des Quartetts, das im Seven North die Winzer-Gruppe Judean Hills repräsentierte. Gemeinsam ist ihnen neben der Lage oberhalb von Jerusalem vor allem das Qualitätsdenken und der Blick auf internationale Vorbilder. Ansonsten geht man eigene Wege, doch die Mission, ihre Weise in Ländern vorzustellen, die wenig vom Weinbau Israels kennen, ist ein einigendes Band. „Und wir tun das gerne in guten Restaurants“, ergänzt Eran Pick lachend, während der Hummus und die geschmorten Melanzani vorbereitet werden.
Zum Auftakt gibt es Weine des reinen Weißwein-Guts Sphera – links im Bild Winzer Doron Rav Hon und seine Frau. Auf den floralen Blend (Chenin Blanc, Semillon, Roussanne) namens „White Page“ mit seiner Birnen-Note, einen 2021er, folgt „White Signature“. Dieser 100%-ige Semillon reifte kurz im Holzfass und diese Seite liefert sich mit der Frische des ebenfalls 2021 geernteten Weißweins ein attraktives Match am Gaumen. Sesam-Cracker trifft auf eine süß-saure Fruchtmelange, in der Passionsfrucht und Pomelo mitswingen. Im Mund ist es eine saftige Kaki-Frucht, die das Szepter des Geschmacks schwingt; um sie gruppiert sich eine präsente Säure und eine florale Note, die an Orangenblüten-Wasser und das Fruchtfleisch von Jaffa-Orangen erinnert. Einerseits erfrischt dieser Wein, zum anderen macht er auf eine sehr feine Art die Räume eng und auch Appetit.
Der nahezu globalen Thematik der Hitze im Weingarten, auf die wir natürlich zu sprechen kommen, begegnet man bei Tzora Vineyards schon lange pragmatisch – „die 2009 gepflanzten Anlagen sind meist nach Norden ausgerichtet“, erklärt Eran Pick. Der Master of Wine (MW) hat als Kostprobe dieser für Europa ungewöhnlichen Situierung von Weingärten den „Shoresh Blanc“ des aktuellen Jahrgangs 2021 mitgebracht. Der Duft der Cuvée aus Sauvignon Blanc (80%) und Chardonnay (20%) bringt ganz klar die erste Sorte in Stellung: Limettenabrieb und Passionsfrucht laden zum Kosten ein, Butterkeks-Töne ergänzen mit etwas rundlichem Charme den Mix.
Am Gaumen zeigt sich der Chardonnay dann etwas klarer; sehr saftig und cremig wie braune Butter startet der 2021er. Im Finish werden die Räume dann wieder etwas enger gefasst. Da darf dann Karamell und Ananas die Internationalität des Ausbaus unterstreichen.
Als Kollektion am kompaktesten und von klaren Qualitätsstreben durchdrungen zeigten sich die Weine der Flam Winery. Die Studien in Mailand und seine Toskana-Praxis merkt man den Weinen Golan Flams an. Bestes Beispiel neben dem außerhalb der offiziellen Verkostung eingeschenkten Syrahs war der „Flam Noble“. Diese Cuvée aus 77% Cabernet Sauvignon, 15% Syrah und 8% Petit Verdot trägt ihren edlen Namen jedenfalls zu Recht: Wildrosen-Düfte von Hagebutte und Schlehe bringt das urwüchsige Bouquet dieses 2019ers aus den Judean Hills mit.
Parallel zeigt es auch Unterholz und Steinpilz als erdige Grundtöne. Die perfekte Balance am Gaumen wird von einem geschliffenen Tannin, noch vorhandener Säure im Hintergrund und fruchtigen Noten wie Zwetschke und Sauerkirsche gebildet. Würzkräuter wie Estragon und Lorbeer kommen ab dem mittleren Gaumen zu dieser wertigen Mischung hinzu – für uns der beeindruckendste der Israelweine im Seven North.
Was nicht heißt, dass die Rotweine der Kollegen nicht auch hohes Potential aufweisen. Allerdings brauchen sie mehr Zeit, sich zu öffnen. Das zeigte der nach Bordeaux-Vorbild gekelterte „Grand Vin“ der Domaine du Castel. Die ältesten Weingärten der von Eli Ben Zaken gegründeten Winery (sie führte 1992 erstmals „Judean Hills“ als Herkunft an) gehen in diesen Wein, der 18 Monate in Barriques von Seguin Moreau reifte. Dunkel ist diese Cuvée des Jahrgangs 2020 sowohl im Glas, als auch in der Nase. Brombeere, getrocknete Champignons, etwas Thymian und Rosmarin zeigen schon, dass sich hier viel abspielt. Der komplexe Rotwein, der auf über 700 Metern Seehöhe reifte, wirkt am Gaumen überaus saftig. Cassis und Heidelbeere kommen fast mit Nachdruck auf die Zunge, ehe der Gerbstoff und der Biss des Cabernets übernehmen. Er ist gerade im Finish noch überpräsent und ungestüm. Aber das wird sich garantiert geben. Und wenn Israels Weinbau etwas hat, dann Zeit!
Bezugsquellen:
Sphera, „White Signature“ 2020 ist um EUR 46 zu haben;
Tzora Vineyards, „Shoresh Blanc“ 2021 kostet EUR 34;
Flam Winery, „Flam Noble“ 2019 wird um EUR 65 angeboten;
Domaine du Castel, „Grand Vin“ 2020 kostet 53 EUR – alle Wein bei P. M. Mounier, www.topspirit.at