Die Linde gehört zu den Malvengewächsen und fällt besonders durch ihre duftenden Blüten, die im späten Frühling und frühen Sommer blühen, auf. Erkenntnisse wie diese gehören alljährlich zur Präsentation des Waldbiers. 14 Mal schwärmte Axel Kiesbye bislang aus, um in den Wäldern der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) Wildnis in Gebrautes zu verwandeln. Diesmal tat das der Leiter des Bierkulturhauses in Obertrum im Schluchtwald des Steyrtals. Neben der Lindenblüte wurde es Johannisbeeren, die er als Gast in der Trumer Brauerei bei Josef Sigl zum „Waldbier 2024“ veredelte.
Bei der Präsentation und Erst-Verkostung in der Markterei war auch Gastkoch Klemens Schraml in seinem Element. Denn die Zutaten für das „Waldbier“ wurden in unmittelbarer Nähe zu seinem Restaurant Rau gesammelt. Es wäre sogar vorstellbar, dass die vom „Rau“-Team servierte Forelle vorbeischwamm, als Axel Kiesbye im Schluchtwald der Bundesforste (ÖBf) botanisierte: „Den betörend süßen Duft der Linde in ein Bier zu überführen, war die Challenge“. Nicht zuletzt, weil ihn auch der Partner, ÖBf-Vorstand Georg Schöppl am stärksten mit dem Baum assoziiert – er war am elterlichen Bauernhof damit groß geworden.
Die Wildsammlungen aus dem Revier Sattl in Oberösterreich wurde zu Tee (Linde) und Sirup (Johannisbeere) eingekocht, ehe sie im Brauprozess Verwendung fanden. Technisch gab es heuer auch eine Premiere; der Wildbier-Spezialist hat das Waldbier in der Kaltphase mit Aromahopfen versehen, also: „hopfengestopft“. Das riecht man deutlich – an einem Passionsfrucht-Ton – und es macht in der Tat „das bisher aromatischste Waldbier“ aus dem „Schluchtwald“.
Ein feiner Rotschimmer durchzieht das goldene Waldbier, der Schaum ist Elfenbein-farben und sehr persistent. Waldig und extrem fruchtig zugleich zeigt sich die Nase. Die erwähnte Passionsfrucht wird von dezenten Cassis-Tönen begleitet. Als echter Januskopf aus dem Wald lässt die 2024er Edition aber auch Kräuter-Noten, vor allem Wildthymian, erschnuppern. Dieses Spiel wiederholt sich am Gaumen, wenn auch abgestufter. Hier ist Galgant zu schmecken, die Kräuter würzen von Beginn an den Trunk, während auf der Fruchtseite vor allem Orange den ersten Eindruck ausmacht. Mit der Zeit nehmen die herben Noten – immerhin 38 Bittereinheiten (IBU) sind vorhanden – zu. Etwas Rhabarber und Ribisl erzählt noch von der Fruchtigkeit, ehe im Hall die Hopfenbittere ihr Werk tut. Auffällig ist auch die gute Rezenz; die leichte Säurigkeit im Geschmack wird auch von der Kohlensäure des mit 6,6% vol. eingebrauten Biers unterstützt.
Es ist eine komplexe Variante der „handgepflückten Wildnis“ in der Flasche geworden. Das zeigt sich auch, wenn man das Waldbier in unterschiedlichen Gläsern genießt. Axel Kiesbyes Becher-artiges Kostglas ließ die waldigen Akzente und den (ungenannt bleibenden) Aromahopfen in den Vordergrund treten. Im höheren Weinglas hingegen war der Hopfen weniger präsent. Dafür kamen die Beeren fast Cassis-artig intensiv durch. Auch die Kohlensäure war im Weinglas noch lebendiger. Und das passt auch bestens! Lebendig und (be)rauschend vor Geschmack wie der Wald, der dem Bier den Namen gibt.
Bezugsquelle:
Waldbier, „Steyrtaler Schluchtwald“ (Lindenblüte/Alpen-Johannisbeere) ist um EUR 3,40 (0,33 Liter) bzw. EUR 15,90 (0,75 Liter-„Magnum“) direkt bei Brauer Kiesby zu bestellen, https://kiesbye.at