Lassen wir uns nicht vom Blumenhemd täuschen! Chester Osborn, der Mann mit der Robert Plant-Lockenpracht trägt nämlich gerne farbenfrohe Gewänder. Erst recht, wenn er durch den ikonischen „Cube“ im McLaren Vale führt. Das südaustralische Konglomerat aus Weingut, Sterne-Restaurant und schräger Erlebniswelt (siehe die Herren-Toiletten in unserer Foto-Galerie!) wird gerne gezeigt, wenn es um die spektakulärsten Weingüter der Welt geht. Der Zauberwürfel Ernö Rubiks (Rubik’s cube) stand Pate für das vier-stöckige Wunderwerk der d’Arenberg Winery. 1.000 Besucher täglich sind keine Seltenheit und sie erleben mit etwas Glück, wie Chester Osborn, vierte Generation des 1912 etablierten Familienbetriebs, persönlich das Innenleben erklärt. Eine schwarze Kammer etwa soll als „klaustrophobische Nah-Tod-Erfahrung“ vermitteln, wie sich eine Traube beim Pressen fühlt.
Mindestens so schräg wie das Innenleben des „Cube“ sind die Namen der mittlerweile 74 Weine von d’Arenberg (37 Rebsorten finden sich in den Rieden der Südaustralier). Mitunter hilft nur eine lexikalische Suche, wenn man wissen will, woran „The Cenosilicaphobic Cat“ leidet, oder auch die „Athazagoraphobic Cat“. Katzenliebhaber Osborn liebt solche Scherze am Etikett. Ganz selig etwa war er, als er erfuhr, dass die Wortfolge „Old bloke and three young blondes“ (so heißt eine Shiraz-dominierte Cuvée) auch gerne zur Suche nach Pornos im Web verwendet wird: „Vielleicht sollt ich alle Weine nach den beliebtesten Suchbegriffen benennen“.
„Old bloke and…“: Porno-Suche und Weinetiketten
Besagter „Old bloke and three young blondes“ verbindet die weißen Sorten Roussanne, Marsanne und Viognier (je 3%) mit dem Australo-Star Shiraz (91%). Die Mischung ergibt beim 2011, den Chester Osborn einschenkt, einen Duft nach Holunder, aber auch Rindsuppe und Rettich – ungewöhnlich wie der Ort des Geschehens riecht dieser Wein. Er beginnt sich erst zu öffnen, im Mund changiert er zwischen dunkelster Brombeere und einer helleren, säurigen Frucht – wir würden Maracuja nennen. Die süß-saure Kombination, die sich den weißen Trauben bzw. den „three young blondes“ verdankt, pendelt sich irgendwo zwischen Orangenschale und Bockshördl (Carob) ein. Saftig, herb und intensiv zugleich ist der „Old bloke“. Und da kommt definitiv noch mehr, denn der Wein mit dem ungewöhnlichen Namen ist gerade erst antrinkbar.
Allerdings ist der bunt gewandete Spaßvogel Chester (kl. Bild) auch der größte bio-dynamische Produzent Australiens und einer der respektiertesten Weinmacher im Mc Laren Vale. Zumal das Weingut als eine der australischen „First families of wine“ auf uralte Stöcke zurückgreifen kann. Das ist etwa bei der Cuvée der Fall, die auf die häufige Bodenformation mit Eisenoxiden anspielt. „Ironstone Pressings“ bringt die bekannte, französische „GSM“-Mischung nach Südaustralien, der Mourvèdre allerdings wurde bereits 1920 ausgepflanzt. Mit Grenache (70%) und Shiraz (25%) zusammen ergibt er einen Wein, der auch nach acht Jahren – wir verkosten den 2010er – immer noch jugendlich wirkt.
Rotfruchtig und mit einem Duft nach Preiselbeere und Blutorange kommt der Blend ins Glas. Die Tannine sind noch merklich, am Gaumen erinnert er an herb-säuerliche Früchte wie Schlehe und Cranberry. Dann aber setzt die Würze dieses Weins ein, der mit Olive und Schwarzem Pfeffer in ein langes Finish geht. Die Jugend ist noch merklich, aber der Weg scheint klar beim „Ironstone Pressings“ 2010.
Alternative Realitäten, aber bitte mit wenig Holz!
Noch älter, nämlich über 100 Jahre, ist die wurzelechte Anlage des Shiraz, der für den „Dead Arm“ verwendet wird. „Nach einer Flasche wachst Du vielleicht auf und merkst, dass Deine Hand eingeschlafen ist“, begründet Osborn diesen Namen. Der Wein dazu kommt aus dem Jahr 2010, er ist einer der bekanntesten im Portfolio, das in 90 Länder exportiert wird. Der „Dead Arm“ zeigt mehr Struktur und Würze als plumpe Frucht, auch den Eukalyptus-Ton sucht man vergebens; dafür riecht es nach Piment und Grünem Pfeffer, auch dunkle Beeren (Brombeere und Maulbeere) sind zu notieren.
Wir verwenden für den Cabernet Fässer mit wenig Toasting – und damit meine ich weniger als das normale „wenig“.
Chester Osborn, d’Arenberg
Der Kostschluck bringt dann ein saftiges Gemisch roter Früchte mit, die zarte Fruchtigkeit und präsente Säure erinnert an Rhabarber und Himbeere, ehe es ab dem mittleren Gaumen intensiver wird: Zwetschken-Röster und Lakritze stehen dann zu Buche, das Finale gehört wieder einem pfeffrigen Akzent. Holz ist kaum spürbar, das ist eine bewusste Entscheidung.
Sie begegnet uns auch bei „The Coppermine Road“ wieder, einem Cabernet Sauvignon, der in Barriques mit minimalem Toasting reifte. Damit soll der „fast ausgestorbene Cabernet-Klon“ (© Osborn) besser zur Geltung kommen. Denn der bringt mit höherer Säure und strengerem Tannin eine eigene Qualität ein. Eingekochte dunkle Früchte – man darf an Rum-Pflaumen und Maulbeeren denken! – leiten einen ebenfalls 2010 geernteten Wein ein.
Hier ist definitiv kein grüner Ton zu finden; saftig und mit einem dunklen Potpourri, in dem Schwarze Johannisbeeren den Ton angeben, startet die Fahrt auf der „Coppermine Road“. Mitunter besitzt das fast die Trinkigkeit eines Fruchtsaftes, wäre da nicht der kleine Widerrist, der sich im Finish meldet.
Ganz hinten findet sich ein Alzerl Grüner Paprika, die Frische lässt bei diesem Abschluss auch an Grünspargel denken. Es ist auch der „längste“ der verkosteten Weine und versöhnt Cabernet-Skeptiker jedenfalls mit der Sorte. Schließlich vertragen sich Blumenhemd und Safran-Hosen auch mit seriöser Wein-Produktion. Nicht wahr, Chester?
Bezugsquellen:
d’Arenberg, Cuvée „Old bloke and three young blondes“ 2011 gibt es nur über Holland zu beziehen, um 85 Euro führt ihn www.voordeelwijnen.nl
d’Arenberg, Cuvée „Ironstone Pressings“ ist um EUR 38 erhältlich, der Shiraz „Dead Arm“ um EUR 39 und der Cabernet Sauvignon „The Coppermine Road“ um EUR 41,50 – alle aus dem Jahrgang 2013 und bei Vicampo, www.vicampo.at