Der zweite Teil der Kostreise ins Südburgenland galt dem Rotwein – der Blaufränkisch ist ja nicht von ungefähr die wichtigste Sorte des DAC-Gebiets Eisenberg. Thomas Kopfensteiner hat von Anfang an die Entwicklung dieser markanten Appellation mitgestaltet. Er war einer jener Winzer, die als „Sixpack“ die Region modern vermarktet haben. Das Poster, das auch heute noch unmittelbar auf den Betrachter wirkt, hängt am WC des Weinguts in Deutsch-Schützen. Es fokussiert auf den wichtigsten Aspekt des südburgenländischen Blaufränkischen – den Boden. Über ihn spricht der Winzer, generell kein Freund vieler Worte, am ausführlichsten. Denn nicht nur der Eisengehalt zeichnet die Weingärten aus, auch das Alter der Rebanlagen sorgt dafür, dass sich dieses Terroir tatsächlich auch im Wein wiederfinden lässt. Dazu später mehr bei den konkreten Lagenweinen, vorerst nur so viel: Ein gutes Drittel des gesamten südburgenländischen Weines stammt von Rebstöcken, die 30 Jahre oder älter sind.
Doch bevor es zum Vergleich der Blaufränkisch-Lagenweine kommt, sei noch die Cuvée gewürdigt, die viele Weinfreunde mit dem Namen Kopfensteiner verbinden. Der „Border“ ist schon einer der soliden Rotweine der Kampfklasse Halb-Schwergewicht, seit man den Blend aus Blaufränkisch, Merlot und Cabernet Sauvignon erstmals gefüllt hat. Das war auch schon wieder v or 29 Jahren und bis heute glauben viele, dass es die nahe Grenze zu Ungarn ist, die dem aktuell 60:30:10 gemischten Blend den Namen gab. Dabei war es der damalige Hofhund, ein Border-Collie, der Pate für den Rotwein stand. Im Duft allerdings sind es heute eher Blumen, die sich als Assoziation einstellen – Veilchen vor allem entlässt der 2019er „Border“ aus dem Glas. Der Heidelbeer-Geruch allerdings, der dem floralen Element folgt, ist so intensiv und fruchtig, dass man an Saft denkt. Danke, Merlot! Doch auch die feine Säure des Hauptanteils (BF, what else?) kann man förmlich wahrnehmen.
Rund und sehr kirschig erinnert auch der Kostschluck an die 60% der südburgenländischen Leitsorte. Die feine Vanille-Note rundet den Blaufränkisch ab. Doch nicht zu sehr – die frische Säurigkeit kommt gut durch. Ein Touch Oliven-Lake und ein Alzerl Cabernet-Cassis würzen die Weichselfrucht zusätzlich. Und wenn man genau hinschmeckt, erkennt man auch das Tannin dieser Cuvée. Man kann getrost schon jetzt zugreifen, wobei zwei Jahre mehr Reife noch mehr Freude mit dem „Border“ machen werden. Die schlechte Nachricht schiebt der Winzer (li. Im Bild) dann nach: „2020 war beinahe ein Totalausfall“. Frost und Hagel haben die Menge an Rotwein dramatisch reduziert.
Insofern sollte man sich bei den 2019ern eindecken. Hier sind es drei Lagen, die ihren eigenen Charakter offenbaren: Reihburg, Szapary und Saybritz. Der 2019er Reihburg bringt mit Leder und Bratlfett’n einen würzigen Duft mit, der vom Schiefergestein, Eisen und etwas Quarz in dieser Riede erzählt. Der Nougat-Duft, der sich in der zweiten Nase zeigt, verdankt sich wiederum dem Ausbau, in dem teilweise mit Barriques gearbeitet wird. Schokoladig lässt sich das Mundgefühl an, hier bringt der Reihburg 2019 den satten Nachdruck von Couverture mit. Dahinter ist aber klar die DNA des Blaufränkisch in zwei seiner markantesten Züge erkennbar: Säure ist präsent und trägt ihn in eine sichere Zukunft, die Fruchtseite gehört ganz klar der Sauerkirsche. Man kann es im Jung-wegtrink-Land Österreich nicht deutlich genug sagen: Dieser Rotwein ist noch jugendlich und von seinem ersten Plateau entfernt. Bitte noch zuwarten (aber auch rechtzeitig zuschlagen!) beim Ried Reihburg.
Aus dem großen Holzfass, konkret: 2.500 Liter-Gebinden, kommt der „Ried Szapary“ 2019, der bereits in der Nase andere Töne anschlägt. Konkret ist es ein breiter Fruchtbogen, der hier gespannt wird. Kirsche darf natürlich nicht fehlen, aber auch dunkle Töne, bis hin zur Dörrzwetschke sind bei diesem Blaufränkisch zu riechen. Auch nach knapp zwei Jahren im Fass ist dieser Rotwein der deutlich fruchtigere, das zeigt auch der erste Schluck. Dicht und komplex ist dieser Kopfensteiner-Wein, die roten Beeren feiern hier Urständ‘. Selbst Himbeere ist zu schmecken, dazu Pfeffer, Lorbeer und schwarze Olive. Letztere sind für uns immer die Kennmarken eines „Eisenbergers“, aber auch Signale dafür, dass der Wein noch Zeit hat.
Wobei eine generelle Bemerkung eingestreut sei, quasi ein Exkurs namens „Südburgenländischer BF im Wandel der Zeit“. Denn man merkt im Vergleich der Jahre, dass man immer stärker zum eigenen Stil gefunden hat. Im Vergleich mit den fruchtig-cremigen mittelburgenländischen Blaufränkischen, zumeist auch den zitrusfruchtig-säurigen Vertretern des Leithabergs war man im Süden immer mit dem sperrigsten Typus unterwegs. Material für die lange Strecke, rauchig, dunkel und würzig von Haus aus. Dass man hier nicht mit dem Eichenholz noch eines draufsetzen muss, war eine Lernkurve. Zumal selbst nach der Minimal-Wartezeit – nach zwei Jahren in der Flasche wurde verkostet! – ein Eisenberger noch ruppig, erdig und bitter sein konnte. Allerdings baut er sich dann nach fünf und zehn Jahren um, wie das international gelernt ist. Der neue Stil, der eigentlich eh der alte ist, baut hier eine Brücke zwischen Wein und Konsument.
Füllhorn, aus Schiefer geschlagen: „Saybritz 2019“
Am deutlichsten wurde das beim „Saybritz“ 2019. Dieser Wein wird mit Selbstbewußtsein immer puristischer ausgebaut. „Alle Rebstöcke sind hier mindestens 40 Jahre alt“, so Thomas Kopfensteiner. Gepflanzt wurde auf den Braunerdeböden mit Schiefer und Felsanteilen zwischen 1968 und 1975. Entsprechend dunkel (= Bodenprofil) und tiefgründig (=Rebalter) ist dieser Blaufränkisch. Edelholz, Geranie, Malabar-Pfeffer und ein tief reichendes an Graphit erinnerndes erdiges Element summieren sich zu einer komplexen Nase. Auch hier bleibt man nie zu lang (18 Monate) im Holz, das auch hier aus mehr als 1000 Liter fassenden Eichengebinden besteht.
Mikrooxidation unterstützt somit das, was in dieser Ausnahmekombination aus pflanzlichem und mineralischem Stoff schon vorliegt. Druckvoll kommt der „Saybritz“ im Mund zur Geltung, seine Beerennoten sind so dunkel, dass sie vorm geistigen Auge schwarz erscheinen. Holunder und Brombeere, ein wenig Säure von Preiselbeeren vielleicht, sind zu schmecken. Beachtlich ist aber, wie dieser Blaufränkisch ab der Gaumenmitte sich öffnet. Eine Tür führt in Richtung Pikanz und Salzigkeit (Tapenade schmeckt man z. B.), die andere in Richtung Rauchigkeit. Der Schieferboden hat hier eine an Rauchpaprika erinnernde Spur hinterlassen.
Man hätte das noch verschleiern können oder mit Brettern vernageln, um auf den Einsatz von Barriques anzuspielen. Doch die feine Winzerhandschrift, das G’spür Kopfensteiners, läßt hier einfach den Boden sprechen. Das ist erstens gut so und zweitens schreit er dabei förmlich. Wie gut nämlich die besten Lagen des Eisenbergs für Blaufränkisch geeignet sind. Denn hier ist der komplexeste Wein auch der zugänglichste. Weil der „Saybritz“ so viel mitbringt, dass sich jetzt schon viel öffnet. Und das wird 2032 immer noch nicht anders sein.
Bezugsquelle:
Weingut Kopfensteiner, Cuvée „Border“ 2019 kostet EUR 23,-, Blaufränkisch „Reihburg“ 2019 ist – wie der „Saybritz“ 2019 – um EUR 32,- erhältlich, der Blaufränkisch „Szapary“ 2019 wird um EUR 23,- angeboten – alle im Webshop des Weinguts, https://kopfensteiner.at