Es ist die „Weinbar” am Csaterberg, wo wir Kathrin und Rainer Stubits treffen. Mit Blick auf die Reben versteht man vieles besser als in der Buschenschank in Harmisch, dem eigentlichen Sitz des Familien-Weinguts. Wie sehr die gemischt ausgesetzten Reihen hinter den Kellerstöckln den „Csater“ prägen, erkennt hier sogar der Laie. Da sind die Stubits mit ihren fünf Hektar schon ein „Großer“ in einer Region, wo auch 0,25 Hektar Weingarten als Familienbesitz keine Seltenheit sind. Und auch, dass in diesem Teil des Südburgenlands der Weißwein regiert, gehört zur Historie des in zwei Teile (Kleincsater und Hochcsater) zerfallenden Hügels. „Wobei der Kleincsater von der Fläche größer ist und auch höher liegt“, wie Rainer die seltsame Lokalgeographie erläutert.
70% machen die Weißweine im Betrieb aus, daher wird nach dem „Spritzer“ gegen den Durst auch gleich mit einer ungewöhnlichen Sorte gestartet; Die Scheurebe alias Sämling 88 kennt man allenfalls als Süßwein im Burgenland und auch da eher im Norden. Doch auch sie fand man als einst beliebte Traube am Csaterberg vor – und daher pflegt man sie weiter. Zumal die Anlagen aus dem Jahr 1974 stammen und somit einen Schatz an alten Rebstöcken darstellen. Duftig ist dieser Wein in aberwitziger Form. Steinobst, Grüner Apfel und Cassis sind an sich eher widersprüchliche Frucht-Gerüche und doch sind sie alle da. Grüne Frische liefert etwas Petersilie, während auf der anderen Seite mit etwas höherer Temperatur sogar ein bisserl Himbeere die Nase kitzelt.
„400 bis 500 Liter“ ergibt diese Art respektvolle Spielerei bei Stubits (li. im Bild) und der Wein ist ein idealer Schluck im Sommer. Während in der Schwüle, die ersten Wolken aufziehen, erfreut die Säure des 2022er Sämlings den Gaumen. Die Kräuter-Idee aus dem Duft war keine Fiktion, im Mittelteil, der auch Extraktsüße zeigt, erinnert der Sämling kurz an „Almdudler“, doch im Finish kommt ein herber Einschlag auf; der Gerbstoff gibt zusammen mit der Säure Struktur. Ein Schuss Soda auf diesen Wein und der ideale „Sundowner“ ist am Csaterberg gefunden!
Nach dem Veltliner, auch er ein eher seltener Gast in südburgenländischen Rieden, kommt ein Zweier-Flight an die Reihe. Welschriesling ist die Sorte, für die der Winzer ein feines Händchen hat. Die „normale“ Füllung des aktuellen Jahrgangs 2022 ist Trinkfreude pur. Gelber Apfel, ein Touch Weißer Pfeffer und herb-süßer Zimt als Einsprengsel sind die Duftnoten, knackige Säure trägt den recht sortentypischen Mix aus Apfel- und Zitrusnoten. Die hohe Aufmerksamkeit gilt aber dem „Csaterberg“ 2021. Zwischen 1965 und 1981 wurden diese Stöcke ausgepflanzt, der zart reduktive Duft mit leichter Karamell-Keks-Anmutung zeigt schon das höhere Niveau. Bratapfel mitsamt Nussfülle ersteht vor dem geistigen Auge, auch zarter Speckrauch ist in diesem Lust-machenden Duftbild vorhanden.
Der 2021 Welschriesling enttäuscht diese Erwartungen an ihn auch im Mund nicht. Saftig ohne Ende mit einem süß-sauren Spiel rollt er über die Zunge. Analysiert man ein wenig, denkt man an Nussbutter, Sesam und Orangenspalten. Hat dieser „Csaterberg“ – Stoff für ein großes Weinglas! – das ideale Temperaturfenster, funkelt er direkt burgundisch. Dass in einem Nebensatz Rainer Stubits‘ Liebe zu opulenteren Grauburgundern durchschimmert, versteht man bei diesem Wein, der stilistisch weit weg von einem „Welsch“ der Marke Zisch-Frisch ist. Die ganz hinten am Gaumen einsetzende Salzzitronen-Note, eine Ahnung von Boden plus alten Reben, erhöht den Reiz des Trinkens noch. Ausgebaut wurde dieser so schmelzige Wein übrigens in großen, praktisch neutralen Holzfässern. Doch die schönste Überraschung folgt am Schluss: Der wertige Welschriesling hat gerade einmal 12% Alkohol.
Wo die Opale nach Popcorn riechen…
Wir können also lustig weiterkosten. Denn der nächste Doppelschlag bringt erneut einen Jahrgangsvergleich. Diesmal ist es der gleiche Wein namens „Weißer Opal“, nur aus zwei verschiedenen Jahrgängen. Weißer Schiefer und die einzigartigen Opal-Böden am Klein- und Hochcsater prägten nicht nur den Namen. Der Popcorn-Duft des 2020er Welschrieslings sagt gleich, dass hier ein besonderer Boden im Spiel war. Zündholzschwefel und zarter Rauch müssen erst verfliegen, ehe die Sortensignatur des gelben Apfels ruchbar wird. Sehr kompakt sind Sesam, Nektarine und etwas Meersalz kombiniert. Das macht vor allem im Finale die Räume eng.
Und doch ist es nur ein Vorgeschmack auch den großartigsten Wein des Nachmittags, den „Weißen Opal“ 2018. Hier streuen wir aber den [Spoiler-Alarm] ein, denn dieser Wein ist ausverkauft. Also im Zweifel lieber den mundwässernden nächsten Absatz überspringen!
Die widersprüchlichen Düfte eines großen Weines spannen hier unsere Notizen „Steinobst, vor allem Nektarine“ und „Erdäpfelkeller“ auf. Denn die helle und gelbfruchtige Seite der Aromatik hat auch einen dunklen Schatten. Erneut ist hier Rauchigkeit – gerne wieder: Popcorn! – und diesmal auch etwas zart Erdiges. Letzteres verfliegt mit der Zeit im Glas, dafür zeigt sich eine schon zart tropische Duftnote. Im Mund bringen die leichten 12,5% vol. eine Eleganz mit, die berückend ist. Alles ist bei diesem am Punkt gereiften Welschriesling bestens verwoben. Birne und erneut Steinobst, dazu eine zitrusfrischer und leicht salziger Zug, der die Linie vorgibt. Die führt direkt zum Tor, sprich dem Trinkgenuss. Denn im Finish warten noch Weißer Pfeffer und erneut etwas Salz, frisch wie Salicorne-Algen.
Aber wie gesagt: Leider gibt es diesen perfekten Schluck „Welsch“ nur mehr homöopathisch (=glasweise) in der Weinbar. Dafür ist der Chardonnay 2022 noch erhältlich. Er ist wie alle Weine der Winzerfamily ohne Entsäuern und Aufzuckern und nur mit Spontanvergärung entstanden. Nussig ist dieser Duft, Ananas, Karamellcreme und kalter Rauch, dazu auch Banana Bread steigen aus dem Glas. Neben einem 600 Liter-Fass verwendet Rainer Stubits für seine kleine Jahresproduktion auch ein Barrique. Dessen Prägung ist gerade noch spürbar. Denn am Gaumen wird der Chardonnay saftig wie ein ACE-Saft; nur dass die dominante Tropenfrucht hier Ananas ist. Reif und mit feinem Säurenerv wie die frische Frucht lässt sich der 2022er am Gaumen an.
Feine Würze im Finish verhindert aber einen fruchtigen Exzess. Mit einem Quäntchen Safran und Zitronenmelisse klingt der Südburgenland-Burgunder aus. Es ist kein Wein, der viel Jahre warten muss. Aktuell aber, in der Weinbar, mit Blick auf die Reben, ist er trinkfreudig und am Punkt – als idealer Abschiedsschluck von den Weißweinen des Csaterbergs.
Bezugsquelle:
Weingut Stubits, Sämling 2022 wird um EUR 10,20 angeboten, der Welschriesling „Csaterberg“ 2021 kostet EUR 13,90, der Welschriesling „Weißer Opal“ 2020 ist um EUR 21,90 zu haben und der Chardonnay 2022 wiederum kostet EUR 16,90 – alle im Videk-Webshop, https://videk.at/