Mit seinen 74 Jahren ist Vittorio Fiore heute eine legendäre Figur. Der gebürtige Bozener kam nach dem Weinbaustudium und ersten Aufträgen als Önologe in Norditalien 1978 in die Toskana, wo er bei der Tenuta Caparzo, Poggio Salvi oder Borgo Scopeto tätig war. Der neue Stellenwert des Chianti geht auf die – praktische wie publizistische – Arbeit von Männern wie Fiore zurück. Doch die Geschichte endet nicht mit einer Karriere als Edel-Weinbau-Berater. Denn 1992 stellte Fiore mit “Il Carbonaione“ seine eigene Sangiovese-Interpretation vor.
Diese baut auf einer Rarität auf, dem Sangiovese-Klons von Lamole. Diese Sorte überdauerten die Neuauspflanzungen, die in den 1960ern das Chianti erfassten. Die Stöcke auf den fünf Hektar in den terrassierten Hügeln von Ruffoli bei Greve sind mittlerweile über 70 Jahre alt. Der Weinberg „Il Carbonaione“ bildet das Herzstück des 40 Hektar großen Guts, das neben den 15 Hektar Rebflächen auch Olivenanbau und Waldflächen umfasst.
Gemeinsam mit seinem Sohn Jurij feiert Vittorio Fiore heuer den 20. gefüllten Jahrgang des Flaggschiffs vom Weingut Poggio Scalette. Nach wie vor steht „IGT Alta Valle della Greve“ am Etikett. Technisch wäre es seit 1997 möglich, ihn als Chianti Classico zu bezeichnen (erst ab diesem Jahr waren auch 100%ige Sangioveses zulässig). Doch Fiore blieb bei der Bezeichnung, mit der er fünf Jahre zuvor begonnen hatte.
Der Jubiläumsjahrgang 2012 des Il Carbonaione stammt aus einem heißen Jahr – die pure Fruchtigkeit ist das Ergebnis. Die Frage ist nur: Herzkirsche oder Weichsel? In jedem Fall duftet der Toskaner nach Sommerfrüchten, intensiv und warm wie sonnenbeschiene Früchte macht er Laune. Auch am Gaumen erinnert vieles an eine frisch vom Baum gepflückte Kirsche. Saftig, saftiger, fleischig-saftig!
Wer Ecken und Kanten sucht in einem Wein, wird ihn aktuell noch nicht ganz so schätzen. Denn schließlich kommt auch zarte Vanille dazu und sorgt für einen noch geschmeidigeren Eindruck. Im Finish wird es auch zart würzig, heller Tabak wird notiert. Als Begleiter einer sommerlichen Pasta mit Kirschtomaten oder eines Kalbstafelspitz‘ vom Grill macht der Carbonaione aber schon jetzt beste Figur. Wobei man dem jugendlichen „Jubilar“ durchaus noch ein paar Jahre Reife zubilligen sollte. Denn sollte er wie sein Schöpfer die „Altersweisheit“ voll ausspielen.
Bezugsquelle:
Poggio Scalette, „Il Carbonaione“ 2012, ist um EUR 36,50 bei Fischer & Trezza, www.fischer-trezza.de