Ein Coup gelang Michael Doci mit seinem Wein-Menü. Entsprechend war das Ristorante Luigi bis auf den letzten Platz gefüllt. Giampaolo Motta nach Wiener Neustadt zu bekommen, verdankte sich der gemeinsamen Leidenschaft: „Verrückte Menschen finden meist zueinander“, formulierte es der La Massa-Winzer aus Panzano. Seine eigene Geschichte vom Leder-Techniker im Familienunternehmen in Napoli zum Weinmacher in der Toskana hat durchaus verrückte Momente. Etwa, dass seine Familie über Jahre kaum mit dem schwarzen Schaf sprach.
Die Emotion, als sein Großvater zum Telephon griff, um zum „Giorgio Primo“ zu gratulieren, war Motta noch anzumerken. Denn sein Erstlingswerk trug den Namen seines Opas. Doch dazu später mehr, denn den Einstieg machte jener Wein, der die größte Menge des 27 Hektar-Weinguts ausmacht. „La Massa“ ist eine erstaunliche Cuvée, die in Pizzerien ebenso ausgeschenkt wird wie glasweise im Pariser „Ritz“. Fast rauchig ist die erste Nase, die aus dem Zalto-Glas (Modell: „Balance“) steigt. Erster Eindruck: sehr dicht und frucht-dominiert. Die Schlehen-Noten sind zum Greifen präsent, dahinter merkt man Brombeer-Duft und eine zwischen Lakritze und Graphit pendelnder dunkle Kraft. 50% Sangiovese wurden in diesem Jahrgang – es ist der 2021er „La Massa“ – mit je 25% Merlot und Cabernet Sauvignon vermengt.

Mit Luft, die das Glas dem jungen Toskaner reichlich gewährt, wird auch Preiselbeere deutlich. Saftig aber kühl zeigt sich die Cuvée dann am Gaumen. Auch da sind viel Waldbeeren-Tön vorhanden, allerdings in deutlich dunkler Form als in der Nase. Als Blend aus allen Lagen der Tenuta bringt der Wein Heidelbeere und Brombeere auf die Zunge. Auch dunkle Schokolade mit dem leichten „Bitterl“ noch junger Tannine steht zu Buche. Kaum zu merken ist der Cabernet, was ein gutes Zeichen, nämlich der Ausweis der Reife, ist.
Im Menü kam dazu ein Gericht mit komplexen dunklen Aromen von Michael Jeitler zum Einsatz: Holunderbeeren und Kernöl flankierten ein Hirsch-Tartar. Und zu Wildbret kann dieser Wein in der Tat viel. Es kitzelt die leichte Süße des Merlots wach, während die würzigen Akkorde – hier auch durch Kürbiskerne vorhanden – sich bestens mit dem Sangiovese vertragen.
Der ist nämlich eine kantige Rebsorte, wie Motta ausführt, und er selbst ist keiner, der das versucht glattzubügeln. Das zeigt sich beim Wein, den Signore Motta seiner Tochter Carla gewidmet hat. Denn auch der trägt eine Nummer wie „Giorgio Primo“. Das „Carla 6“ bezieht sich aber auf die Einzellage (ein knappes Hektar groß), nicht den sechsten Wein-Versuch. Vor allem aber ist es ein 100%-iger Sangiovese, der nicht ganz zur Philosophie des Winzers passt. Denn der sagt mit Italo-Pathos: „Ich bin ein Blender, ich liebe es Rebsorten zu verbinden – nur so kann man Persönlichkeit im Wein ausdrücken! Doch der pure Ausdruck des kleinen Landstrichs hat ihn dann überzeugt.
Reinsortiges für die Tochter – „Carla 6“ 2019
Der Jahrgang 2019 bringt eine kleine Menge des mineralisch geprägten Weines hervor – mehr als 5.000 Flaschen gibt es nicht (zum Vergleich: 120.000 sind es vom „La Massa“!). Die extreme Würze ist in der ersten Nase bereits da; man denkt an Steinpilze, Bohnenkraut und Wermut-Blätter – vor allem ist kaum Frucht zu erkennen. Allenfalls Kirschen heben zaghaft ihr Köpfchen. Auch am Gaumen ist der würzige Ausdruck sofort da. Dunkle Schokolade, geschmorter Radicchio, Hollerbeeren und feine Muskat-Töne im Nachklang machen einen engmaschigen Wein aus. Der „Carla 6“ hat immer noch recht hartes Tannin aufzuweisen – er ist eben ein Sangiovese in purezza. Und die alte Faustregel der Toskana – Lagenweine niemals vor fünf Jahren Reife zu öffnen – hat schon ihre Richtigkeit. Die hätte er zwar erreicht, aber wir würden es in weiteren fünf wieder versuchen. Denn es ist alles da beim reinsortigen La Massa, aber eben noch in sehr kantiger Form.
Vielleicht hat Giampaolo Motta, der alte Fuchs, diesen Wein aber bewusst vor seinem Flaggschiff serviert., Denn der „Giorgio Primo“ ist wieder eine Cuvée nach Bordelaiser Vorbild; Cabernet, Merlot und Petit Verdot machen diesen Rotwein aus. Und seinen Schmelz. „Begonnen hatte er als Chianti Classico“, erinnert Motta an die Anfänge Anno 1992, als er die alte Fattoria erstanden hat. Mit dem Verkauf von zwei Dritteln des Landes, finanzierte er sein Wein-Abenteuer. 2006 war das letzte Mal Sangiovese in diesem Blend, „demnächst wird auch Cabernet Franc dabei sein“, verweist der Winzer auf die neuesten Pflanzungen in Panzano. Doch noch tanzt der 2020er im Glas. Es war ein schwieriges Jahr, womit sich der Anteil des Petit Verdot auf 10% hochschraubte. Das ist ein Anteil, den man auch in Bordeaux selten findet. Doch überraschender Weise ist Motta ebenso von seiner Rolle in Cuvées überzeugt wie wir Trinkprotokollanten: „Er gibt immer die Struktur“, sagt er beim Einschenken.
Der 2020er „Giorgio Primo“ zeigt eine feine Unterholz-Note, die sich aber vom Ton der feuchten Burgmauern unterscheidet, der oft das französische Vorbild prägt. Hier sind es eher Rosengehölze, die sich mit einem ganz feinen Vanille-Ton verwoben haben. Ausgeprägt ist aber auch die fleischige Kirschfrucht dieses Weines. Fast süße kommt die Frucht dann auf den Gaumen. Alles ist hier auf der rotfruchtigen Seite angelegt, aber wohlgemerkt auch auf der reifen Seite. 18 Monate im Holz, davon 50% neue Barriques, geben hier aber nur die Form. Ribisl-Gelée und Schwarzer Pfeffer entwickeln im Nachklang eine fast prickelnde Intensität. Dazu trägt ein Hauch Gewürzpaprika des Cabernets noch bei. Gemeinsam passt das bestens zum Trüffeljus, der im Luigi ein butterweiches Angus-Rinderfilet (kl. Bild) umspült. Doch auch solo kann dieser noch junge Rote überzeugen.
Das zeigt sich dann im direkten Vergleich mit dem „supplement“, der Überraschungs-Doppelmagnum, die Motta mit Importeur Wein Wolf öffnet: Jahrgang 2011 vom „Giorgio Primo“ ist deutlich kantiger, verschlossener. Nicht nur animalisch, sogar „bestiale“ sei dieses Jahr, wundert sich der Winzer selbst mit. Denn hier warten noch locker zehn Jahre bis zum ersten Höhepunkt. Wir erinnern uns in Wr. Neustadt an den ersten „Giorgio Primo“, den wir getrunken haben. Es war einer der ersten Jahrgänge des Weinguts überhaupt. Und wir lagen zehn Jahre daneben, als er blind verkostet wurde. Doch bei Weinen wie diesen irrt man sich gerne. Und 2020 dürfen sich alle Ungeduldigen vormerken!
Bezugsquellen:
La Massa, „La Massa“ Toscana IGP 2020 ist um EUR 29,99 bei Interspar Weinwelt erhältlich, www.interspar.at
La Massa, „Carla 6” Sangiovese di Toscana IGT 2019 kostet EUR 98,- beim Weinhaus Wakolbinger, https://wakolbinger.at
La Massa, „Giorgio Primo“ Rosso Toscano IGT 2020 wird um EUR 105,- bei Superiore angeboten, www.superiore.de





