Ein wenig hat die Enthüllung von Diageos „Special Releases“ immer etwas von Weihnachten. Heuer waren die Geschenke jedenfalls besonders schön verpackt. Nicht nur das Artwork der acht Neuheiten aus Schottland schimmerte bunt. Auch die Verkostung im Wiener Palais Coburg verlieh den limitieren Whiskys Glanz. Sie feiern unter dem Motto „Spirited Xchange“ zum zweiten Mal experimentelle Reifungen aus einem Teil der 30 (!) schottischen Brennereien des Weltmarktführers. Ob der Whisky-Weihnachtsmann dabei die Wünsche der Scotch-Community erhört hat? Oder doch das Single Malt-Pendant zur Krawatte oder dem abgelehnten Parfum ins Glas kommt? Auch diese Frage trug bei der Enthüllung der Fass-Stärken, die 2024 wieder Markenbotschafter Florian Mittendorfer vornahm, zur Spannung bei.
Gereiht waren die acht Fass-Stärken-Whiskys nach getorft und ungetorft – und dass ein Caol Ila bei den „unpeated whiskys“ stand, machte schon einmal Vorfreude. Schon 2018 gab es einen „dram“ der Islay-Brennerei ohne deren charakteristischen Rauch-Ton (hier zum Nachlesen). Diesmal zeigte sich Caol Ila als „11 years“ mit einer Note, die man gerne als „briny“ bezeichnet; die Säure und Würze von Einlegeflüssigkeit für Gemüse schwingt hier mit. Uns erinnerte der Duft-Mix auch an Holunderholz im Frühling. Ein wenig Pflanzenmaterial, erdig, holzig und auch von etwas säurigen Noten begleitet. Der Duft eines Nuss-Gugelhupfs setzt dabei das Malz in Szene, während dahinter ein Misch-Fruchtsaft sein Odeur verströmt; Maracuja und Orange waren dessen markantesten Noten.
Das Phantom des Rauchs – Caol Ila 11 years
Zitrusöl und feine Säure war – auch wenn wir uns wiederholen – auch im Geschmack da. Interessant wie eine mögliche Geistererscheinung stellte sich auch ein Alzerl Rauchigkeit ein. Vielleicht liegt der Standard-Rohstoff bei Caol Ila immer irgendwie in der Luft, wurden die Überlegungen da esoterischer. Klarer hingegen ist der Eindruck, wenn man den 57,3% vol. starken „dram“ mit Wasser etwas zähmt: Grüne Haselnüsse sind da neben Kräuterwürze zu schmecken. Und auch für den Rauchgeschmack gibt es ein „Okay“ – er bleibt auch mit Wasser da.
Ein freudiges Wiedersehen gab es mit dem „Origami Kite“, wie sich die zweite Abfüllung von „Roseisle“ nennt. Und es ist in der Tat die erst zweite reguläre Abfüllung aus der gewaltige Destillerie (14 Brennblasen!) in Elgin. Die gewaltige Fruchtnase diese Whiskys lässt Pfirsich, Passionsfrucht und Mango wie bei einem Smoothie erkennen. Erst dahinter kommt das Malz des „12 years“ zum Vorschein. Man darf hier durchaus Destillerie-Charakter vermuten, denn die Reifung erfolgte in den „üblichen“ Fässern, nämlich erstbefüllten, aber auch wieder verwendeten Ex-Bourbon-Fässern.
Im Mund ergibt das beim 55,6% vol kräftigen „Roseisle“ einen druckvollen und schoko-gespickten Eindruck, bei dem man an „Granola“ denkt. Die malzige Seite und der Nougat der US-Fässern wird aber auch von den gelben Tropenfrüchten begleitet. Zu ihnen gesellt sich auch ein Schwung kandierter Früchte, die wie frisch aus einem Panettone gezupft wirken. Doch lieblich ist diese Fass-Stärke keineswegs. Lang und wärmend klingt der Single Malt aus Elgin aus. Wer nun Wasser zufügt, wird auch eine Brücke zum japanischen Verpackungsthema finden. Dann nämlich findet sich ein Touch Sakura (Kirschblüte) im Duft und Geschmack, die man in Fernost so liebt.
Ungewöhnlich war die Verwendung von Hybrid-Fässern, die wir erstmals bei Diageo sahen. Für den „14 years“ von Singleton of Glen Ord hatte man europäische Eichenholz-Deckel auf Bourbon-Fässer montiert. So erfolgt der aromatische Eintrag beider Hölzer zugleich (und nicht wie bei einem Fass-Finish, also Reifung in zwei Holzarten hintereinander). Die weinigen Töne und Kirsch-Akkorde dieser Abfüllung darf man getrost diesem spanischen Holz-Anteil zuschreiben. Malz und Schokolade wie bei einem Marmorkuchen sind zu erschnuppern. Ausgeprägt ist auch der Geruch von Amarena-Kirsche und Heidelbeere.
Am Gaumen muss sich die Kraft erst langsam entfalten, dann aber ist eine leichte Säure (weiniger Natur?) da, die Kirsche pur und sogar einen Anflug von Marzipan mitbringt. Bei aller Kraft (in diesem Fall: 54,7%vol.) ist der 14-jährige Singleton aber sehr floral. Vor allem im Finish und mit erneut ein paar Tropfen Wasser versehen, zeigt sich ein fast rotweiniges Finale, das an Hibiskus, Veilchen und Cranberry erinnert.
Benrinnes – Ein 21 years mit Waffel-Duft
Und im ersten Quartett der „Special Releases 2024“ fand sich auch der älteste dieser Serie. 21 Jahre alt ist der Benrinnes, der diese Zeit in amerikanischen und europäischen Eichenfässern verbrachte, die davor mit Wein befüllt waren. Helles Gebäck liefert den ersten Dufteindruck: Waffel- oder Palatschinkenteig? Das müssen die Patisserie-Könner entscheiden; die malzige Spur von Manner Schnitten ist jedenfalls danach zu erkennen. Und noch eine andere Erinnerung ans Buffet in Freibad und Kino stellt sich ein: Die wie Spaghetti einzeln verkauften „Schnürsenkel“ mit Erdbeergeschmack. Sehr weich beginnt der Benrinnes 21 years; ein Anflug von Schwefelhölzchen steht ihm gut, der volle Geschmack lässt sich in diesem Fall auch ohne Wasser zum Aufschließen genießen.
Tatsächlich nimmt ihm das Pipettieren sogar die Komplexität, die an Kaffee mit Gewürzen (z.B. Kardamom) erinnert. Insofern ist auch sein Beiname („Grand Crescendo“) gut vom Diageo-Marketing gewählt worden.
Und das war erst Teil 1 der acht Fass-Stärken. Es folgt noch mehr. Mehr Rauch, mehr Kraft, mehr „Pakete öffnen“…
Bezugsquelle:
Caol Ila, 11 Years Old „Ambrosial Feast“ (=Special Release 2024) kostet EUR 105,-;
Roseisle, 12 Years Old „Origami Kite II“ (=Special Release 2024) ist um EUR 145.- erhältlich;
Singleton of Glen Ord, 14 Years Old „Autumn Walk“ (=Special Release 2024) trägt EUR 150,- am Preisschild;
Benrinnes, 21 Years Old „Grand Crescendo“ (=Special Release 2024) wird um EUR 450,- angeboten;
Alle Flaschen sind im Rumzentrum-Webshop zu beziehen, www.rumzentrum.at