„Köm“ kennt man. Wenn man in Norddeutschland aufgewachsen ist. Denn dort trinkt man den so genannten Kümmelschnaps, der etwas nördlicher in Dänemark und Norwegen Aquavit heißt, seit Jahrhunderten. Der Alkoholgehalt (mind. 37,5%) und die Vielfalt des Geschmacks mag bei den Skandinaviern, die gerne auch Dille zum Aromatisieren verwenden, höher sein. Doch auch so darf sich der Kümmel-Schnaps als Cousin des Gins betrachten. Da wie dort wird Neutral-Alkohol aromatisiert, mal mit Wacholder, mal eben mit Kümmel.
Hamburg kann man mit Recht als die Kümmel-Hochburg bezeichnen. Seit 1836 wird im Stadtteil Wandsbek bei Heinrich Helbing Kümmel erzeugt. Damals schon war der Wasserträger „Hummel, Hummel“, eine legendäre Figur, die ihrem Fleiß den Spitznamen verdankte, auf der Flasche zu sehen. Er dankte den Kindern, die ihn so mit dem drolligen Insekt verglichen, angeblich mit einem drohenden „Mors, mors!“ (Latein.: Tod, Tod!). Folktales auf Hamburgisch.
Den Traditionsschnaps erzeugt man beim einstmals größten Spirituosen-Unternehmen des Kaiserreichs, heute Teil des familiengeführten Borco-Marken-Imports, aber wie eh und je: Kümmel ist Bestandteil des Herrengedecks, er wird im (gekühlten!) Schnapsglas mit Pumpernickel- als Deckel aber auch als plattdeutsche Tapas-Variante gereicht. Kaum eine Bar an der Elbe kommt ohne Helbing aus, man serviert ihn pur oder im Sommer auch als „Helbing-Tonic“.
Hierzulande fristet der Kümmel ein Schattendasein, was kaum am Geschmack liegen dürfte (dazu gleich mehr). Zumal im Landes des Kümmelweckerls auch Verständnis für die herbe Aromatik da sein sollte. Wobei auch das Weckerl, wenn man sich’s genau betrachtet, in letzter Zeit seltener Gast in den Brotkörbchen und Frühstücksangeboten geworden ist. Das wirft Fragen auf:
- Wohin ist das Weckerl gegangen, ihr Bäcker?
- Mag Österreich etwa keinen Kümmel mehr?
- Ist der Kümmelbraten auch in Gefahr?
Da kehren wir doch doppelt gerne zum formschönen Helbing-Glas zurück, in dem der eisgekühlte flüssige Kümmel wartet.
Sein Duft erinnert zunächst an Schwarzbrot und etwas Pumpernickel, im Blindtest würde man den Helbing wohl für Wodka halten. Wäre da nicht der doppelte Kümmel-Anflug, der einmal zart an den Kreuzkümmel (Cumin) erinnert, dann wieder an Schwarzkümmel. Ein Hauch von geröstetem Paprika lässt sich eventuell auch noch erkennen.
Überraschend angenehm ist das Mundgefühl des hanseatischen Kultgetränks – relativ viskos und mit einer anfangs deutlichen Süße kommt der Kümmel daher, ehe dann erdige Note, so etwas wie Kartoffel-Schalen, und die dezente Cumin-Note durchschlagen. Im Abgang wird es herb-süß, das kennt man ähnlich von Schlehen oder Kornellkirschen, ehe ganz zu Schluss nochmals der Kümmel klar macht, was man da getrunken hat.
Wir halten fest: Dieser Kümmel ist eine wirklich feine Alternative zum Fruchtbrand nach dem Essen. Zumal der Kümmel auch in fester Form ja als Verdauungsbeschleuniger gilt.
Bezugsquelle:
Helbing, Kümmel, ist um EUR 12,99 (1 Liter) bei Killis Getränke erhältlich, www.killis.at