Der eingriffslose Naturwein, ein hehres Ideal wie der „Edle Wilde“ Rousseaus, beschränkt sich nicht nur auf maische-vergorene, schwefelarme Weine, die nicht einmal umgepumpt werden im Keller. Auch beim Schaumwein lässt sich minimal-invasiv arbeiten. Wenn man es kann. Christoph Hoch aus Hollenburg im Kremstal kann es mittlerweile. Doch der Weg zum „Kalkspitz“, seinem neuen Perlwein, folgte einem Pfad durch Versuch und Irrtum. Denn die Méthode ancestrale, nach der süd-west-französischen Gegend Gaillac, die sie praktiziert, auch Méthode gaillacoise genannt, hat ihre Tücken. Das dritte Synonym Méthode rurale legt zwar nahe, dass sie rustikaler als die Champagner-Herstellung sei, praktisch stimmt aber das Gegenteil, wenn man trockene Ergebnisse von seinem Wein erwartet.
Die Kohlensäure bei einem Pétillant naturel, trendiger: Pet. Nat., stammt nämlich aus dem Restzucker der Traube selbst. Der noch nicht fertig gegorene Most kommt in die Flasche und gärt dort (im Idealfall mit Weingarten-eigener Hefe) fertig, indem er Alkohol und Kohlensäure erzeugt. Einfach ist da die Zugabe von Hefe und Zucker zum fertigen Wein, die dann eine zweite Gärung in der Flasche – etwa beim Champagner – bewirkt. Fünf Gramm Restzucker ergeben etwa ein Bar Druck, lautet die Schaumwein-Faustregel. Man bräuchte für „natürlich gegorenen“ Schaumwein also 24 bis 30 Gramm Zuckerrest, eine echte Vorgabe im Kremstal. Weshalb es Christoph Hoch beim Perlwein beließ, der unter drei Bar Druck hat und somit auch mit weniger Zucker gelingt.
Über die genauen Bestandteile seines „Kalkspitz“ äußert sich Hoch nur verhalten, denn das Geheimnis, das er ausgetüftelt hat, liegt in einer zweifachen Leistung des Sorten-Mixes, „jede Rebe hat ihre Funktion“:
- Technisch: Die Challenge liegt hier in der Dosierung der Gärung, die einerseits genug Zucker braucht, um zu starten. Auf der anderen Seite soll nicht zu viel Kohlensäure freigesetzt werden und damit der Druck in der Flasche zu hoch werden.
- Sensorisch: Das Ergebnis soll ja nicht nur das Explodieren der Flaschen verhindern, sondern auch schmecken! Und zwar so, dass der Zucker vollständig vergoren wird, es also am Ende keinen süßen Perlwein gibt.
Dass der Grüne Veltliner einen wesentlichen Anteil am Blend hat, war dem Winzer aber zu entlocken. Das liegt aber auch nahe, denn die (wie in der Champagne) auf einem Kalkboden wachsende Hauptrebe des Gebiets setzt Hoch auch bei seinem Still-Wein „Hollenburger“ ein. Doch das Ganze ist noch etwas komplizierter, früheres Lesegut und spätere Chargen lässt der Hollenburger in Holzfässern, ein Geschenk des Champagner-Winzers Benoît Tarlant, angären und erstellt dann einen Most-Blend, der sofort abgefüllt wird. Dann beginnt das Warten. Und auch wir haben lang genug gewartet: Wie also schmeckt der naturbelassene Perlwein mit dem Kronkorken?
Nun, das mittlere Braun, das der undegorgierte „Kalkspitz“ vom Heferest erhält, macht neugierig. Denn Hoch verspricht, ein „trübes, aber hoch seriöses“ Produkt. Farblich bleibt auch der erste Geruchseindruck (braune Birne) in diesem Bereich, aber die mostigen Noten der ersten Minute weichen bald einem hellen Karamell (Stollwerck!) ohne Buttrigkeit. Da ist aber noch mehr, weshalb man gerne die Sortenzusammensetzung wüsste: Kamille und andere Blüten sind zu erschnuppern. Saftig und mit beachtlichem Druck am Gaumen fällt die erste Begegnung mit dem „Kalkspitz“ aus. Vor allem beeindruckt die Perlage des „Pet. Nat.“, sie ist gut verwoben mit den Fruchtnuancen, vor allem Apfel und Birne, aber auch eine Nektarine ließe sich assoziieren. Der Gerbstoff im Finish sorgt dafür, dass man das Ganze nicht mit einer edlen Variante eines Cidres verwechseln kann. Als Aperitif noch zu ungewöhnlich, macht der Pet Nat aber zur Vorspeise gute Figur; sehr fein begleitet er die oft genug ohnehin „wein-lose“ Suppe, speziell Gemüse-Cremesuppen. Aber auch zart orientalisch gewürzten Gerichten – mit Kreuzkümmel und Kurkuma etwa kann der „Kalkspitz“ bestens – bekommt seine perlende Begleitung ganz gut.
Bezugsquelle:
Christoph Hoch, Perlwein „Kalkspitz“ ist um EUR 15,90 bei Agoravino erhältlich, www.agoravino.com