100 Rum-Marken zählt man auf Kuba. Seit der Exportpreis für Zucker zusammengebrochen ist, bleibt auch genug Rohmaterial für all die kleinen Destillerien aus dem eigenen Land übrig. Zukauf und Abhängigkeit von fremden Zuckerfabrikanten kennt man beim größten Erzeuger aber ohnehin nicht. Havana Club hält einen Marktanteil von 50% auf der Zuckerinsel. Mit gut 50 Mio. Flaschen ist man aber auch global eine Macht als Nummer 3 des Rummarkts (wobei nach wie vor nicht in die USA verkauft werden darf: Kommunisten, Embargo und so). Derlei Zahlen erfährt man zuhauf, wenn man durch das Rum-Museum in Havanna spaziert. Sogar einen Drink mit frischem (!) Zuckerrohrsaft reicht man den Besuchern zum Abschluss.
Nicht übel, doch so richtig spannend wird es 40 Kilometer nördlich der Hauptstadt in San José de Las Layas. Dort endet das trockene Zahlen- und Geschichtsmaterial bei einem Besuch jener Destillerie, die seit 2007 für den raren Part des Havana Club-Portfolios verantwortlich ist. Master Ronero Manuel Calderon (am kl. Foto links) fungiert dabei als unser Begleiter. Und er ist einer von nur acht Kubanern (darunter eine Frau), die den seit 1992 verliehenen Rum-Meistertitel tragen. Zu viert wachen sie über die alten Reserven der Destillerie in San José. Und vier Abfüllungen bilden auch die „Icónica Collection“ der Prestige-Rums des Joint Ventures zwischen der staatlich-kubanischen Cuba Ron S. A. und dem französischen Spirituosenkonzern Pernod-Ricard. Zumindest dann, wenn man die jährlich wechselnde Abfüllung „Tributo“ außen vorlässt so wie wir. Denn mit der Jahreszahl ändert sich hier auch leicht das Geschmacksprofil.
Doch zum Kosten gibt es beim bescheidenen Master Ronero auch so genug. Eine dreifache Selektion der besten Fässer – einzelne Rums, des Blends daraus und des gereiften Blends – steht hinter der Namensgebung „Selección de Maestros“. Dieser Rum wurde scheinbar auf Sanftheit hin selektioniert, „Mannerschnitte“ und Nougat sind die ersten Duftnoten, ein wenig medizinal-jodige Noten mischen sich unter die süßen Düfte. Doch am Gaumen kann der Selección de Maestros auch anders. Da zeigt er ganz schönen Biss, Leder, Kakao und Haselnüsse mischen sich mit Orangenzesten. Das Finish des mit 45% Alkohol auch kräftigeren Havana Club-Rums klingt lang und nussig aus.
Während alle anderen Premium-Rums ohne Angabe der Lagerung auskommen, stellt der „Añejo 15 Años“ genau diese Zahl in den Mittelpunkt. Er stellt somit einen guten Kontrapunkt zum meistverkauften dunklen Rum der Kubaner, dem „7 Años“, dar. Der seit den 1980ern erzeugte Rum mit der Altersangabe ist definitiv ein maskulines Getränk: Leder, die leichte Teer-Note, aber auch Dörrpflaume, wirken fordernd im Duft. Auch am Gaumen bleibt die Süße im Hintergrund, hier regieren die Gewürze. Piment, Zimt und Muskatnuss sind die ersten Eindrücke, die erst ab dem mittleren Gaumen Fruchtnoten zulassen. Rote Früchte tragen den 15 Años dann ins Finale, auch hier wird aber noch pfeffrig nachgewürzt.
Unión – der Rum zur Kanzler-Zigarre
Würze ist auch das Stichwort zum nächsten Rum, den Señor Calderon vorstellt. Gemeinsam mit dem bekannten Zigarrenkenner Fernando Fernández wurde an einem explizit zur Prestige-Zigarre Siglo VI (Kanzler Schröder, wenn sich noch wer erinnert!) passenden Rum gearbeitet. Um diesen an der Aromatik der Cohiba orientierten Zusammenklang zu unterstreichen, heißt das Ergebnis schlicht „Unión“. Er war, das darf man vorwegnehmen, unser erklärter Favorit.
Man hat bei der Zusammenarbeit zwischen Zigarrenkenner und Rum-Meister offenbar auch an die Textur gedacht. Denn das Mundgefühl erinnert mit seiner Mischung aus Öligkeit und Ledrigkeit, an sich ja eher widersprüchliche Noten, durchaus an feine kubanische Zigarren. Wenn man so will, wäre das ein trinkbares Oxymoron. Mandelcreme und wieder viel Nuss-Aromen bewahren den Zigarren-Rum aber vor eindimensionaler Süße – immer schwingt ein dunklerer, würzigerer Zug mit. Der Gegenpart, die Bitterkeit und die Rauch-Aromatik der handgerollten „Puros“ wird hier quasi antizipiert. Das Bett bereitet diesen herben Geschmäckern neben der Tropenfrucht auch die nur angedeutete Würze, die sich im Finale als pfeffrig-nussig zeigt. Vielschichtig ist dieser Unión und definitiv ein „Meditationsrum“ – auch für Zigarrenverweigerer!
1.000 Flaschen von den wie gesagt 50 Millionen, die Havana Club verkauft, tragen die Aufschrift „Máximo“. Da es Halbliter-Flaschen sind, wird es noch rarer, es gibt also keine 600 Liter davon. Der minimalistisch gestaltete Glas-Dekanter, aus dem er eingeschenkt wird, signalisiert dementsprechend Noblesse und einen vierstelligen Preis. Doch im Kostglas sind sie erst einmal alle Rums – und wir wollen sie trinken! Trocken und salzig wirkt der rare „Blend der ältesten Reserven“ (© Manuel Calderon) vom ersten Augenblick an. Es riecht nach Salzmandeln und Nüssen wie bei einem Sherry; die fruchtigen Akzente, am ehesten Marille, haben es dagegen schwer. Wunderbar sanft hingegen legt sich der Máximo auf die Zunge. Zu den Nuss-Noten gesellen sich Rosinen wie bei einem Malaga-Eis (Vanille ist schließlich auch genug im Spiel von den Fässern), aber auch Rosenblätter.
Die Steinobst-Aromatik, im Duft als Marille nur schwer fassbar, kommt auch jetzt durch, sie bildet den Auftakt zu einem cremigen Finale der nunmehr nur mehr mit 999 Flaschen auf diesem Planeten vertretenen Rarität. In diesem Falle entscheidet also – abgesehen von der Geldbörse – die Stil-Frage: Will man den weicheren Máximo mit Seltenheitswert oder doch den komplexen Unión? Was so ein Kuba-Trip nicht alles für Fragen aufwirft….
Bezugsquelle:
Havana Club, „Selección de Maestros“ ist um EUR 44,- (0,7 Liter-Flasche) erhältlich, der „Añejo 15 Años” um EUR 156,-, der „Unión“ um EUR 358,- sowie der ultra-rare „Máximo“ (halber Liter!) um EUR 1.560,-, alle bei Getränke Del Fabro, http://delfabro.at/