Die kantigen Füllstärken gehören immer noch zur Bourbon-Welt. Auch wenn das „Auf“ (und in den letzten Jahren eher „Ab“) der Alkohol-Stärken unter den Fans immer für Kontroversen sorgt. Für den Einstieg in die Welt des Whiskeys sind die 100 proof (=50% vol.) nicht unbedingt erste Wahl. Doch sie sorgen verlässlich dafür, dass auch ein Cocktail noch gut die Bourbon-Noten durchschimmern lässt. Auch der Neue von Ezra Brooks, dessen Name die 99 proof inkludiert, schrammt an der Oberkante dessen, was man hierzulande als normal für Bar-Spirituosen ansieht. Doch in diesem Falle kommen die 49,5% vol. nicht ganz ungefiltert auf die Zunge.
Denn der neue Whiskey aus Bardstown/Kentucky ist ein seltenes Exemplar. Erst jüngst diskutierten wir mit einem US-Brenner (Greg Lehman aus Ohio) über „Fass-Finishs“, wie sie in Schottland, aber auch Irland fast der Regelfall bei Neuerscheinungen geworden sind. In den USA gibt es derlei in der Szene der kleineren Brennereien durchaus. Durch die komplizierten Alkohol-Gesetze gibt es eine Fülle von Whiskey-Erzeugern, die vorrangig in ihrem Bundesstaat Bedeutung haben. Sie „spielen“ natürlich gerne mit den Aromen aus vorbelegten Fässern, sobald die Mindestreifung in der US-Weißeiche abgeschlossen ist. Nur: Davon kommt so gut wie nichts nach Europa. Denn für marktübliche Chargen der großen Player – wo selbst 20.000 Liter als „batch“-Größe praktisch nichts sind – braucht man eben auch hunderte Fässer der gleichen Machart und des gleichen Alters.
Daher ist es spannend, wenn nicht nur ein „Straight Bourbon“ mit Fass-Finish (das ein halbes Jahr währte) auf den Markt kommt. Sondern dieser auch keine Rarität, sondern ein überraschend leistbarer Whiskey ist. Konkret erhielt der „Ezra Brooks 99“ seinen letzten Schliff von Master Distiller John Rempe in ehemaligen Portweinfässern. In der Nase liefert der hohe Mais-Anteil der „mash bill“ (78%) ein Karamell-Popcorn-Feuerwerk. Weitere 10% der Getreidemaische stellt der Roggen, dazu kam gemälzte Gerste.
Die Nase ist Bourbon-typisch, wobei sich auch getrocknete Feigen und Mandelkekse in den Salzkaramell-Duft mengen. Überraschend rund und beinahe cremig (gesalzene Erdnussbutter!), vor allem für die Alkoholstärke, füllt der Straight Bourbon den Mund aus. Man kann schön auf dem Whiskey herumkauen und die nussigen Noten genießen – oder sie im Geiste benamsen. Pekan-Nuss ist dabei, auch etwa Salzmandeln. Das Finale bringt dann die roten Frucht-Noten des Portweins in Stellung. Die leichte Säure verrät die weinige Vorbelegung und hat nichts Bourbon-typisches. Etwas Sauerkirsche schwingt da mit. Vielleicht auch unreife Hauszwetschke und rotbackiger Apfel. Erst im letzten Drittel wird es auch kantiger. Der nussige Nachhall verbindet dann die Frucht mit den Holz-würzigen Tönen und dem immer noch im Hintergrund liegenden Karamellgeschmack.
Für beide Klassiker – einen „Old Fashioned“ oder einen „Manhattan“ – eignet sich dieser Bourbon aus Kentucky. Wobei man es auch mit einem „Continental Sour“ probieren könnte. Wegen dem Portwein am Eiweiß wär‘s!
Bezugsquelle:
Ezra Brooks, „99 Port Cask Finish Bourbon” kostet EUR 37,- z. B. bei Killis Getränke, www.killis.at