Wein trinken, wo er wächst, haben sie ernst genommen: Im Traktor-gezogenen Zeiserlwagen ritten Hannes Hofer, Robert Grill und Christian Kamper mit ihren Gästen aus, um in den Rieden des Ortes jene Flaschen zu entkorken, deren Inhalt von hier stammte. Wiege, Laim, Kreuzweingarten (kl. Bild links), Bricha, Brindlbach und Satzing werden zum Auftakt des Weinstieg-Wochenendes so im Schritttempo sichtbar – Waldrandlagen mit (im Sommer) fast weißem Kalkboden und fette Lehmgründe wechseln sich ab. Zu jeder der Rieden hat Hofer etwas zu erzählen, denn im Vorjahr konnte der Ort die neue Rieden-Abgrenzung vornehmen. Kataster-Blick und Winzer-Erfahrung muss ja nicht immer zusammenstimmen – doch nun paßt weinrechtlich alles.
A propos Winzer, die sind immer noch eine Macht, auch wenn Weinbauverein-Obmann Kamper, der heute Österreichs ältestem Verband vorsteht, von den großen Zeiten des Heurigenorts zu erzählen weiß: „200 Mitglieder waren es da, praktisch jedes Haus hatte ein, zwei Hektar Wein dabei“. Heute sind es über 80 Mitglieder im 141 Jahre alten Weinbauverein; in die aktuell 40 aktiven Weinbauern reihen sich neben den ortsansässigen Familien auch die hier mit Rieden vertretenen klingenden Namen Reinisch, Polz und Loimer ein. Doch es gibt auch Geschichten des Neuanfangs.
So übernahm Robert Grill 2002 den Weinbau der Familie, obwohl er als Croupier im nahen Casino Baden durchaus sein Auskommen hatte. Mit heute acht Hektar, die er biologisch bewirtschaftet, auch wenn er auf Zertifizierung verzichtet, konzentriert er sich auf die Weißweine. Wobei: Wer einen Zweigelt abseits des Mainstreams (und gewisser Sorten-Vorurteile) sucht, sollte mal den „Grimling 2012“ verkosten: Seine Erdbeerdüfte werden von einem saftig-dichten Schluck Wein mit dunkler Beeren- und Zwetschken-Aromatik gefolgt. Das Finish ist würzig, mit Rosmarin, schwarzer Olive und zartem Thymian, so als wäre er am Eisenberg und nicht entlang der Südbahn gewachsen.
Mineralisch und monumental zugleich: Satzing 2015
Gänzlich beeindruckt aber sein Zierfandler. Im Zeiserlwagen reitend, schilderte Grill die Vorteile der Bio-Arbeit, die „kleinere, dickschaligere und reifere Weinbeeren ermöglicht“. Was abstrakt klingt, kapiert man beim ersten Schluck des „Satzing“ 2015. Dieser Wein hat – im Nachhinein erst am Etikett gelesene – 15% Alkohol, er kommt aber niemals alkoholisch daher. Mächtiger Holzeinsatz, das ja. Genau genommen „passierte“ ein Griff zum intensiveren Toasting, doch der Zierfandler, der von Robert Grill mit ausschließlich roten Beeren geerntet wird, steckt das weg: Die 40 Jahre alte Rebanlage bringt nämlich eine Mineralität mit, die zu einer eigenen Spannung führt. Im Duft mischen sich Sesam, Bergamotte und die Salzpflaume Japans (umeboshi).
Und ähnlich beginnt das Spiel dann auch am Gaumen; der „Satzing 2015“ ist fruchtsüß, herb und salzig zugleich. Quitte, braune Birne und bretonische Salz-Karamellen notierten wird, im langen Hall wird es noch herb wie der Abrieb einer Mandarine. Natürlich ist dieser jugendliche Wein, der spontan vergärte, noch nicht am Höhepunkt. Man kann sich ihn – mit tiefer Verbeugung vor Andi Kollwentz‘ Chardonnay-Schwergewicht – in fünf Jahren als eine Art „Tatschler thermenregionale“ vorstellen. Der Preis ist jedenfalls heiß, denn hier wartet viel Potential!
Womit wir nach diesem 2015er Monument bei der Prognose des aktuellen Jahrgangs wären. Denn Christian Kamper führt nicht nur die Weinbauverein-Statistik, sondern hat auch seinen jungen Rotgipfler mitgebracht – schließlich dreht sich beim Weinstieg alles um die jungen Weine aus Gumpoldskirchen. Der „Steinfeld“ duftet nach hellem Nougat und Gelbem Apfel, der zarte Karamellton lässt an „Türkischen Honig“ denken. Saftig legt sich der bereits gut antrinkbare 2017er Rotgipfler auf den Gaumen, die zarte Vanille begleitet eine frische Frucht, irgendwo zwischen Pfirsich, Papaya und Sternfrucht. Eine leichte Zitruszesten-Note steuert den herben Abschluss bei, der den Trinkfluss dieses Rotgipflers noch erhöht.
Das Fazit der Planwagen-Verkostung: Diesmal war es umgekehrt, der Zierfandler zeigt sich tropisch und monumental, der Rotgipfler spritzig und trinkanimierend. In jedem Fall sind die beiden „Lokalheroen“ sehenswert – nicht nur vom Zeiserlwagen aus in den Rieden, sondern auch daheim im Weinglas.
Bezugsquellen:
Rotgipfler „Steinfeld“ 2017 ist um EUR 9 ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, www.weingutkamper.at
Robert Grill, Zweigelt „Grimmling“ 2012 ist um EUR 19, der Zierfandler „Satzing“ 2015 um EUR 14 erhältlich – beide ab Hof, www.weingut-grill.at