An sich finden die großen Verkostungen von Markus Altenburger daheim in Jois statt. Vor Ort versteht man so manch schräges Gebinde im Keller besser, man hat vor allem auch die Geologie der Kalk- und Schiefer-Lagen vor Augen und Bernadette und Markus zur Seite, um die Haus-Philosophie zu erklären. Warum ein Wein beispielsweise „Eine burgenländische Promenadenmischung, wie es sie schon zu Urgroßvaters Zeiten hätte geben können“ ist. Doch die Stehpartie mit den aktuellen Weinen hatten die Altenburgers nach Wien verlagert. Wenn schließliche eine der Vertriebsquellen, vulgo Vinothek, a) einem langjährigen Spezi gehört und b) die beste Fischküche serviert, dann können vor allem die Weißweine ihre Filigranität gleich zu Futter beweisen.
Also begab sich im Goldfisch zu Lerchenfeld die Verkostung der 2016er (Rot) bis 2018er (Weiß bzw. Rosé). Die Highlights waren mehr oder weniger intensiv maische-vergoren. Fünf Tage etwa betrug die Auslaugung beim Neuburger von Markus Altenburger (kl. Bild rechts). Dieser „betont“ ist ein Wein, den einige kennen, die vielleicht sonst noch nicht vom Joiser Winzer gehört haben. Er findet sich immer wieder in Weinkarten, denn er stellt trotz der unausrottbaren Neuburger-Vorurteile einen vielfältig wie Weißburgunder einsetzbaren Wein für die Sommeliers dar. Der 2018er erinnert im Duft an Weißen Sesam, Alpenkräuter, Birnen und das alte Dessert „Scheiterhaufen“ – mit seinem Röstbrot-Apfel-Zimt-Mix. Engmaschiger und deutlich säuriger wird es am Gaumen, wenn Ananas und Kumquat sich vermengen, das Ganze garniert mit Zitronenmelisse. Ein Eisen-Oxyd-Touch, den man aus manchen Heilwässern kennen kann, bringt ein weiteres Spannungselement ein. Womit sich ein langer, herber und leicht säuerlicher Abgang beim „betont“ ergibt.
Wer Lokum, die Gelée-Würfel der türkischen Patisserie, kennt, weiß, wie der Nächste riecht. Denn die Rosenblätter-Düfte gehen dem „Altenburger Weiß“ voran wie eine Monstranz – vielleicht soll man ihn aber nur nicht am Gründonnerstag verkosten?! Doch der Eindruck von der Cuvée aus Grünem Veltliner, Traminer, Neuburger, Sauvignon Blanc und Muskat Ottonel (eingangs zitierte pannonische Promenaden-Mischung) ist schon korrekt: Hier regiert die Blumenwiese. Denn auch die Kornblume ist zu riechen, dazu frisch geschälte Mandarinen. Wie aber schmeckt so ein Duftstrauß? Nehmen wir es gleich vorweg: Er ist als Wein schwer zu fassen.
Denn neben Koriander-Pulver und einer saftig-animierenden Frucht, die wieder an Orangenspalten denken lässt, notieren wir auch Kreuzkümmel. Die Heublumen wären auch am Gaumen da, das Ganze ist ungemein trink-animierend, aber wie gesagt, es sind kaum Übergänge zu merken. Der Horizont bewegt sich quasi beim Schauen mit, man entdeckt immer neue Dinge beim Trinken – als ob sie davor noch nicht da gewesen wären.
Wenn das alles zu verschwurbelt wird – egal, ob jetzt das Bio-Wein-Machen oder die Notizen dazu – hat noch eine Chance. Denn der „Gritschenberg“ ist einer der besten Rotweine dieses Landes abseits der bekannten Etiketten. Man hat andere Blaufränkische von dieser Joiser Kalklage gerne mit Pinot Noirs verglichen. Ist zwar Schwachsinn, trifft aber einen Punkt: Die kreidige Bodenbeschaffenheit schimmert im Burgenland so durch, wie sie das bei einigen guten Burgundern tut. Und der 2016er ist ein solcher Fall.
Holzschnitt und Aquarell zugleich: Jungenberg 2016
Man sieht auf der einen Seite noch das deutliche Gepräge des Ausbaus im Fass: In der Nase Bitterschoko, im Mund dann reichlich Röstnoten. Doch wie bei einem der alten Automaten-Kaugummi-Tattoos (wir scheiben jetzt: Bazooka Joe, damit man beim Lesen ein „Hach!“ von sich geben kann) geht es mit diesem „Gritschenberg“ zu – man sieht das kräftig leuchtende Bild, endet aber mit einem verwaschenen Bild auf der Haut, das mehr Aquarell als knallbunter Druck ist. In diesem Fall nennen wir das zarte Aromenbild aber „ätherisch“ und es liegt gegenüber dem massiven Druckstock eines noch jungen Rotweins. Denn Abziehbild ist der „Jungenberg“ keines. Wenn dann schon ein Vexierbild: Er zeigt zwei Facetten einer Sorte, man kann die Kraft des Ausbaus (500 Liter-Fässer) lieben, man darf aber auch die Finesse und den Boden-Ton bestaunen.
Im Analyse-Modus gesagt: Der 2016 Blaufränkisch duftet nach „Mon chéri“, dunkler Nougat trifft auf Sauerkirsche. Schon hier ist aber die kühle, deutlich kreidige Ader zu merken. Der Kostschluck beginnt saftig, mit einer unverkennbaren Weichsel-Note, die von Tannin und Säure befeuert wird, allerdings auch ungewöhnlich „fleischig“ ausfällt. Das Sauerkirsch-„Fleisch“ erhält ab dem mittlen Gaumen Gesellschaft von Schwarzem Pfeffer: Die feine Klinge setzt spürbar ein, das Aquarell nimmt Gestalt an, um unser eigenwilliges Bild weiter zu pflegen. Wie aus dem Röstkastanien-Finish (und hier ist vor allem die Schale angedacht) ein nahezu taschenspielertrickreiches Verschwinden möglich ist, bleibt das Geheimnis vom „Gritschenberg“.
Bezugsquellen:
Weingut Markus Altenburger, Neuburger „betont“ 2018 ist wie der „Altenburger Weiß“ 2017 um je EUR 16 ab Hof erhältlich; der Blaufränkisch „Gritschenberg“ 2016 wiederum kostet EUR 39, alle ab Hof, http://markusaltenburger.com