22 Gins und kein Tonic weit und breit! Pur und bewusst bei Zimmertemperatur (da kann der Brand nicht „lügen“) kamen die trendigen Wacholder-Destillate ins Glas. Und die Überraschungen blieben nicht aus. Schwarze Johannesbeeren, die jeden Sauvignon Blanc-Winzer stolz gemacht hätten, führten aber beim Gin-Test zur sofortigen Streichung. Und auch Grappa-Noten haben nichts in der Nase zu suchen, da ist die Spirituosenverordnung eindeutig: Das vorherrschende Aroma, egal wieviel Botanicals in den Gin gepackt werden, MUSS Wacholder sein.
Dabei war der Gin mit den Grappa-(Fehl-)Tönen nicht der eines Grappa-Produzenten. Den gab es in Form des „Marconi 46“ zwar auch im Klassement – und er stach ebenfalls deutlich heraus, allerdings positiv. Denn Jacopo Polis auf 1.000 Flaschen limitierter Gin hatte einen völlig eigene Duft zu bieten, über den wir lange diskutierten. Interessanter Weise liest sich nicht nur die Liste der Botanicals wie bei einem Herren-Parfüm, die Mischung aus Zirbe, Minze, Koriander, Kardamom, Bergfichte und Muskattraube erinnert mit ihrem markanten Duft an etwas zwischen Aftershave und Räucherstäbchen.
„Beim Grappa spielt die Rebsorte eine wichtige Rolle, im Fall des Gins kann der Destillateur aber mit seiner Kreativität spielen“, bekennt sich der Brenner aus Schiavon zum spielerischen Zugang. Die Botanicals suchten Poli und sein Bruder Andrea daher bewusst in der Umgebung der Destillerie, den Vorbergen der Dolomiten. Zirbe und Bergkiefer sorgen für waldige Noten, Minze ergänzt als frische Zutat die üblichen Verdächtigen Koriander und Kardamom. Doch so einfach wird aus einer Grappa-Größe keine Gin-Gigant: „Das Projekt stand fast vor der Aufgabe, da uns die ersten Batches nicht überzeugten“, gibt Poli offen zu.
Nördliche Frische eines Herren-Dufts
Letztlich gelang in der Vakuumdestillation das gewünschte „Aroma eines Waldspaziergangs“ aber doch. Italiens Elektrogenie Guglielmo Marconi fungiert nicht nur wegen seiner Geistesblitze als Namenspate, sondern aus einem profanem Grund: Die Via Marconi Nummer 46 ist der Firmensitz Polis. Aber der „Marconi 46“ steht auch für den Alkoholgehalt des Gins.
Anfangs sehr floral im Duft, meldet sich eine Honig-Note, die dann in kräftige Akzente übergeht: Schwarzer Pfeffer, Piment und auch etwas Kampfer, notieren wir. Wie ein Räucherstäbchen duftet der dunkel-würzige Mix, am Gaumen allerdings kommen die waldigen Noten in einer holzig-harzigen Art (man stelle sich die Reste vom Bleistift-Spitzen vor!) zum Vorschein. Der Wacholder ist da, aber auch frisch geriebene Muskatnuss und wieder dieser pfeffrige Zug, diesmal sprechen wir eher von grünem Pfeffer. „Ein Gin wie ein maskulines Parfüm“, steht am Ende als gültige Beschreibung in den Kostnotizen.
In besagtem Test von uns hoch bewertet, kann der „Marconi 46“ dann auch noch mit dem Tonic überzeugen; hier kommen die dunklen Aromen und viel Würze durch, es wird eine angenehm-trockene Variante des Drinks. Man merkt vor allem, was der Gin aus Oberitalien nicht gesehen hat: Zitrusfrüchte nämlich. Die Frische stammt hier aus nördlichen Aromaten, dem Wald und der Minze. Wie sagte Jacopo Poli bescheiden: „Wir wollen mit den Großen nicht konkurrieren, wir schlagen nur unseren Stil vor“. Guter Vorschlag, kann man nur sagen.
Bezugsquelle:
Jacopo Poli, Gin „Marconi 46“ ist um EUR 35,80 (0,7 Liter-Flasche) bei Getränke Del Fabro erhältlich, www.delfabro.at