Es vergeht keine „Weinviertel DAC“-Verkostung, die nicht die geographischen Kenntnisse bereichert: Wo ist jetzt wieder Karnabrunn? Bernhard Scheit hilft gerne auf die Sprünge und erwähnt Großrußbach als Anhaltspunkt. Der Winzerhof Scheit jedenfalls hatte neben seinem markant gelben Werbeauftritt auch einen Preis-Leistungswein mit, der zeigt, wo das Weinviertel in den nächsten Jahren punkten wird. Denn der klassische, der pfeffrig-spritzige Veltliner mit dem DAC-Siegel ist längst auf Flughöhe: Fünf Millionen Flaschen waren es – und da darf man die Reserven wohl als vernachlässigbare Größe sehen.
Qualitativ haben aber die lagerbaren Lagenweine das Zeug zu anderen Regionen aufzuschließen. Speziell, wenn der Boden außergewöhnliche Abfüllungen zulässt. Der „Muschelberg“ von Scheit ist ein solcher, vom fossilen Untergrund begünstigter Wein, der schon in seiner Jugend – wir kosten die Reserve 2016 – Spaß macht. Der liegt in diesem Fall in einer Fruchtigkeit begründet, die im Duft eine expressive Mischung aus Honigmelonen und reifem Gelben Apfel darstellt. Der saftige Melonen-Charakter wird im Kostschluck aber noch getoppt: Als würde man in eine reife Nektarine beißen, so saftig beginnt diese aus Steinobst gefertigte Granate. In den Schwall mischen sich die Nuss-Noten, die dieses „Mäuvoll Wein“ vor der barocken Schwere bewahren. Nie zu kräftig, darf man so auf die Zukunft dieses Veltliners warten, der dann – sind die primären Fruchtnoten einmal zurückgebildet – auch noch den Boden-Ton von Karnabrunn durchschimmern lassen wird. Wo immer das jetzt genau liegt…
Im Reigen der Reserven fand sich auch ein Wein, den ich seit seiner ersten Abfüllung förmlich suche, denn wie von allen Veltliner-Reserven gibt es keine großen Mengen davon. „Man wird nicht reich damit“, beschreibt ein Winzer die Leidenschaft für diese Langstreckenläufer, von denen es 800, vielleicht auch mal 1.000 Flaschen gibt. „Gerade genug eben, um bei Bewertungen mitzumachen“ (da sind meist 1.000 Flaschen die Untergrenze, Anm. d. Trinkprotokollanten). Der „Neuberg-Schanz“ von Schloss Maissau, den ich letztens völlig überraschen beim Italiener fand, noch dazu in geradezu einladender Trinkreife, enttäuschte aber. Und das lag eindeutig an der Lagerung.
Die Wiedersehensfreude in der Hofburg mit einem 2015er „Neuberg-Schanz“ vom Schloss-Weingut war also groß: Im Duft schon stand die reife Verheissung einer Reserve. Dazu mischen sich Türkischer Honig, frische Quitte und Mango-Lassi. Einen saftig-buttrigen Schmelz signalisiert auch das Mundgefühl. Man kann sich lange der Frage widmen, ob das jetzt eine kühle Marille ist oder ein reifer Apfel, was man schmeckt. Oder einfach weitertrinken. Dann kommt der unbestreitbare Teil, nämlich das an Tee erinnernde zarte Bitterl, das mit der Bergamotten-Note eines „Earl Grey“ ausklingt.
Geht’s noch reifer? Ja, beim Flaggschiff-Veltliner des langjährigen Weinkomitee-Obmanns Roman Pfaffl. Dieser 14% Alkohol starke „GV“ trägt den Namen „Hommage“ und sollte einen Gebrauchshinweis am Etikett tragen – langsam kommen lassen! Denn was anfangs so tropisch-intensiv riecht, dass man an „Sanostol“ aus Kindertagen denkt, fächert sich erst allmählich auf. Wie ein Flaschengeist ist dieser 2016er ja auch eingesperrt und braucht zumindest ein Burgunderglas, um seine Macht zu zeigen.
Mehr Zeit hilft dieser Reserve, dann kommt reifer „Golden Delicious“-Apfel, frisch aufgeschnittene Nashi-Birne und Mango durch. Am Gaumen bleibt es vor allem tropenfruchtig; Ananas und gelbe Kiwi, beide in saftigstem Zustand, notiert man und sucht fast Haltegriffe vor dieser fruchtig-intensiven Welle. Im Abgang findet man sie. Da bringt der „Hommage“ eine schöne Nuss-Note mit, die diesen herausragenden Wein quasi noch „verlängert“. Stark sein bei diesem starken Wein bedeutet: Bitte noch warten mit dem Trinken!
Bezugsquellen:
Weinhof Scheit, Grüner Veltliner Reserve „Muschelberg“ 2016 ist ab Hof bzw. im Webshop um 12,90 Euro erhältlich, www.winzerhof-scheit.at
Weingut Pfaffl, Grüner Veltliner DAC Reserve „Hommage“ 2016 ist um EUR 38,- ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, www.pfaffl.at