Mit Alan Reid verkosten wir grundsätzlich gerne. Das liefert auch die Begründung, warum wir nur allzu gern zur abendlichen Verkostung mit dem schottischen Botschafter der Loch Lomond-Group kamen. Denn erstens gibt es dabei immer zwei Brennereien kennen zu lernen (Glen Scotia und Loch Lomond selbst), vor allem aber hat Reid eine große Freude, wenn er „Whisky-Freunden mit etwas Neuem überraschen kann“. Auch diesmal, im Art of Life-Club, hatte er also eine Malt-Neuheit am Start. Doch er ließ sich genug Zeit, diesen Leckerbissen zu präsentieren.
Also tun wir es ihm gleich – wenngleich ohne den wunderbaren schottischen Akzent – und erzählen zunächst von der Brennerei Loch Lomond selbst. Denn sie hat nicht nur den Standort am gleichnamigen See (vom Nordufer in den Süden) gewechselt seit ihrer Gründung 1840, sondern hat auch ein spezielles Set an Brennblasen (stills) zu bieten. Was wiederum eine Vielzahl verschiedener Stile möglich macht. Ein weiteres Geheimnis des fruchtigen Hausstils lüftete dann Mr. Reid, als er von der Fermentierdauer sprach. Wer sich mehr Zeit dabei lässt, bekommt (ähnlich wie auch beim Rum!) mehr und markantere Obst-Noten. Im Falle von Loch Lomond geht man knapp an die 100 Stunden Vergärung, anstatt es bei 65 zu belassen, wie anderswo üblich. Dazu kommt noch das eine Monat, das sich der Produktion von getorftem Whisky widmet. Der soll zwar nie dominieren, aber die Lieferungen der Northern Peat & Moss Company aus St. Fergus/Aberdeenshire prägen manche Abfüllung doch.
Wie eben den „14 years“, mit dem die Verkostung beginnt. Er hat eine fast aberwitzige Frucht zu bieten, die anfangs puren Ananas-Duft na die Nase bringt. Auch der ausgeprägte grün-fruchtige Duft, den englische Whisky-Kollegen gerne mit „pear drops“ festhalten, ist hier zu finden. Dem nicht genug, dürfen auch rote Früchte – vor allem Erdbeeren – an die Nase. Das wäre alles schon ein bisserl zu viel an olfaktorischem Obstsalat, wenn da nicht der leichte Rauch wäre, der die Früchte zu besänftigen, weil zu würzen, weiß.
Schokolade kleidet dann beim Kostschluck den Gaumen aus; die 46% vol. tragen aber auch eine unerwartete Fülle an Orangen (mehr Öl als Frucht) auf die Zunge. Die Würze und Wärme des Whiskys baut sich dann schrittweise auf. Mal sind da Ingwer-Raspeln, dann wieder Piment, der Rauch selbst spielt geschmacklich keine Rolle – „es sind nur 5% des Malzes“, präzisiert Alan. Und auch der Torfgrad ist mit „medium“ (25 parts per million/ppm) eher sanft. Doch er bindet alles zusammen – Parfümeure wurden diesen kleinen Anteil „peated malt“ wohl als Fixativ bezeichnen.
In der Reihe der fünf Whiskys war zum Glück auch jener Liebling, der Alan Reid (kl. Bild rechts) und Ihren Trinkprotokollonaten vereint: „Victoriana“. Womit wir von den Highlands in die kleine Whisky-Region Campbeltown wechseln. In Alexandria auf der Halbinsel Kintyre entstehen bei Glen Scotia einige wirkliche Preis-Leistungs-Malts. Die besagte Hommage an jene Zeit, als man unter Queen Victorias Regentschaft wirklich die Whisky-Hauptstadt Schottlands war, versucht den alten Whisky-Stil zu imitieren. Dabei wurden die leichten Süße-Noten, die durch karamellisierende Stellen bei der im 19. Jahrhundert üblichen Offen-Feuerung der Brennblasen entstanden, „nachgebaut“.
Da das in der „still“ nicht geht, hat Master Distiller Michael Henry sich bei den Fässern umgeschaut, wo ein solcher Eintrag im Geschmack entstehen könnte. Der komplexe Mix – 30% eine Charge gehen in ehemalige P.X.-Sherryfässer, 70% in die dunkelst gerösteten US-Fässer mit dem so genannten „Alligator char“.
Der Duft bringt somit nicht nur Nougat-Schokolade und Haselnuss-Schnitten mit, sondern auch einen leichten Rauch-Ton, der an eine brennende Kerze erinnert. Am Gaumen aber läuft der mit 54,4% vol. gefüllte „Victoriana“ zur Hochform auf. Haselnuss ist erneut zu schmecken, aber eben auch etwa Kirsche, eine feiner Kokos-Ton, der vor allem im Finale stärker wird. Dazu ein nur ganz leicht rauchiger Schokolade-Geschmack, der mit seiner dunklen Aromatik an in Schoko getunkte Pflaumen anstreift. Auch das Alter der Whiskys hat hier für zwei Gesichter gesorgt. Zwischen 12 und 16 Jahre alt sind die Bestände, aus denen man diesen Glen Scotia komponiert hat.
Und dann war da noch der Neue, der zum Schluss ins Glas kam. Er wurde für das „Campbeltown Festival“ gefüllt, mit dem die letzten drei Brennereien auf der Halbinsel (neben Glen Scotia sind das Springbank und Glengyle) jährlich ein Lebenszeichen geben. Er ist ein neun-jähriger Whisky, der stark getorft wurde (54,5 ppm) und für fünf Monate in spanischen Rotwein-Fässern aus dem Ribera del Duero nachreifte. Selchiger Rauch à la Bratwürstel steigt einem sofort in die Nase. Alternativ denkt man an eine neue Leder-Handtasche – so riecht es auch, wenn das Füllmaterial aus der Neuerwerbung räumt. Überraschend wirkt beim „9 years“ sodann der Geschmack; denn hier ist es anfangs sogar Süße, die sich durch die 54,3% kämpft. Mit dem feinen Säure-Ton lässt das an Orangensaft denken, wenn nicht im Finale wieder der Rauch ein Wörtchen mitreden würde. Nougat mit würzigen Untertönen kommt dann im Hall dazu. Wer gerne und oft Altbier trinkt, wird diese Mischung aus Malz, leichter Säure und kräftigeren Charakter kennen.
Das Rückaroma liefert dann eine Note, die sich wohl dem Weinfass verdankt, wenngleich es keine rote Frucht ist, an die man denkt. Feine Tropenfrucht-Noten erinnernd an Guave und Maracuja-Kerne. Womit bei aller Kraft auch eine hohe Eleganz bei diesem „dram“ zum Festival vorliegt. Ein würdiger Schluss-Schluck!
Bezugsquellen:
Loch Lomond, „14 years” Single Malt wird um EUR 45,90 beim Online-Handel Trinklusiv angeboten, https://trinklusiv.at
Glen Scotia, „Victoriana” kostet EUR 79,-(0,7 Liter-Flasche); „9 years” Campbeltown Malts Festival 2025 ist um EUR 78,- (0,7 Liter-Flasche) zu haben – beide Whiskys über die Theehandlung Schönbichler, www.schoenbichler.at