Die versteckten Aussichtsplattformen am Leithaberg zu erwandern, ist ein kleines Sommer-Hobby. Nach dem Ochsenbrunnen in Jois war es diesmal der „Skywalk“ am Goldberg und vor allem die Weinlaube in Oggau. Dass am Ende eine Verkostung steht, gehört auch zu diesem Vergnügen. Im Vorjahr erläuterte Johannes Pasler die Rieden Jungenberg und Co. (mit einer schönen Nachlese hier zu finden). Heuer gab uns Georg Prieler die Chance, den Wein dort zu verkosten, wo er wächst. Und mit einem herrlichen Blick auf den See und die Ruster Bucht versteht man dann manche, ansonst abstrakt bleibende Bemerkung zu Mikroklima und Bodenbegrünung deutlich besser.
Die beiden Anlagen etwa, aus denen der Weißburgunder „Alte Reben“ stammt, muss man in ihrer Steinigkeit erst gesehen haben, um die extreme Würze zu verstehen, die dieser Weißwein aufweist. Es ist eine von vier (!) Vertretern dieser Rebsorte, um die man sich seit den Tagen Engelbert Prielers bemüht. Und während der „Seeberg“ vielleicht den klarsten Sortenausdruck zeigt, konnte der Jahrgang 2022 der „Alten Reben“ so richtig die Trümpfe einer wirklich alten Burgunderanlage – der Großteil dieses Teils ist 60 Jahre alt. Vereinzelt gibt es 90 Jahre alte Stöcke, die noch der Urgroßvater des Winzers setzte. Mit einem Mix aus 500 Liter-Fässern und Tonamphoren (ein Drittel der Erntemenge) wird im Ausbau die eigene „Stimme“ dieser Reb-Methusalems akzentuiert.
Der „Alte Reben“ zeigt eine richtiggehend „geile“ Reduktionsnase, weniger Kapselpracker-Rauch als vielmehr ein echter Feuerstein-Ton ist da zu riechen. Schwarzbrotkruste erzählt als Duftspur von den Tiefwurzlern in ihrem mineralischen Reich (90% Kalkböden). Mit Luft legt diese Würze noch zu. Dann steigt Sesam-Geruch aus dem Glas, erst allmählich zeigt sich auch eine Fruchtnote. Es ist der kühl-frische Saft von gelben Melonen (Gallia), an den man denkt. Auch am Gaumen geht es in dieser Ton-Art weiter. Man muss explizit nach einer Frucht suchen, die der Geschmack mitbringt. Denn hier regiert Würzigkeit und Struktur. Sesam, Salz, ein wenig Kurkuma, allenfalls vielleicht Kaktusfeige wäre als Frucht zu nennen. Denn sonst glaubt mancher Leser vielleicht, er trinke hier flüssige Steine. Wobei: So abwegig ist der Vergleich gar nicht. Diese Prägung vom Boden macht nämlich richtig Spaß. Und man kann wie selten sonst erklären, was alte Reben wirklich im Wein hervorrufen. Diese Übung gelingt auch, wenn man den Weißburgunder daheim – und nicht vor Ort am Seeberg – genießt. Ein Unikat!
Ein richtiggehender „Crowdpleaser“ hingegen wartet mit dem Merlot des Hauses. Er ist gewissermaßen die Ausnahme eines Weinguts, das sich mehr und mehr auf zwei Hauptsorten (Weißburgunder und Blaufränkisch) konzentriert. Der „Schützner Stein“ darf aber als Klassiker angesehen werden, den man sich auch als Markennamen – ähnlich der Bezeichnung „Sinner“ für den Chardonnay, eine weitere Ausnahme – schützen ließ. Der 2021er Merlot jedenfalls liefert eine Duft-Wucht, die ein Mitkoster als „ein ganzer Blumenladen“ bezeichnet hat. Das stimmt, vor allem verströmt dieser Wein seinen Geruch geradezu. Wir notierten auch Schwarzkirschen, Heidelbeere und Bleistift-Spitzer-Reste. In der Nase, könnte man es kurz machen, ist das ein „fettes Teil“. Nicht allerdings am Gaumen und man darf Georg Prieler unterstellen, dass ihm dieser Wechsel, dieses Enttäuschen der Erwartung richtig Freude macht. Denn der „Schützner Stein“ ist mit überraschend viel Säure im Mund versehen. Das Tannin fällt ebenfalls noch jugendlich aus beim Jahrgang 2021. Das hat Grip!
Neue Barriques (20 Monate Reifung) und ein 14,5% starker Alkohol tun das ihre, um den Schokoladen-Heidelbeer-Mix der Rebsorte so richtig aufzupolieren. Dieser Power-Rotwein stammt von recht hoch für das Burgenland gelegenen Weingärten (225 Meter), die in einem Naturschutzgebiet liegen. Die kühlen Einsprengsel, geologisch von ein wenig Schiefer im Boden unterstützt, sorgen für Zug und Würzigkeit. Denn Trinkfreudigkeit soll für Prieler auch bei diesem Merlot gegeben sein. Und: Ja, die hat er!
Der Höhepunkt der Verkostung ist aber natürlich der „Marienthal, zumal dieser Wein ja geradezu einlädt zum Vergleich der Oggauer Version (die mit dem „thal“) mit der Ruster Ikone (ohne „h“). Wer den Oggauer Versionen – es gibt sie neben Prieler auch vom Weingut Mad – über die letzten Jahre gefolgt ist, merkt eine immer feinere Machart. Das liegt an den älter gewordenen Reben, klar, aber auch am immer feineren Umgang mit den Weingärten der abends Wind-umtosten Riede, die auf purem Kalk steht. Das Spiel aus kühlem Boden und heißer Temperatur macht für Georg Prieler dieser Blaufränkisch-Lage aus. Und sein 2020er „Marienthal“ ist ein Paradebeispiel für die Finesse dieser Sorte, wenn quasi alles passt.
In der Nase denkt man an Vogelkirsche, der Gerbstoff ist zu riechen und erinnert an frisch gebrühten Schwarztee. Dunkle Beeren und Kochschokolade sind weitere Vergleiche, die man zum Duft bemühen kann. Was allerdings unerwartet erfolgt, ist, das seidige Mundgefühl, das zugleich mit einer richtiggehend anschiebenden Säure verbunden ist. Während die Textur ätherisch-elegant auf der Zunge liegt, merkt man darunter, dort, wo die Geschmackszellen liegen, wieder rote Beeren, die Leichtigkeit in einem (nur dem Etikett nach) 13% starken Rotwein bringen. Man denkt an Weichseln und staunt über die Zugänglichkeit nach 26 Monaten im großen Holzfass.
Tatsächlich macht der „Moaritoi“ in der Jugend Freude, ehe er sich dann wieder verändert. Dass daraus ein noch kompakterer Wein (geht das überhaupt?) hervorgeht, zeigte der Vergleich mit Jahrgang 2013. Es war der erst dritte Jahrgang dieses Blaufränkischs. Heute schmeckt er nach Thymian, getrockneten Steinpilzen und generell zart „waldig“. Diese würzige Seite braucht Zeit. Aber sie lohnt das Warten auch. Bis dahin kann man ja ein wenig „Schützner Stein“ trinken.
Bezugsquelle:
Weingut Prieler, Weißburgunder Alte Reben“2022 ist um EUR 21,- zu haben, der Merlot „Schützner Stein“ 2021 kostet EUR 26, der Blaufränkisch „Marienthal“ 2020 wiederum EUR 59 – alle Weine ab Hof oder im Webshop der Prielers, www.prieler.at/shop