Dass ein italienischer Rotwein einmal nicht die Standard-Empfehlung „zu Fleisch und Pasta“ trägt, ist selten. Aber rar ist auch die Piemonteser Sorte Grignolino. Wenn Weinfreunde von ihr noch nie gehört haben, ist das keine Bildungslücke. Aber definitiv schade. Das zumindest zeigte die Vertikale, die Giulia Alleva in der Wiener Vinothek „Barolista“ kommentierte. Die Winzerin der 1737 in Monferrato gegründeten Tenuta Santa Caterina lebt dabei den Traum ihres Vaters Guido Carlo mit. Denn der entschloss sich im Jahr 2000, die Tradition der im Kern auf das Mittelalter zurückgehenden Anlage wiederzubeleben. Also: alles frisch ausgestockt mit Weintrauben, doch eben mit Sorten, die man im Barbera– und Barolo-Land eher nur verschämt oder privat zur Salami Cotto trinkt. Freisa etwa verkauft man nicht an Restaurants, lehren alte Winzer heute noch, erzählt Peter „Barolista“ Roggenhofer. Doch zum Freisa, der „Sorte, die immer stärker durchkommt als das Terroir“ (© Giulia Alleva) gibt’s später mehr.
Salidoro 2013: Ein spitzer und breiter „Mischsatz“
Denn den Auftakt macht ein Weißwein, den man bei uns Gemischten Satz nennen würde – allerdings kaum mit diesen Sorten finden wird. Chardonnay und Sauvignon Blanc, an sich ungleich in ihrem Reifeplateau im Weingarten, werden gemeinsam gelesen. Im Idealfall bringt der Chardonnay die Kraft und (exotische) Frucht ein, der Sauvignon die Würze. Speziell, wenn er auf Muschelkalk steht, wie er in der Südsteiermark, aber auch hier, die Geologie prägt. Goldgelb und schon im Duft als ein mächtiges Gerät zu erkennen, ist dieser 2013er mit dem sprechenden Namen „Salidoro“ (etwa: Goldenes Salz).
Karamell, wie bei 75% Chardonnay zu erwarten, riecht man, aber der Sauvignon Blanc kommt mit deutlichen Rauchnoten und einer salzigen Ader durchaus durch. In der Maracuja, die beide Sorten aufweisen können, trifft sich dieser „field blend“ aus dem Piemont. Auch am Gaumen ist die Mischung gelungen, salzige Ananas beschreibt den ersten Eindruck vom saftigen 13,5%-igen Wein, der aber auch die „fetten“ Noten des Chardonnay nicht vermissen läßt: Butterkeks und Kumquat notieren wir. 10% der Ernte reifen in Barriques, was diese Kraft unterstützt, doch mit einer erst 16 Monate nach Ernte in den Verkauf gelangenden Ernte gönnt Alleva ihm auch eine Phase der Flaschenreife. Sagen wir es mit den Worten Peter Roggenhofers, die dieses gelungene Oxymoron von Wein beschreiben – „der ist spitz und breit zugleich“.
Trio Grignolino: Der Harlekin trägt viele Gewänder
Wir hingegen sind bereits „spitz“ auf den Unbekannten in dreifacher Ausfertigung – Il Grignolino d‘Asti. Die Sorte gilt zwar als eine der ältesten des Gebiets, mit ihrem hohen Kernanteil und den dicken Schalen fordert sie die Winzer. Zumal im September drei verschiedene Farben – grün, rosa und rot – nebeneinander eher die Regel, als die Ausnahme darstellen. Im Glas hingegen schimmert der Wein aus der „schwierigen“ Traube hell, das wäre sogar für Pinot Noir licht!
„Arlandino“ heißt der reinsortige Grignolino am Weingut, was nur einen der vielen Namen der Rebe darstellt, ein wenig erinnert es auch an den Arlecchino, den italienischen Kasperl. Denn wie der Harlekin trägt auch dieser Wein jedes Jahr neue Kleider. Erdbeere und Vanille in Reinkultur, an die Schaumzucker-Ware „Wiener Gebäck“ mit ihrem süßlichen Duft erinnernd, sieht das etwa beim Jahrgang 2013 aus. Am Gaumen wird es zwar herber – Tannin ist von Anfang an da, aber nicht vordergründig – hier dominiert die Preiselbeere die Aromatik. Dazu gibt es im jüngsten Grignolino auch Noten von weißer Schokolade und ein würziges Finish, das ihm gut steht. Zumal, wenn man die Empfehlung beherzigt und den „Arlandino“ gekühlt serviert. Dass man ihn im Piemont durchaus auch als Wein zum Fisch trinkt, ist nachvollziehbar.
Ganz anders hingegen zeigt sich der Jahrgang 2012 der Rarität; einzig das „Wiener Gebäck“ verbindet die beiden Weine. Denn hier haben wir salzige Noten wie bei Manzanilla Sherry schon im Duft. Sojasauce lässt sich assoziieren, aber auch eine jugendlich-säurige Himbeere, die aber etwas Zeit und Luft benötigt, um durchzuschimmern. Am Gaumen sind die rotweinigen Noten nur hingetupft, zarte Beerennoten, auch eine säuerliche, vielleicht an Hagebutten erinnernde Frucht ist da, erst im Abgang wird ein deutlicheres Erdbeer-Aroma daraus. Immer recht kühl und verhalten ist diese Frucht, aber die Graphit-Ader, die momentan in den Hintergrund gedrängt wird, macht klar, dass hier noch mehr wartet, wenn die erste Frucht einmal abgeklungen sein wird.
Wenn die Allevas eine Mission haben, dann zu beweisen, „dass Grignolino nicht der piemontesische Beaujolais ist“. Der „Arlandino“ 2010 zeigt dies als ältester Wein der Probe deutlich, er ist aktuell am schönsten zu trinken, wenngleich 2012 mit zwei Jahren Reife mehr sicher der wertvollere Jahrgang sein dürfte. Rindsuppe, Lorbeer und Leder im Duft zeigen schon eine etwas strengere Würze als die beiden jüngeren Vorgänger. Auch am Gaumen kommen mit Noten wie Tintenblei, schwarzer Olive und auch deutlich mehr Tannin als 2012 tiefgründigere Noten durch. Die Fruchtphase hat dieser Grignolino hinter sich. „Never judge a book by its cover“, scheint der „Arlandino“ 2010 zu rufen, denn dem hellroten Wein hätte man derlei aromatische Kraft und Vielschichtigkeit nicht sofort zugetraut.
Womit wir beim eingangs angesprochenen Essen wären – Grignolino schreit förmlich nach Aufschnitten und leicht fetten Speisen, auch fettere Fische, Thunfisch in Italien, Karpfen hierzulande, gehen zu diesem gekühlt servierten Roten. Gerne auch mit Kapern in der Sauce, denn der Grignolino ist vor allem eines: Anders.
Giulias Freisa: Würzige Tiefe statt Posing
Bliebe noch der nach der studierten Anwältin und heutigen Winzerin Giulia Alleva benannte Freisa. „Sorí di Giul“ sagt Piemont-Kennern bereits, dass es sich um eine sonnenverwöhnte Lage der Tenuta Santa Caterina handelt, denn dafür steht das Wörtchen „Sorí“. Knapp 4.000 Flaschen aus dieser Lage erzeugt das Weingut, die Reifung erfolgt zunächst acht Monate in 500-Liter-Tonneaux, danach ein gutes Jahr in 3.000 Liter-Gebinden. Gekochte rote Früchte, Veilchen, Leder, aber auch ein Geruch nach Bockshörndl zeigen die Vielschichtigkeit dieses 2011er Freisa an. Ein „femininer Wein“ sei der ihr gewidmete „Sorí di Giul“, womit vor allem die Tiefendimension gemeint sein dürfte. Frucht hat dieser Wein, sie ist aber schwer zu benennen, vor allem aber nicht wichtig. Denn von Beginn weg prägt herbe Würze seinen Charakter. Lorbeer-Blatt, Lakritze und Liebstöckl sind weit präsenter als eine kitschige Note von Weichsel oder Beeren, hier geht es um Finesse und Ausdruck, nicht um das Einnehmen rotweiniger Posen.
Bezugsquelle:
Tenuta Santa Caterina, der weiße „Salidoro“ 2013 ist um EUR 16,90, die Jahrgänge 2010 bis 2012 des Grignolino kosten zwischen EUR 15,90 und EUR 18,90 und der Freisa ist um EUR 26,90 pro Flasche erhältlich, alle beim Piemont-Spezialisten „Barolista“, www.barolista.at