Es gibt Weinhändler, die das Füllhorn der Regionen über die Gastronomen ausschütten. Und dann gibt es noch Anbieter wie Gawein Bruckner, dessen Leidenschaft das Finden von Preziosen abseits des Mainstreams ist. Bekannt ist er als Portugal-Spezialist. Und dieser Schwerpunkt machte auch einen ganzen Verkostraum bei der Präsentation Gaweins beim Stadtwirt in Wien 3 aus. Portwein aus dem 19. Jahrhundert? Christiano van Zeller hat ihn in seiner Schatzkammer. Es sind Raritäten, die es eben nicht an jeder Ecke gibt. Weshalb auch wir abseits der ausgetretenen Pfade wandelten. Weniger Grüner Veltliner kosten, bedeutet von Haus aus, Entdeckungen zu machen. Und dank der handverlesenen Winzer-Auswahl gibt es davon einige. Die Rotweine folgen dann in Teil 2 der Nachlese auf eine Verkostung, die von Ernsthaftigkeit geprägt war. Schon das war eine Wohltat. Neue Weine aus alten Sorten lassen sich so in ihrer Tiefe kennenlernen.
Ein gutes Beispiel dafür stellt der Kollerhof dar, den man als eingesessenen Betrieb der Südsteiermark einfach kennt. Und sei es wegen einer der schönsten Buschenschanken. Doch Harald Lieleg hatte aus Eichberg-Trautenburg diesmal nicht nur die „trinkigen“ Muskateller und Sauvignons am Start. An seinem Stand drehte sich alles um die Monopollage Steinkogl. 1788 wurde sie bereits erwähnt und die Amphitheater-Form ihrer drei Teile geben dem Winzer viel Spielraum für Selektionen, Vorlesen und Kombinationen der besten Trauben-Chargen. Das schmeckt man dem Sauvignon Blanc an. Er stellt eine Art gemeinsamen Nenner aus dem beliebten grasig-frischen Stil (nennen wir ihn „Austro-Liebling“) und der internationaleren Tropenfrucht-Ausprägung dar.
Der Sauvignon Blanc Reserve 2020 aus dem 300 Liter-Fass duftet intensiv – stoßweise kommen Maracuja und Weiße Ribisl, aber auch etwas Ananas an die Nase. Das alles findet sich in bestens verwobener Art auch am Gaumen wieder. Hier tritt aber noch die Stachelbeere hinzu, die der klassische „SB“-Freund sucht. Ein frucht-getriebenes Kraftwerk setzt sich da in Gang. Doch der Sauvignon Blanc als mittlerweile landesweite Hauptsorte ist alles andere als eine Rarität. Die kommt mit einem kupfernen Schimmer ins Glas, der sofort alles klar macht: Grauburgunder is in da House!
Auch Lieleg (kl. Bild links) hat es schon erlebt, dass Kunden diese natürliche Farbe aus der Beerenschale des Pinot Gris für einen Fehler hielten („Ist der aufoxidiert“?). Banausen! So muss es sein, wie dieser 2022er vom Steinkogl – und da sprechen wir nicht nur von der Farbe. Pikant und etwas erdig duftet er nach Hagebutten und frischer Roter Rübe im Ganzen. Aber auch etwas Rooibos-Tee und Nusslaub ist zu riechen. Erst dahinter zeigt sich ein Roter Apfel, der dann zum Eindruck am Gaumen überleitet. Hier ist es die rote Tropenfrucht, die wir an der Sorte so lieben, die richtig aufstrahlt: Papaya und Guave liefern sich ein Match, die Säure gleicht die kräftige Fruchtigkeit aus. Der „Steinkogl“ 2022 hat Zug und eine Vollmundigkeit, die einen den Grauburgunder gerne auch bewusst länger über die Zunge rollen lässt. Und wie immer bekommt man dabei Appetit auf Selchig-salziges. Mit Rohschinken, gerne auch auf der Melone drappiert, ist das ein Match, made in heaven!
Weniger die Sorte, die man getrost als „Allerweltsrebe“ bezeichnen kann, als ihre Herkunft, machte den Chardonnay „Ried Rothenberg“ interessant. Rotwein-Maestro Philipp Grassl hat in Carnuntum drei Qualitätsstufen der weißen Burgundersorte am Start. Schon der Einstieg, der aus drei Orten stammt, verblüfft durch viel Substanz zum kleinen Preis. Der Donauschotter des „Rothenberg“ allerdings liefert eine Kombination aus Kühle und später Reife, die den 2022er so ungewöhnlich macht. Der Duft nach Banane ist vertraut, doch es sind eben Bananenchips, kühler und auch leicht röstig, kombiniert mit Mandel-Blättchen. Dieser Duft ist einladend, wird aber nie zur Kitschfrucht, dann auch ein feiner Geruch von Rauchtee begleitet ihn. Grassls 2022er verbindet dann auch am Gaumen Zug zum Tor mit einer feinen Klinge. Auf den Geschmack umgelegt, bedeutet das, man erlebt die Eheschließung von Pomelo und Banane mit: Ausgeprägt tropische Noten werden vom straffen Regime im Zaum gehalten. Es ist ein Spiel das ungemein fasziniert, aber eben auch rar ist. Mehr als 1500 Flaschen gibt es von diesem weißen Carnuntumer Lagenwein leider in kaum einem Jahr.
Ohnehin nie vorbeigehen können wir an Thomas Schusters Tischen. Erstens kennen wir den sympathischen Wagramer Winzer zu lange, um nicht einen Plausch zu halten. Zum anderen ist er einer der Hüter des Roten Veltliners. Die endemische Spezialität stellt für uns auch einen der interessantesten Weißweine des Landes dar. Denn sie fordert die Winzer und sie arbeiten sich immer an den Feinheiten (vor allem dem Erhalt von Säure und Spannung) ab. Was den Weinbauern vielleicht fuchst – speziell wenn Wärme und Niederschlag zur Unzeit zusammenkommen – , ist ein Garantie für den Konsumenten: Roten Veltliners ist niemals fad. Das zeigt auch Schusters 2023er „Altweingarten“. Schnell steht eine Einschätzung fest – das ist die Variante, die Freunden des Grünen Veltliners den „Roten“ nahebringt.
Saftige Birne und gemahlene Walnuss sowie ein Haucherl von frischem Lavendel ist da zu riechen. Die zupackende Art am Gaumen ist so gar nicht typisch für die rare Rebsorte, doch die Säure hebt einen lebhaft-heiteren Mix aus Apfel und Birne. Erst dahinter finden Fans und Kenner des Roten Veltliners die rote Tropenfrucht-Note der Sorte. Mit diesem Wein widerlegt Thomas Schuster (am Bild rechts) ein Vorurteil, das man nach oberflächlicher Begegnung mit der Wagramer Spezialität gerne hört: Zu üppig, zu breit. Das Gegenteil gilt hier! Und auch die beste Lage des Winzers, der „Berg Eisenhut“, weist guten Trinkfluss auf. Wenn auch auf anderem Niveau und mit einem Jahr mehr Reife. Der 2022er wurde im großen Akazienholz-Fass ausgebaut und bringt die rote Tropenfrucht schon in der Nase in Stellung. Zur Papaya kommt hier aber auch ein gelbfruchtiger Zug und eine Würze, an der wir lange rätseln. Die Akazienblüte, die Schuster vorschlägt, ist uns zu dezent. Eher schwingt hier Kurkuma oder ein mildes Gelbes Curry (Colombo) mit.
Leichter und fruchtbetont will ihn Schuster haben, seinen „Berg Eisenhut“ und die 13,3% vol. lassen die Frucht in aller Pracht am Gaumen funkeln. Blutorange, Guave und erneut Papaya-Würfel liefern einen idealen Auftritt, denn es ist nicht nur die ausgeprägte Frucht, sondern auch eine säurige Frische, die hier für ein attraktives Yin und Yang sorgt. Der Geschmack der Orangen hat sogar eine leicht herbe Tönung, das hilft mit dem leichten Gerbstoff, um dem Roten Veltliner noch mehr Nachdruck zu verleihen. Ein herrlicher Jahrgang!
Für uns stellt ja das Pendant zur exotischen Verführer-Frucht des Roten Veltliners im Süden Niederösterreichs seit jeher der Rotgipfler dar. Ampelographisch spricht da nichts dafür, was Bernhard Stadlmann auch anmerkt. Der bestens ausgebildete Winzer aus Traiskirchen ist ein Grübler und Suchender, der bei seinen beiden regionalen Helden-Sorten – neben dem Rotgipfler auch der Zierfandler – immer nach dem noch nuancierteren Ausdruck strebt. Insofern ist auch sein „Ried Tagelsteiner“ 2022 ein kühler Vertreter der Rebsorte. Weißer Klee, Zitronengras-Stängel (auch hier der weiße Anteil) und viel Kräuterwürze widersprechen dem auch gerne mit Mango und Papaya assoziierten Sortenklischée des Rotgipflers. Im Mund ist auch Stadlmanns 2022er von exotischen Frucht-Eindrücken geprägt, aber sie bleiben immer auf der kühlen Seite. Vielmehr als Mango kommt hier eine Orangenzeste durch. Der Wein selbst ruht gerade in sich wie ein Buddha, was ihn wunderbar zu trinken macht.
Zierfandler, mon Amour! „Mandel Höh“ 2022
Wobei die Thermenregionsweine der Stadlmanns seit jeher als langlebige Exemplare gelten, nicht nur der vom Kalkboden geprägte „Tagelsteiner“. Mehr noch ist das beim „Ried Mandel Höh“ der Fall, dem berühmten Zierfandler des Hauses. Diesmal ist es Jahrgang 2022, den Bernhard Stadlmann beim Stadtwirt einschenkt. Offen und hellfruchtig ist dieser Weißwein, der zwischen Pomelo, Strohsternen, Kaktusfeige und Gelbem Curry hin und her wandert im Duftbild. Elegant und fein ist das alles, teils schwer zu fassen, aber in dieser Art auch sehr attraktiv. Mehr noch, wenn man den ersten Schluck nimmt, der eine leichte Rauchigkeit aufweist, die sich im Alter sicher noch verändert, jetzt aber eine ungewöhnliche Faszination einbringt.
Denn sie ergänzt einen in jeder Faser substantiell wirkenden Zierfandler, der kühle Mango mit einem Geschmack von zerlassener Butter kombiniert. „Fett“ ist hier aber gar nichts, dazu trägt auch der Dreiklang von Gerbstoff, Säure und eben die leichte Rauch-Tönung bei. Im Finale wirkt das dann fast Chili-pikant und extrem ungewöhnlich. Ist der Zierfandler schon eine der ungewöhnlichsten (und leider auch seltensten) Weißweine des Landes, stellt der 2022er „Mandel Höh“ noch ein Rarissimum in dieser Klasse dar. Er hat nicht seinesgleichen, auch wenn wir die entfernte Ähnlichkeit zu Chenin Blanc diskutieren. Und wieder hat Stadlmann ein gutes Argument dagegen. Lassen wir einfach den Wein sprechen! Vor allem aber: Bestellen Sie öfter Rotgipfler, den Roten Veltliner, einen Grauburgunder und einen Zierfandler. Sie sind ein Stück Wein-Österreich, das auch erhalten sein will.
Bezugsquellen:
Kollerhof Lieleg, Sauvignon Blanc Reserve 2020 kostet EUR 23,80, der Grauburgunder „Steinkogl“ 2022 ist um EUR 12,80 zu haben.
Philipp Grassl, Chardonnay „Ried Rothenberg” 2022 ist um EUR 18,85 erhältlich.
Thomas Schuster, Roter Veltliner „Ried Altweingarten“ 2023 wird um EUR 10,70 angeboten, der Rote Veltliner „Berg Eisenhut“ 2022 wiederum kostet EUR 16,90.
Johann Stadlmann, Rotgipfler „Ried Tagelsteiner“ 2022 kostet EUR 30,-, der Zierfandler „Mandel Höh“ 2022 wird um 33,80 gehandelt;
Alle Weine bei Gawein Bruckner, www.gawein.at