„Ich dreh jetzt um“, sagte der Taxifahrer. Ironischer Weise musste er sein „Black Cab“ wenden, als er am Weg zur Brauerei war, die das „Black Cab“-Stout erzeugt. Doch die Themse, durch deren Furt er anreisen sollte, führte Hochwasser. „Brewed at the River Thames“, der Slogan der Fuller’s Brewery, kann sich auch so äußern. Doch wir gelangen trockenen Fusses in die seit über 300 Jahren aktive Brauerei in Chiswick. Seit 1845 führt die Familie Fuller das Regiment. Wer noch mehr Tradition braucht, darf den Wysteria bewundern. Der älteste Blauregen Englands überwächst eine ganze Hausfront (siehe Galerie-Bild), die weltbekannten Kew Gardens holten hier den Ersatz für ihren eigenen eingegangen Wysteria.
Doch die Botanik, die uns interessiert, besteht aus Gerste und Hopfen. Für letzteren steht das Wild River. Ein doppelt mit vier Hopfen versehenes 4,5% starkes Pale Ale, das nach Limette pur – dafür sorgt der Chinook-Hopfen – duftet. Am Gaumen beginnt es kurz mit Süße, einem tropischen Fruchtsalat gleich, ehe dann die volle Hopfendosis einsetzt. Es trocknet fast aus am Ende und bietet sich als idealer Apéro an, „Hopficionados“ werden das Bier mit dem leichten Kiwi-Nachgeschmack lieben, Einsteiger sollten sich etwas eintrinken.
Stolz ist Johnny Gray, der den Export besorgt (ca. ein Fünftel der 350.000 Hektoliter gehen ins Ausland, 20% davon nach Schweden) auf das Frontier. Offen gesagt hat die Tradition des Hauses auch eine gewisse Überalterung der Klientel mit sich gebracht. Das seit 1950 gebraute „London Pride“ macht noch immer 80% der Produktion aus, jüngere Fans sind aber selten, auch wenn Fuller’s 300 eigene Pubs damit versorgt. Das „Craft Lager“, wie sich das wunderbar goldgelbe Frontier nennt, vereint Hopfen der Neuen Welt mit traditionellem Malz und Ale-Hefe. Der britische Part bringt vor allem schöne Cremigkeit ein, während die US-Hopfen (Cascade etwa) eine grüne Frische ergeben. Weiße Schokolade und Getreideflocken prägen die Nase, grüne Noten (zarte Erbse und Stachelbeere) den Antrunk. Die Bittere ist angenehm und umspielt eine röstige Note, die an Rice Crispies erinnert. Insgesamt ein erfrischender Hybrid aus zwei Bierstilen, die sich im Spiel ergänzen und Freude bereiten, dank der Cremigkeit auch nicht unterfordern.
Die Experimentierfreudigkeit John Keelings, des Braumeisters, lebt er auch bei den Limited editions aus. 17 gibt es bis dato, ausverkauft sind sie im Nu, „90% are exported„, weiß Gray zu berichten. Das Vintage Ale 2013 schmeckt ganzjährig nach Weihnachten: Nach Mandelkuchen und Pekannuss sowie Piment und Zimt duftend, verbreitet es auch am Gaumen mit seiner zarten Süße und einer „Crema“, die man sich im Kaffeehaus wünschen würde, Feststimmung. Pfirsichkompott fällt einem spontan ein, viel Nuss und etwas Malaga-Eis machen das limitierte Ale zu einem Meditationsbier für Geniesser.
Um auch dem eingangs erwähnten Themse-Durchquerer Rashid in seinem „Black Cab“ Tribut zu zollen: Das gleichnamige Bier, ein Stout, läßt Pumpernickel und schwarzen Pfeffer aus dem Glas steigen. Der Antrunk des Black Cab erinnert an kalten Espresso, im Vergleich zum gerne als Maßstab genommenen Guinness ist es weniger süß und auch deutlich schokoladiger. Die Bitterschoki und ein kräftiger Eindruck runden es ab.
P.S.: Chiswick liegt am halben Weg von und nach Heathrow und bietet sich als Zwischenstopp an, Führungen und Shopbesuch sind praktisch ganztags möglich. Und die Themse muss man auch nicht queren.
Bezugsquelle:
Fuller’s Bier führt Ammersin; in Österreich erhältlich sind das „Black Cab“ um EUR 2,50 (0,5 Liter), das „Frontier“-Lager zu EUR 1,60 (0,33 Liter) und auch das Vintage Ale 2013 um EUR 6,5 (0,5 Liter-Flasche), www.ammersin.at