Beim Vienna Coffee Festival trafen sich die Röster und Baristas des Landes gleich zu Jahresbeginn. Auch wir fanden zwischen all den „Speciality Coffees“ – der höchsten Qualitätsstufe der weltweiten Ernten – Nachschub für die Espresso-Maschine. Das lag an Oliver Goetz von Alt Wien Kaffee, der viele rote Säcke an seinem Stand hatte. Das neue Packungsdesign mit Seitenteilen mit gezeichneten Astronauten und Kaffeepflanzen hatte aber keine ästhetischen Gründe. Die sieben roten Verpackungen seiner 250 Gramm-Single Origins (stammen nur von einer Pflanzung) rücken besonders fruchtige Kaffees optisch in den Vordergrund, indem man sie vom ansonsten schwarzen Packaging abhebt.
Diese geschmackliche Nische lässt sich mit kürzerer Röstung bedienen, wenn der Rohkaffee einmal in Österreich ist, doch entscheidend ist bereits die Behandlung der Kaffeekirschen. Das Procedere nach der Ernte, nämlich ein möglichst langer Kontakt mit dem – Achtung: unschönes Wort! – Fruchtschleim, erinnert ein wenig an die Ganztrauben-Vergärung beim Wein. Ein Vergleich, dem Goetz (kl. Foto rechts) durchaus etwas abgewinnen kann: „Kaffee wird immer mehr wie der Wein“, meint er und führt schließlich auch selbst die Kostnotiz „Aromen von Salzkaramell und halbtrockenem Weißwein“ auf der Packung des „Catucaí-Açu“. Der erste der fruchtigen Kaffes stammt von dieser Arabica-Bohnensorte, die auf der brasilianischen Farm „Camocim“ angebaut wird.
Ihr Besitzer hat in Pedra Azul do Arace (Bundesstaat Espirito Santo) die größte Demeter-Kaffeepflanzung des Landes angelegt. Mit der letzten Ernte 2017 wurde Henrique Sloper Araujo „Fruchtbombe“ gar mit 93,6 von 100 Punkten bei der Verkostung „Cup of Excellence“ ausgezeichnet, was im größten Anbauland Brasilien auch prompt bei der Versteigerung des „Catucaí-Açu“ zu Buche schlug. Mit einem Roh-Kilo-Preis von 170 Euro gilt er aktuell als teuerster brasilianischer Kaffee. Wir kosten die vorherige Ernte, wenn man so will: einen Espresso-Blue Chip, denn der Preis der 2016er Bohnen lag deutlich unter dem Rekordergebnis, die Qualität aber nicht wesentlich.
Der Duft des „Catucaí-Açu“ erinnert mit seiner nussigen Note und dem bereits merklichen fruchsüßen Anteil (Marille für uns, Ribisl für Goetz, in jedem Fall eine säuerliche Frucht!) an Sachertorte. Der erste Schluck des Kaffees aus Espirito Santo bringt dann die erwartete Fruchtigkeit mit, diesmal sind es rote Früchte, irgendwo zwischen Kirsche und Himbeere, die wir notieren. Es ist ein Kaffee, dem die Bitternoten abgehen, stattdessen ersetzt eine gewisse Eleganz und Würze den röstig-herben Charakter. Dazu trägt auch eine merkliche Säure bei, die erst ganz am Schluß Platz für einen schokoladigen Touch macht. Hier darf man wieder an die Sacher-Masse denken, auch etwas gesalzene Erdnüsse waren zu merken.
Sie sprechen vom Honig und meinen den Schleim
Der zweite aus der „Red Line“ der fruchtigen Varianten trägt diese Eigenheit auch schon im Namen. Der „Black Honey“ stammt aus Costa Rica und trägt sogar die Angabe der „Brix“ am Etikett. Genau sind es 22 Brix, was so viel bedeutet, dass soviel Prozent des Gewichts aus (Frucht-)Zucker bestehen, ein Wert, der in der Welt der Fruchtsäfte etwa die Obergrenze von Granatäpfel-Süße markiert. Der „Alma Negra Black Honey”. Francisca und Oscar Chacon sind als Kaffeeproduzenten für den „Honey Process“ bekannt, bei dem 100% des Fruchtschleims – da war er wieder! – auf den Bohnen belassen wird. Das Ergebnis von der „Las Lajas Micromill“, wie die Farm in Sabanilla de Alajuela/Valle Central-Region heißt, bringt einen ungewöhnlich dunkel-fruchtigen Geruch mit. Brombeeren, Rum-Rosinen und „Zwetschken-Krampus“ lassen die Frage aufkommen, ob da nicht jemand ein Destillat in unsere Espresso-Tasse geschmuggelt hat.
Geschmacklich fallen die an reife Weichseln erinnernden Noten auf, die Säure bringt einen leichten Zitrus-Anklang mit, insgesamt wirkt der Costa Rica-Kaffee aber fruchtiger als der Brasilianer zuvor. Die Intensität ersetzt hier auch den Körper, intensiv ist der „Black Honey“ aber allemal. Das ergibt ein kleines Experiment, nämlich das Verdünnen mit etwas Milch. Das „Sakrileg“ in Sachen Kaffee zeigt aber, dass sich die an Lakritzschnecken und Weichsel-Kompott erinnernden Noten auch hier noch am Gaumen finden. Wer seinen Kaffee auch mal mit der Aeropress zubereitet – dafür eignen sich die erwähnten „roten“ Alt Wien-Varianten bestens. Als Wein wäre der „Alma Negra Black Honey“ für Goetz übrigens ein Merlot. Und das zum Frühstück!
Bezugsquelle:
Alt Wien Kaffee, „Catucaí-Açu“ ist um EUR 11,90 (250 Gramm-Packung) erhältlich, der „Alma Negra“ um EUR 14,90 (ebenfalls 250 Gramm), jeweils im Web-Shop bzw. direkt bei der Rösterei, www.altwien.at