Es ist wirklich viel Zeit vergangen seither: Der Sooßer Winzer Christian Fischer mußte damals noch warten, bis Engelbert „Guck“ Fischer auf Urlaub war, „um mit unserem Lese-VW-Bus und seinem Geld Barrique-Fässer kaufen zu fahren“. Tochter Franziska, heute Juniorchefin des Thermenregion-Betriebs, war damals auch schon dabei, allerdings in der Baby-Tasche. Es sind launige Erinnerungen, die die Fischers an ihren Pinot Noir und die dafür verwendeten Barriques von Franz Stockinger haben. Dass die Fässer damals außen noch lackiert waren, unterstreicht, rückblickend, was der stets relaxte Fischer offen zugibt: „Wir haben damals alle wenig gewusst“. Schauplatz der Reminiszenz ist das Weingut in einem der Sooßer „Urhäuser“, der Anlass sind dreißig gekelterte Jahrgänge, die Fischer heute zu verkosten gedenkt.
Instinktiv machte man von Beginn weg vieles richtig, der 1985er Pinot Noir wurde der drittbeste heimische Rote im Falstaff-Klassement. Und er ist auch in der Probe Verkostung eine Macht: Der gerade einmal zwanzig Minuten zuvor geöffnete 1985er duftet sortentypisch nach Erdbeeren und etwas Pink Grapefruit-Zesten, beides frische Noten, und das bei einem 32 Jahre alten Wein! Saftiges Mundgefühl nach Orange und Herzkirschen wird von einem an Sankt Laurent erinnernden würzig-säurigen Finish gekrönt. Man soll mit Superlativen vorsichtig sein, aber das hatte Wein-Erlebnis-Qualität! Franziska Fischer-Urban wunderte das nicht, „es ist ja ein sehr guter Jahrgang“ lachte die in diesem Jahr geborene Juniorchefin.
In einer ähnlichen Top-Form zeigte sich der Pinot Noir 1999, dessen leichter Alterston sich leicht aus dem Glas „schütteln“ ließ. Estragon und Schwarzwurzel umspielen dann den Kirschduft. Dieser ein ruhte nahezu buddhistisch in sich und ließ nach einander würzige Noten (schwarzer Pfeffer, Lorbeer), säurige Frische und eine fruchtige Herzkirsche aufblitzen. Schwarze Oliven im Finale krönten diesen alterslosen Wein.
Würze als Haus-Stil: Pinot Noir 2002
Als Parade-Pinot Noir soll auch noch der 2002er gewürdigt werden, ohne jetzt alle 30 Jahrgänge en detail zu beschreiben. Er zeigt die in den besten Jahren ausgeprägte Würze der Thermenregion, die viele Lügen straft, für die die Sorte ein helles „Beeren-Wasserl“ darstellt. Auf Steinpilz und Rosmarin im Duft folgt auch am Gaumen eine gehörige Portion Pfeffrigkeit. Zur Lakritz-Note gesellt sich auch eine – nach 15 Jahren! – jugendliche Säure, die für einen Trinkfluss jenseits schnöder Details wie Jahrgangsangaben am Etikett sorgt.
Ein echtes Schmuckstück stellte der 2007er dar, der in Ganztraubenvergärung hergestellt wurde. Fischer schneidet dabei den Stängel mit der Schere ab, lässt aber den kleinen Übergang von Traube zu Stängel als Siegelbewahrer von Frische und Tannin mit im Bottich vergären. „Zwei Tage sitzen wir da praktisch mit der Nagelschere“, schildert der Winzer das Procedere, das er sich nur alle Jubeljahre antut. Die längere Maischestandzeit kitzelt dann aber Nuancen heraus, die von diesem Wein besonders viel Sauerstoffkontakt im Glas erfordern. Dann belohnt der Duft mit Weichsel, Vanille und Anis (aus dem Schwarzbrot gepuhlt).
Dieser Pinot Noir ist völlig auf den Punkt gereift, die feine Würze und das elegante Tannin kann man als den Haus-Stil Fischers abspeichern. Konkret mengen sich Wacholder, Lorbeer und schwarze Oliven in ein immer noch elegantes Tannin-Gerüst. Speziell fällt auf, dass wir keine einzige Frucht notiert haben in diesem seidigen Rotwein, der mit seiner Struktur allein begeistert.
Und die „jungen“ Jahrgänge? Der noch als Fassmuster gereichte Pinot Noir 2015 zeigte mit seiner herben und säurigen Art die volle Jugend, auch das Fass ist mit Bitterschoko noch präsent. Kurz: Es ist alles da für einen spannenden Wein (der dann 2022 erstmals Spaß machen wird). Rote Rübe, Brombeere und Kakao signalisieren beim kühleren Jahrgang 2014 einen dunklen Typus. Die Holzwürze trägt momentan noch viel Babypuder bei diesem Jüngling auf; Espressonoten versuchen sich immer über die Frucht zu schieben. Doch auch diese ist mit Zwetschke statt roten Beeren dunkler als sonst. Lagerempfehlung!
Der Wegweiser in die Zukunft: PN 2012
Der erste „typische“ Pinot unter den aktuellen Jahrgängen war dann der 2013er, der mit Himbeere, Bergamotte und Nougat schon auf eine Balance aus Fruchtfrische und Holzeinsatz verwies. Auch am Gaumen sind es saftige, säurig unterlegte Beeren und Sauerkirsche, die den Takt angeben. Die schon als Haus-Stil angesprochene feine Würze erinnert hier an Thymian und Röstkaffee, zarter Tabak im Finale signalisiert ebenfalls: Ab diesem Jahrgang beginnen Fischers „antrinkbare“ Burgunder.
Hier gehört auch der saftige 2012er genannt, der sich vom ebenfalls saftigen 2011er in einem wesentlichen Details unterschied: Gerbstoff und Holz sind beim jüngeren Wein deutlich abgerundeter als beim immer noch Espresso-röstigen und Tannin-lastigen 2011er „100 cases“ (der auch noch in fünf Jahren gefallen wird!). 2012 im Sooßer Pinot-Reigen hingegen zeigt einen Beerenduft mit Kante. Cassis und Heidelbeere stimmen mit einem Klecks Vanille ein auf einen saftigen und abgerundeten Rotwein. Seine kühle und zitrusfruchtige Ader wird zwar überschattet von etwas Röstnoten, doch das Tannin zieht sich hier bereits zurück – man sieht genau, wo die Reise hingehen wird: Die Zeit hat gerade ihre Gewichte auf der Waage neu arrangiert; die vollendente Balance darf man daher in rund vier Jahren erwarten. Oder gleich bei der Feier „40 Jahre Pinot Noir“ im Sooßer Urhaus im 2022er Jahr!
Bezugsquellen:
Christian Fischer, Pinot Noir „Premium“ 2012 gibt es um EUR 22,50 bei Getränke Wagner, www.wagners-weinshop.com
Fischers Pinot-Jahrgänge 2013 (um EUR 23,40/Flasche) und 2011 („100 cases“) zu EUR 46,20 führt das Weinhandelshaus Döllerer, www.weinhandelshaus.at