Sollte es irgendwann wieder große Weinverkostungen geben, werden wir schön schauen. Denn auch die Winzer hatten Zeit für ihre Steckenpferde – und da kommt einiges an Experimenten und neuen Zugangsweisen aus den Kellern! Auch wenn diese Vorfreude beim Daheim-Trinker nicht die Sorge auf den Weingütern um den Absatz der Weine mangels Gastroabnehmern aufwiegen kann. „Durch die verrückte Zeit ist es gar nicht so einfach, News an den Mann oder die Frau zu bringen“, seufzt etwa Frank Schindler. Er hat massive Weichenstellungen auf einem der größten burgenländischen Weingüter durchgeführt. Aber leider drang das kaum durch. Wir rätselten selbst erst kürzlich angesichts eines „St. Georgen“ auf einem der Weine aus Trausdorf – denn „Ortsweine“ sind aktuell etwas Neues im Burgenland.
In der Tat sind diese Weine, die Schindler und Kellermeister Robert Krammer (auch er seit 2019 aktiv für Esterházy) lanciert haben, neu. Das Duo hat das Weingut auch auf biologische Bewirtschaftung umgestellt, Diversität im Weingarten ist dem eher still reformierenden Schindler ein Anliegen. Und quasi als Beleg der neuen Herangehensweise prägen nicht nur Tonamphoren das Bildarchiv der Webseite, sondern auch eine ganze Reihe von „Projekten“. So nennen sich unkonventionelle Vinifikationen, die man zur Erforschung der Möglichkeiten mit den vorhandenen Rebsorten unternimmt.
„Projekt Nr. 7“ kam bei uns ins Glas und es ist ein bereits theoretisch faszinierendes Experiment von Wein. 5.340 Flaschen gibt es lediglich, der Preis ist leistbar und der Überraschungsfaktor hoch. Worum geht es? Um eine Gärung, die man so in Österreich eher selten findet. Die macération carbonique prägte lange vor allem ein Gebiet: Beaujolais. Der so schnell verfügbare Wein der Sorte Gamay (Werbespruch über Jahrzehnte: „Le Beaujolais nouveau est arrivé“) wurde durch diese Art der Weinbereitung überhaupt möglich. Denn unter einer Kohledioxid-Haube startet die Vergärung in den Trauben selbst und laugt in Windeseile Farbe und Geschmack aus – was der Winzer entfernt sind blass gewordene, helle Traubenhäute. Dazu kommt allerdings auch eine feine Kohlensäure-Note.
Wie sich dieses Verfahren auf die Paradesorte Esterházys auswirkt, wollte Robert Krammer genau wissen. Und das Ergebnis ist einer der ungewöhnlichsten Blaufränkischen seit langem. Auch wenn rechtlich „Landwein“ drauf stehen muss! Die richtig schöne Granat-Farbe im Glas zeigt an, dass hier nicht die übliche Färbung eines „BF“ im Glas ist. Herb und rotfruchtig duftet der „MC“ (steht eben für die beim macération carbonique 2020er „Projekt“). Man denkt nicht gleich an Granatapfel in unseren Breiten, aber genau so duftet der Wein. Etwas frische Rote Rübe – nicht der süßliche Salat der Bete! – kommt noch dazu, mit Luft sind auch Trockengewürze da. Gewürznelke und die holzigere Zimt-Art Cassia.
Im Mund wird aus den sortentypischen Kirschen des Blaufränkisch dann beinahe Himbeere, doch das fällt vorerst gar nicht auf. Zu spannend ist das „Britzeln“ der Säure auf der Zunge. Sie Säure macht den Spaßfaktur dieses 2020ers aus, seriöser wird dann der Gerbstoff, der quasi ein bisserl nachhinkt. Wie bei feinem Tee (Assam-Style) kommt er im Finish auf, ehe noch einmal alle Frucht-Geschmäcker sich bündlen: Herbe, säurige und kaum süße Noten verbinden sich zu einem recht trinkanimierenden Rotwein. Zu Recht empfiehlt das Projektleiter-Duo aus Trausdorf diesen Wein in Blindproben, um Weinkenner zu fordern. Wunderbar passt er – leicht angekühlt – aber auch zu Schokolade. Wer keine Süßweine mag zum Schokodessert: Dieser „MC“ alias „Projekt Nr. 7“ macht zu einem „Lava Cake“ richtig Spaß!
Bezugsquelle:
Weingut Esterházy, „Blaufränkisch MC“ (Nr. 7) 2020 kostet EUR 12 im Webshop des Weinguts, www.esterhazywein.at