Platz für eine Brennerei ist auf der kleinsten Insel. Das demonstrierten Alasdair Day und Bill Dobbie, als sie 2017 das Hebriden-Eiland Raasay auf die Whisky-Landkarte setzten. Als Nachbarinsel von Skye, wo Talisker seine Brennerei betreibt, kannte man die 23 Kilometer lange Isle of Raasay mit ihren 160 Einwohnern allenfalls für das luxuriöse Borodale House, wo man mit Blick auf den Sound of Raasay urlauben kann. Und genau an diesem Ferienidyll, das noch dazu übersetzt „Reh-Insel“ heißt, floss auch der erste „new make“ der Brennerei. Experimente mit lokaler Gerste laufen noch, sie soll im Idealfall die Produktion der Whiskybrennerei befeuern. Dass man lediglich schottisches Malz akzeptiert, leitet zur Brennphilosophie der Raasay Distillery über.
Denn man verwendet sowohl Torfrauch-Malz als auch ungetorftes Gerstenmalz, das man durch ein ausgeklügeltes Fass-Management in aromatische Verästelungen treibt. So lässt sich auch bei kleinem Ausstoß experimentieren. Die drei Fasstypen sind Rye Whiskey-Casks (von Woodford Reserve) anstelle der üblichen Ex-Bourbon-Gebinde, dazu ehemalige Rotweinfässer aus dem Bordelais sowie erstmals befüllte Barrels aus der Chinkapin-Eiche. Beide Whisky-Typen lagern in allen diesen Casks, was dem finalen Blend ein komplexes Gepräge gibt – auch wenn der Erstling gerade einmal vier Jahre Lagerzeit aufweist.
Für Single Malt-Freunde noch eine Zusatzinformation: Der Isle of Raasay ist weder gefärbt, noch kühlfiltriert und wurde mit einer Stärke von 46,6% vol. gefüllt. Von „leicht getorft“ ist in der Nase aber keine Rede. Denn der herrliche Rauch-Ton legt sich über eine Haselnuss-Note, etwas Pfirsich-Schale und einen würzigen Ton. Uns erinnert dieses Gerücherl, das sich wohl dem Rye-Cask verdankt, an getrocknete Tomaten vom Antipasti-Teller, allerdings ohne Olivenöl.
Die salzig-würzige Pomodori secchi-Note findet sich dann auch am Gaumen, wenn die erste Viskosität abgeklungen ist. Denn recht cremig beginnt der Hebriden-Whisky im Mund – die Haselnuss-Schnitte ist wieder da, dazu eine auffrischende Kräftigkeit. Leichte Röstnoten, die weniger an Eichenholz, als an Popcorn erinnern, begleiten den fruchtig unterlegten Rauch des Raasay-Erstlings. Im Finish merkt man die Jugend dieses „drams“ kurz. Allerdings legt er mit einem Quäntchen See-Salz auch noch eine Herkunftssignatur in den Abgang hinein. Insgesamt ist dieses erste Batch von der Insel ein feiner Schluck geworden, der am Nachmittag etwa zu Pimm’s Cakes genauso mundet wie abends mit Freunden. Erfreulich ist auch der Preis dieser Rarität, die Freunden der rauchigen Single Malts zu gefallen weiß.
Bezugsquelle:
Isle of Raasay Distillery, Single Malt (Batch 1) kostet EUR 49,90 (0,7 Liter-Flasche) beim Versandhandel Weisshaus, www.weisshaus.at