„Einen positiven Ausreisser“ suchte Maximilian Hardegg, als er bei der Weinmesse Vinexpo in Bordeaux Anno 1995 über die Zukunft seines Weinguts nachdachte. Es war die Zeit des EU-Beitritts und das Gut in Seefeld-Kadolz wollte sich dafür nicht mit noch mehr Grünem Veltliner wappnen. Der Viognier an der Rhône war damals in Frankreich wieder ein wenig im Aufwind, nachdem die ertragsschwache Sorte auf gerade einmal 20 Hektar in den 1960er Jahren gerasselt war. Den Graf überzeugte die Sorte, die Sandböden seines Weinguts sollten zur neuen Heimat werden.
1998 wurde der erste Viognier auf Gut Hardegg gefüllt. Bei der Jungfernlese stand sogar noch der Rebsorten-Name am Etikett. Doch das ist nur Sorten erlaubt, die der Gesetzgeber im Rebsorten-Kataster aufgelistet hat. Ergo setzte sich die Bürokratie in Marsch. Denn auch was in Frankreich seit Jahrhunderten wächst, kann in seiner „weinbaulichen Eignung“ hierzulande angezweifelt werden. Der Ablehnungsbescheid, aus dem Betriebsleiter Andreas Gruber zitierte, hatte einen klaren Subtext: „Baut im Weinviertel doch heimische Sorten an“!
Maximilian Hardegg und sein erster Weingutsleiter Peter Veyder-Malberg ließen sich nicht irritieren und seither geht der Wein seit 20 Jahren als „V“ durchs Leben. Viel gibt es ohnehin nicht (2500 Flaschen per annum von einem Hektar), da passt der Name von Thomas Pynchons Kultbuch „V“ natürlich auch zu einem Kult-Wein. Und als solcher entpuppte sich der Viognier, der in seiner Langlebigkeit auch bei Blindproben regelmäßig überrascht. Die Jungfernlese, 1998, mit der die Verkostung bei Mayer und Freunde begann, zeigte das geradezu aberwitzig auf: Salzzitrone und mineralische Noten, die von Steinobst begleitet werden, gaben in der Nase die Richtung vor. Ähnlich jugendlich erwies sich der Kost-Schluck; selbst Gerbstoff war noch in Rudimenten, die sich aber zur Stütze des Weins formierten, vorhanden. Wen kümmert da die theoretische weinbauliche Eignung, wenn die Trink-Praxis so beseligt?
Anhand einer Auswahl von zwölf Weinen kommentierten Gruber und Hardegg die Entwicklung des raren Weines durch die Jahre. Dabei zeigte sich eine deutliche Wiedergabe des Jahrgangs durch die Sorte. In heißen Jahren schmiegte sich auch das Holz gefügig an die Tropenfrüchte des Viognier, in kühleren Jahrgängen – und nach dem stilistischen Wechsel weg von Barriques – kam Riesling-eskes Steinobst und eine zitrusfruchtige Ausprägung, die von Limette bis Mandarine reichen kann, durch. Da hätte sich in der Blindprobe wohl mancher an die Mosel oder die Saar gebeamt und von typischen Riesling-Noten erzählt. Zumal die Würze – wir sprechen immer noch von mehrheitlich sandigen Böden, wenn auch mit hohem Kalkanteil – durchaus an Schiefer im Weingarten erinnert. In manchen Jahren (2010 zum Beispiel) findet sich sogar ein Nachklang von Pikanz im mittlerweile Bio-zertifizierten Wein, der an Harissa erinnert. Doch leider: Nicht nur, dass die Sorte eh schon wenig Ertrag bringt, wird auch ordentlich Mengen-reduziert, um solche Qualitäten zu erzielen.
Ergo ist dieser Weinviertler Exot naturgemäß nicht leicht zu finden, wenn es um die älteren Jahrgänge geht. Der aktuelle (2017er) „V“ aber schon noch. Widmen wir ihm daher die Langbetrachtung. Er duftet ein Zeiterl nach Flieder, denn es dauert ein wenig, bis die feinen Röst-Noten sich klar als Salzmandeln identifizieren. Dann kommen sie im Verein mit dem gelben Frucht-Mix, der sich noch nicht ganz zwischen Tropenfrucht (Ananas) und Steinobst (Marille) entscheiden kann. Honigmelone? Ja, das kann man in jedem Fall beim Kostschluck sagen. Die Säure, die der Sorte gerne abgesprochen wird, ist hier voll da. Sie trägt auch einen salzigen Zug mit sich, der den an Orangen-Fruchtfleisch und Nektarinen erinnernden „V“ noch frischer wirken lässt. Es ist ein satter, ein intensiver Wein, aber auch leichtfüßiger, als es der „14%“-Aufdruck am Etikett vermuten lässt.
Cremige Vanille-Maracuja-Creme mit einem Touch Sesam im Finale, beschreibt ihn aktuell recht gut. Jetzt muss man nur noch ein paar Jährchen warten können. Angesichts des verkosteten Dutzends von den insgesamt 19 abgefüllten Jahrgängen (eine Ernte killte der Frost) des Viogniers lässt sich der Rat McClintic Spheres aus dem eingangs erwähnten Namensvetter-Roman des „V“ auch auf Hardeggs Wein beziehen: „Love with your mouth shut“.
Bezugsquelle:
Schlossweingut Graf Hardegg, „V“ 2017 ist um EUR 22,86 beim Wein-Versand Vinorama zu beziehen, www.vinorama.at