Es ist bitter für uns, noch bitterer für die Winzer. Etliche Jahrgangspräsentationen fallen aus, Gesundheit geht logischer Weise vor. Schade ist es vor allem um geplante Jubiläen und Premieren. So hätte Sommelier Hans-Peter Ertl dieser Tage in Leutschach die Vorstellung der 2019er von Peter und Florian Masser moderiert. Der Steirer, ehedem Restaurantleiter bei Juan Amador, Österreichs Solo-Inhaber dreier Michelin-Sterne, tut das gerne mit vier Gläsern. Pro Wein, versteht sich. Denn die Unterschiede seien frappant, das will er möglichst vielen Genießern klarmachen – und weg vom „one size fits all“-Prinzip locken. Weine sind schließlich keine Baseball-Kappen!
Die Weine kamen per Post, ein gläsernes Sammelsurium haben wir auch, ergo wird das Experiment nicht im Labor Masser vollzogen, sondern für ein Trinkprotokoll sorgen. Auf dem Prüfstand stehen zwei Weine – dazu gleich mehr! – und das in einem Quartett aus Glas: Cristallo (Nobless Universal), Sophienwald (Weisswein-Glas), Zalto (Universal-Glas) sowie einem Spiegelau-Glas („Authentis“ Weisswein) werden unter „ceteris paribus“-Bedingungen zum Einsatz kommen. Das freut den Wissenschaftstheoretiker in uns einfach, wenn man das hinschreiben kann. Doch jetzt: Ad vinum!
Diese „Haus-Übung“ lässt sich perfekt mit einem Wein durchführen, der neu im Sortiment ist. Doch nicht nur deshalb haben ihn nicht viele überhaupt je im Glas gehabt. Rund fünf Jahre gibt es die Schweizer Züchtung erst, die bei den Massers unter der Nummer „604“ gefüllt wird. Das macht neugierig und vermeidet den Sorten-Namen, der wenig Wohlklang hat: „Sauvignac“ klingt wie ein serbisches Schimpfwort und ist ein weiteres Beispiel für die unglückliche Namenswahl, die es den PIWI-Sorten nicht leicht macht. In der Rebschule kennt man sie unter VB Cal 604, der Züchtungsnummer. Daher kommt die Bezeichnung in Leutschach, Charakter erhält die Sorte von den Rebsorten Riesling und – namentlich sichtbar – dem Sauvignon Blanc. Dazu wurde noch die Pilzresistenz eingekreuzt im Kanton Jura.
Der Kopf ist also frei, sich auf die Unterschiede des Weins zu konzentrieren, die das Glas erzeugt. Gut so! Durchgang 1 im Glas-Labor kann starten. Im Cristallo wirkt das Aroma sehr spitz, fordernd und deutlich zitrusfruchtig. Dagegen bringt das Zalto reifere gelbe Frucht-Noten mit, ja sogar einen Touch Vanille (der beim „Sturmkogl“ nichts mit dem Ausbau zu tun hat). Oha! Apfel und Kiwi hingegen sind klar zu erriechen, wenn man zum Spiegelau-Glas greift. Das Sophienwald-Gebinde lässt die Frucht am schönsten strahlen; hier geht sie eindeutig in Richtung Steinobst. Mit einem Touch Pfirsich zeigt man auch die genetische Spur der Eltern-Rebe Riesling. Merke: Würde man unter Sauvignac abfüllen, wäre man jetzt wohl enttäuscht. An Sauvignon Blanc erinnert vorerst nichts beim 604er.
Wie sich diese Hypothese im weiteren Test macht, soll der vier-fache Kostschluck zeigen. Im Spiegelau-Glas trifft der Wein offenbar nur auf die Zungenmitte. So erklären wir mit der Form, dass der 2019er kaum eine Trinkdramaturgie entwickelt. Die Apfel- und Kiwi-Noten sind auf einmal da, aber auch schnell verschwunden. Traditionell ist dieses Glas zu jungen und leichten Weinen recht „gnadenlos“, erinnern wir uns an andere Verkostungen damit. Auch das Zalto-Glas bringt eine Note speziell zum Klingen, nämlich die Leichtigkeit des mit 12% gefüllten „604“. Der Zug ist anfangs da, Kiwi und Grüner Apfel sorgen für Frische, doch dann fällt der Körper merklich ab, der Wein ist schnell weg. Verblüffend wird das im direkten Vergleich mit dem Cristallo, wo sich der gleiche Wein zugespitzt präsentiert: Frischer und sogar etwas pfeffrig – bei den anderen bisher nicht zu schmecken – tritt der Steirer auf. Müsste man das ideale Glas küren, wäre es in dieser Serie mit dem 2019 PIWI von Sophienwald. Vollmundig zu Beginn, kommt der Nektarinen-Charme durch, dazu entwickelt sich auch mehr Druck (vor allem gegenüber dem Spiegelau). Die Finesse des Weins zeigt es dann erst am Ende, da wird es dann fein kräutrig.
Hätten wir nicht Massers Wein getrunken, bräuchten wir jetzt einen Schluck! Denn die einzelnen Vorzüge sind verblüffend deutlich und auch klar erkennbar. Der Distinktionsgewinn, täten die Soziologen sagen, die Lust an den Unterschieden, treibt uns zur zweiten PIWI-Sorte. Sie hat in der Steiermark mittlerweile echte Relevanz. Auch wenn die offizielle Hektar-Anzahl durch die Österr. Weinmarketing noch nicht ausgewiesen wurde, hat man dem Muscaris bereits Qualitätswein-Status zugewiesen. Er ist auch ein echter Zech-Wein, der als Einstieg Welschriesling und Muskateller ersetzen kann, berichten vor allem die Fans der Sorte im Vulkanland Steiermark (das Weinbaugebiet formerly known as Südost-Steiermark) über die Akzeptanz beim Kunden.
Was is‘, Muscaris: Lavendel oder doch Pfirsich?
Für Florian Masser unterscheidet sich die Aromatik des Muscaris „völlig von seinem Namensverwandten, dem Gelben Muskateller“. Der Winzer sieht vor allem die „exotische Aromatik“ als Kennzeichen der Sorte, die mit Souvignier Gris und 604 das PIWI-Portfolio unterm Sturmkogl-Logo bildet. An Koriander, Strudel-Blatt und Alpen-Kräuter erinnert sein Duft, wenn man den 2019er in das Spiegelau-Glas gibt. Intensiv wie ein Parfüm, vor allem weil etwas Lavendel und Zitronengras zu riechen ist, steigt der Muscaris-Duft aus dem Zalto – hier kommt auch ein Touch Muskatnuss durch. Tropenfruchtig, wenn auch mit einem deutlichen „Nusserl“ wird es dann im Cristallo, das eine fast sonnige Frucht-Mischung mit etwas Papaya zum Besten gibt. Und wie schallt es aus dem Sophienwald? Hier zeigt sich ebenfalls intensiver Frucht-Duft, zwischen Pfirsichen und Bergamotten-Zeste begegnet uns auch der Lavendel wieder.
Anders wird es, wenn wir bei diesem Glas bleiben, am Gaumen: Mit feiner Art prunkt der Muscaris, kühl und zitrusfruchtig wird er in seinem „Zug“ unterstützt. Das Spiegelau schmeichelt dem Körper; es lässt den 11,5% leichten Weissen kompakt wirken und bringt Kaktusfeige mit. Gleichzeitig aber reißt der Wein hier etwas ab, auch der Gerbstoff wird deutlich im kurzen Finish. Die Leichtigkeit des 2019ers merkt man am stärksten im Zalto. Gelber Apfel, viel Kräuterwürze und am Ende ein Touch Zitruszeste lassen die feine Klinge aufblitzen, aber auch den niedrigen Alkohol. Wie sich schon im Duft ankündigte, macht das „Nobless“ von Cristallo seinem Namen auch beim Kosten alle Ehre. Feine Würze gesellt sich zu einem ordentlichen Maß an Pfirsich, der noch dazu recht saftig auf den Gaumen kommt. Kurz: Das ist unser Favorit für den 2019er Muscaris by Masser!
Auch wenn wir in Zukunft nicht mit einem eigenen Gläserkoffer zum Wirten gehen werden: Man soll viel öfter Nein sagen zu den angebotenen Gebinden. Denn wenn sich eines gezeigt hat im PIWI-Lab: Auch Weingläser sind keine Baseball-Kappen!
Q.e.d.
Bezugsquelle:
Weingut Masser, „604“ (Sauvignac) 2019 kostet EUR 12,10, der Muscaris 2019 ist um EUR 10 zu haben – beide im Webshop des Weinguts, www.masser.cc
Tipp: Je zwei Flaschen aller drei „Sturmkogl“-PIWIs (inkl. Souvignier Gris) gibt es im Probierpaket á EUR 65.