Dass Scott Adamson von der Brennerei Tomatin in der Stadt war, hatte einen „japanischen“ Grund – über den es hier etwas zu lesen gibt. Denn der Eigentümer der schottischen Destillerie („Takara Shuzo“) hatte einen Jahrhundertfund vorzustellen. Doch der älteste Whisky, der in Japan jemals gefüllt worden war, war erst der vierte Akt des Tastings in Joji Hattoris Lokal Shiki. Denn zuvor stellte der Mann mit dem naheliegenden Nickname „Scotch Adamson“ noch drei Tomatin-Malts vor, die jeder für sich bemerkenswert waren.
Dass es nicht alltäglich ist, eine Verkostung gleich mit einem 18-jährigen Whisky zu beginnen, setzte den Ton für den Abend. Zumal diese Abfüllung aus der südlich von Inverness gelegenen Brennerei auch noch ein echter Leckerbissen ist. Einerseits hat man dem Single Malt mit 46% vol. noch Kraft belassen, zum anderen gehört Tomatin zu den Herstellern, die einen guten „Stock“ an lange benutzten Sherry-Fässern hat. Und in ehemaligen Oloroso-Butts lagerte auch der „18 years“ – für eine Nachreifung von satten drei Jahren.
Die Sherry-Süße ist dementsprechend nach diesem „Finish“ deutlich ausgeprägt; eine süße Duftnote von Pekannuss, Nougat und Laugen-Brioche signalisiert diese lange Nachreifung. Etwas Hefe und Salzigkeit lassen dabei fast mehr an Fino als Oloroso denken. Doch der Gaumen liefert fruchtige und süßliche Eindrücke zur Genüge nach bei diesem Tomatin. Butterkeks und Milchkaffee liefern einen Geschmackskern, der fast zu „lieb“ wäre. Wenn da nicht der würzig-kantige Part des „18 years“ wäre, der zusammen mit dem spürbaren Biss des Alkohols einen Widerpart bietet. So aber kommt ein insgesamt trockener, wenngleich reichhaltiger Whisky-Charakter heraus. Die ganz spät als finales Kennzeichen guter Sherry-Fässer einsetzende weinige Säure fungiert als Draufgabe eines exquisiten Highland-Malts.
Säurig-fruchtig oder lieber fruchtig-süß?
Spannend wurde dann das Match zwischen Tomatins „30 years“ und dem „36 years“, beides heutzutage wahre Delikatessen, die man aber noch zu vergleichsweise moderaten Preise für diese flüssige Geschichtsstunden erwerben kann. Interessanter Weise ließ sich diese Diskussion auch auf „Aroma vs. Geschmack“ reduzieren. Denn der extrem helle „30 years“ war geradezu verschwenderisch mit seinen Duftnoten. Eine extreme Fruchtigkeit zwischen Weingartenpfirsich und Orangenmarmelade wurde von Kokoscreme und etwas Curry-Pulver begleitet. Der ebenfalls mit 46% vol. abgefüllte Single Malt zeigte sich dann aber auch am Gaumen überraschend zugänglich. Rund, weich und mit einem Cornflakes-Ton begann der Trinkverlauf, in dem auch Säure, dafür aber kaum Holzwürze zu spüren war. Die Reize am Gaumen lieferten dann Salz-Erdnüsse, wobei die feine Säure bis zuletzt das hohe Whisky-Alter Lügen strafte.
Wenn man den „30 years“ mit einem rüstigen Mitsechziger in rosa Hosen vergleicht, dann war der „36 years“ dagegen ein Vollbart-Träger mit Gamsbart am Hut. Ein bisserl schräg in der ersten Anmutung, aber auch ein Pfundskerl! Rote Früchte, vor allem Apfel mit roter Schale, Walnüsse und ein nicht geringen Quantum Marzipan stellten einen ganz anderen Tomatin-Typus vor. Allerdings grätschten immer wieder einige ruppige Töne dazwischen. Mal alter Balsamico-Essig, dann kurz auch Schwimmbad-Chlor, das zum Glück von einer Rum-Schokolade abgelöst wurde. Der Hinweis von Scott Adamson (kl. Bild links) dass dieser Whisky in schlechten Zeiten für die Brennerei ins Fass gelegt worden war, gab einen Hinweis, dass hier ev. ältere und kantigere Bestandteile sich nicht in die Harmonie des „36ers“ einfügen wollten.
Doch hier schlug dann der Kosteindruck alle Zweifel aus. Denn das Mundgefühl dieses Whiskys allein ist unvergesslich. Seidig wie bester französischer Burgunder rollte der Single Malt über den Gaumen. Die 46,2% vol. waren hier sanfter verpackt als beim „30 years old“ – Nougat, Orangenblüte und Kokosraspel eröffneten quasi ein halbes Süßwarengeschäft auf der Zunge. Der Sherry-Einfluss, ebenfalls auf fünf Oloroso-Fässer zurückgehend, zeigte sich im „Batch 10“ dieses immer leicht unterschiedlich zusammengesetzten Tomatin also deutlich. Dennoch hat der reifste der drei Whiskys den Zug zum Tor – erstaunlich trinkfreudig zeigte er sich. Und aufgrund weniger säuriger Eindrücke für uns auch gefälliger, ganz gemäß der Aufschrift auf seiner Umverpackung aus Holz: „The softer side of the Highlands“.
Welchen der beiden „Thirty-somethings“ man bevorzugte, gab noch einiges an Gedankenfutter her. Und für Whisky-Nerds sind derlei Diskussionen ebenso köstlich wie die Jakobsmuschel-Sushi und die abschließenden Mochi im Shiki.
Bezugsquelle:
Tomatin Distillery, „18 Years Old“ kostet EUR 124,90, der „30 Years Old“ ist um EUR 549,90 erhältlich, und der „36 Years Old“ um EUR 899, alle bei Ammersins Spiritlovers-Shop, https://spiritlovers.at