53 Jahre bei The Balvenie in Dufftown, davon 41 Jahre als Malt Master der Destillerie, machen David C. Stewart zur einzigartigen Figur im Whisky-Business. Diese Fülle an Erfahrungen steht im Mittelpunkt eines einzigartigen Projekts, das eine Bibliothek an Single Malts von 1961 bis 2005 darstellt. Nicht, dass The Balvenie damit seine ältesten und jüngsten Single Cask-Abfüllung überhaupt vorstellt, sondern wie man das tut, ist beispiellos. Allerdings sollte man auch die zweite Facette des Ausdrucks „unbezahlbarer Erfahrungsschatz“ bedenken. Denn die ersten fünf von 25 Single Malts, die es Ende 2019 sein werden, kosten als Kollektion 35.000 Euro. Wer das obszön findet, sollte hier aufhören zu lesen. Wer sich für Whisky interessiert, ist hingegen eingeladen das erste Kapitel des „DCS Compendium“ mit uns aufzuschlagen.
Der Namenspatron – DCS steht für David Charles Stewart – hat sich für diese außergewöhnliche Form seines liquiden Lebenswerks Gedanken zur täglichen Arbeit in der Speyside gemacht. Dieser Ansatz ergibt, technisch gesprochen, 25 Single Casks und einen einigermaßen komplexen Roll out-Plan, der fünf Themen, Kapiteln genannt, folgt. Den Auftakt machen die fünf Single Malts, die den Hausstil und seine Veränderungen über die Zeit darstellen. Die Bandbreite der jeweiligen Fass-Stärken-Whiskies reicht vom jungen 2005er bis zum raren 1968er Balvenie. Zur Wahl standen auch eine Bank und eine Versicherung beim damals 17-jährigen. „Die Whisky-Firma klang aber am interessantesten“, erzählt er heute. Unter der Anleitung von Hamish Robertson lernte er das Handwerk von der Pike auf – in einer Zeit, als Single Malt kein großes Thema war. Allein diese Bandbreite und seine nicht unwesentliche Rolle als Innovator – der „Double Wood“ aus Dufftown stellte das Konzept des „Finishings“ in einer zweiten Holzart erstmals vor – zeigen den Stellenwert, den der 70-Jährige heute genießt. „Wenn etwas polarisiert, fragen wir immer, was David dazu meint“, erzählt ein Mitverkoster der Londoner „Internat. Wine & Spirits Competition“ (IWSC) über die Tastings mit Stewart.
Die fünf Single Cask-Malts, die Trinkprotokoll.at als einziges österreichisches Medium mit David Stewart verkosten durfte, wurden in der Londoner Wallace Collection nicht chronologisch serviert, was sich schnell als sinnvoll erwies. Denn während der 2005er keineswegs jenen jugendlichen Ungestüm zeigte, den man vermutet hätte, war die Schärfe des 1985ers (Nr. 2 der Kostreihenfolge) überdeutlich: Viel Würze, vor allem Muskat und Vanille, ist da, aber mit seinen 54,1 % Alkohol auch ein merklicher Biss, der sich auch durch das obligate „Cutten“ mit Wasser kaum bändigen ließ. Der neunjährige Vertreter aus dem Chapter One des DCS-Compendium, ein 57,5%-iger Fassstärken-Whisky aus 2005, zeigte auch den Hausstil, der laut Stewart „von Honig und Zitrusnoten definiert wird“, am deutlichsten. Eine angenehme Nase der Marke Kokos-Schokolade-Marzipan komplettierte die Kostnotizen.
Gut gereifte Kinder-Überraschung: The Balvenie 1997
Weniger scharf – und das trotz einer Gradation von 60,7 % vol. – zeigte sich der einzige auch einzeln im deutschen Sprachraum erhältliche Single Malt. Der 17 Jahre gereifte Whisky aus dem Fass Numero 5375 erinnert mit seinem Duft nach Milchcreme fast an „Kinder-Schokolade“. Seine süße Art steht Seite an Seite mit einer intensiven Sauerkirsch-Nase. Abgerundet wird das durch die würzigeren Akzente, die Muskatnuss und Kokosraspel verleihen.
Am Gaumen bleibt es komplex; im Beginn kommt ein Nuss-Mix und Schokolade durch, ehe sich der Geschmack minütlich ändert. „Spekulatius-Kekse“ hat man kaum notiert, als das Profil Richtung Waldhonig driftet. Dazu kommen die kräftigen Noten aus dem Fass – „Nuss-Schokolade mit Punch“ könnte als Headline über dem 1978er stehen, im Abgang kommen noch „Hard spice“-Noten wie Zimtrinde und Piment dazu.
Komplexer Malt mit Tropen-Hut: The Balvenie 1978
Der Favorit des Premieren-Publikums war der aus dem Fass Nr. 2708 stammende Balvenie 1978. Der 37 Jahre im gebrauchten amerikanischen Eichenfass gereifte Malt hat schon im Duft alles Kantige verloren – nicht aber die Vielschichtigkeit. Hier kann man den Honig fast greifen, doch er ist nur ein Teil des Bouquets. Kandierte Papaya, Muskatnuss und Orangenblüte finden sich ebenfalls, im Laufe der Zeit dreht das alles in Richtung geröstete Mandel. So schwierig Whisky manchmal zu beschreiben ist – hier wartet ein Füllhorn.
Der 1978er hat ein öliges Mundgefühl aufzuweisen, delikate Nuss-Noten machen schon einmal neugierig, ehe ein paar Tropfen Wasser auch noch die Finessen herauskitzeln. Plötzlich erstrahlt der alte Schotte im karibischen Sonnenlicht: Kokosmilch, Ananas und brauner Zucker sorgen für einen reichhaltigen Geschmack, der von einer Würze abgerundet wird, die lange Anhält. Großes Gaumenkino!
Altersmilde und schoko-sanft: The Balvenie 1968
Der 1968er erweist sich aromatisch dem 10 Jahre jüngeren Malt-Bruder ähnlich, allerdings duftet hier alles noch einen Tick intensiver. Eine regelrechte Schokolade-Bombe, mit etwas Dörrzwetschke unterfüttert, ist der vorerst älteste DCS-Whisky im Glas. Am Gaumen wirkt er balanciert und hat trotz seiner fast 46% Alkohol keine Schärfe aufzuweisen. „Calmness“ sei sein wichtigstes Charakteristikum, meinte Whisky-Atlas-Autor Dave Broom dazu. Das trifft es gut, denn die Haselnuss- und Kakaonoten, abgesoftet noch von der Vanille der jahrzehntelangen Fasslagerung, lassen fast an Cognac denken.
Mit Wasser entfaltet sich dann auch eine Papaya-Note, die für eine schöne Balance zwischen den beiden Polen Schoko und Frucht sorgt. Zart und hochelegant verklingt der 1968er, man kann hier fast vom Verhauchen sprechen, so zart verabschiedet er sich mit einem Hauch von Nussigkeit.
Wie erwähnt, gibt es jeweils immer nur ein Fass pro Malt; vom kompletten Whisky-Quintett „DCS Chapter 1“ sind weltweit 50 Stück aufgelegt worden, edel in Holz und Messing gefaßt. Als Einzelflasche wird aktuell nur der Balvenie 1997 in Deutschland angeboten – und auch da heißt es sparen…
Bezugsquelle:
The Balvenie, DCS-Chapter One „1997“ (Compendium-Füllung), ist um EUR 900 bei Bley & Bley erhältlich, www.bleybley-shop.de