Der Marchese selbst macht es unmissverständlich klar: „Es war keine notwendige Investition“, sagt Piero Antinori im Film, der das Projekt vorstellt. Was der Weinmagnat und seine drei Töchter in Bargino – am direkten Weg zwischen Florenz und Siena – 2012 eröffneten, ist schlicht eine Landmarke geworden. Und zwar für den toskanischen Wein. Sechs Jahre Bauzeit und 45.000m² machen Antinori nel Chianti Classico zu einer Tourismusattraktion. Chinesinnen posieren für Selfies vor der ikonischen Wendeltreppe aus Cortenstahl, dessen patinierte Optik das 67 Mio. Euro teure Gebäude prägt.
Das Innenleben zog uns aber eher an, denn dort reifen die Fässer mit den hier erzeugten Weinen des toskanischen Adelsgeschlechts. Und hier bucht man auch sein Verkostkoje, die spektakulär wie ein Schwalbennest aus Glas über den 6.000 Barriques schwebt. Drei Rotweine werden eingeschenkt und die Augen haben Pause – jetzt ist die Weinnase in ihrem Element in Bargino!
Der 2022er „Pèppoli“ ist nicht nur der jüngste Jahrgang in der Verkostung, sondern auch als unkompliziertester Wein gedacht. Während man bei vielen bestehenden Abfüllungen auf engere Traubenherkünfte setzt, dürfen hier in der gesamten Toskana gelesene Beeren in die Gärtanks. Die Weichsel-Farbe des 2022ers nimmt zugleich den Geschmack vorweg. Doch eine Fülle an blumigen Aromen schwingen ebenfalls mit. Wicke vielleicht, aber auch Malven, machen einen Rotwein aus, den Briten am Nebentisch als „fragrant“ bezeichnen. Eine leichte Orangen-Note erinnert zusammen mit der Würze im Geruch auch an Timut-Pfeffer.
Der Kostschluck des in großen Fässern (1400 Liter) gelagerten Pèppoli gibt sich sehr sanft und hat etwas Seidiges in seiner Textur. Der Geschmack von roten Früchten, die man zusammen püriert hat, prägt den Mittelteil, ehe die äußerst dezente Gerbstoff-Struktur kurz die Hand erhebt und meint: Ich bin auch da. Allerdings rundet sie den Wein nur ab, denn er soll ein Allrounder sein, der von Frucht und Frische lebt. So erklärt es mein Cicerone Lorenzo Vivoli – und nennt Pasta wie Pizza als mögliche Begleiter: „è molto versatile“!
Als Nummer Zwei in der Wunderwelt von Antinori entkorkt er „Villa Antinori Riserva“ aus dem Jahrgang 2021. Dieser Wein wird gerne als Einstieg in die Welt der teureren Rotweine der Markgrafen gehandelt. Tatsächlich schwingt hier technisch mehr als ein Körnchen Wahrheit mit. Denn dieser Wein reift insgesamt 24 Monate in einer Mischung aus großem Holz und den Barriques, in denen zuvor der legendäre Tiganello lagerte. Die zwei Mal für den Kultwein genutzten Gebinde kommen dann von der Villa Tiganello nach Bargino.
Die aktuelle Version der Riserva zeigt anfangs auch deutlich die Duftnoten der französischen Eiche – Kakao, Dörrzwetschken und auch Nuss ist zu riechen. Doch hier ist Karaffieren angesagt, denn mit der Zeit drängen die roten Frucht-Akkorde in den Vordergrund. Fünf bis zehn Prozent Merlot ergänzen den Sangiovese in dieser Flasche. Das erklärt den satten Brombeer-Akzent, den der Geschmack mitbringt. Dieser Weine hat die Säure als Frischegarant wie der „Péppoli“ neben ihm im Glas, er erinnert mit seinem reichen Fruchtschmelz und der angenehm soften Tanninstruktur aber auch an den Wein, der als nächstes kommt.
Auf den Rotwein aus der historischen Benediktiner-Abtei Badia a Passignano war man immer schon stolz. Die Antinoris haben diese Stätte gepachtet, weil sie auch die Auflage akzeptierten, nichts zu verändern. Das Architektur-Juwel umfasst auch den Klostergarten, aus dem nun die Michelin-besternte „Osteria di Passignano“ das Gemüse für Chefkoch Matteo Lorenzini bezieht. In der historischen Räucherei der Mönche ist heute der Fasskeller dieses Weinguts untergebracht. Abgefüllt wird allerdings nicht in der denkmalgeschützten Abtei. Doch der Rotwein, der ihren Namen trägt, ist im Antinori-Reich ein Vorreiter. Er ist der erste, der eine Gran Selezione mit „Uga“ trägt. Die lässige Abkürzung, bei der man eher an Adriano Celentano in „Bingo Bongo“ denkt denn an Chianti, führt die Region in die Weinzukunft.
Wenn man so will, wurden damit elf Ortsangaben geschaffen, die klarer die Unterschiede – vor allem durch die Höhenlage, Böden und Waldnähe geprägt – im Chianti Classico herausarbeiten. Die „Unità Geografiche Aggiuntive“ darf vorerst nur auf der „Gran Selezione“ geführt werden. Für die Weine der Badia lautet diese Uga „Barberino Tavernelle“, womit man zumindest im Antinori-Keller nicht ganz glücklich ist. Der 2021er Wein, mit voller Titulatur Badia a Passignano Chianti Classico „Gran Selezione“, jedenfalls zeigt seine Klasse im Duft.
Anfangs sind es Dörrpflaumen und Kokosnuss, die einen Anflug oxidativer Noten ins Glas bringen. Doch der Wein braucht Zeit; schließlich liegen gerade erst 30 Monate Reifung im Holz hinter ihm. Mit Luft zeigen sich dann Töne von Wassermelone, Marzipan und Buschröschen. Der Gaumen entscheidet unter diesen beiden Gesichtern des 2021ers eindeutig für die zweite, freundlichere Erscheinungsform. Rund und mit einer ausgeprägten Kirschfrucht, lässt der Badia a Passignano dann auch ein Charakteristikum des Sangiovese schmecken, über das man mehr liest, als es auch zu erkennen. Veilchen sind hier aber eine deutliche Geschmacksnote. Sie gehen dann in ein herbes, aber nicht adstringierend bitteres Finale über. Geschmacklich denkt man an Schwarze oder Johannis-Nuss; die Tannine hingegen sind mehr auf den Zähnen, als auch der Zunge zu merken. Fast spürt man den ungestümen Druck, den dieser aus der Flasche befreite Geist (14,5% vol kräftig) an den Tag legt. Das wäre in feiner Weihnachtswein für den Dezember 2026, den man jetzt einlagern kann. Und dann vielleicht zu Entensugo auf Maccheroni reicht, wie sie das Restaurant Rinuccio 1180 serviert. Es befindet sich am Dach von Antinori nel Chianti Classico – und ist ein weiteres Highlight für die Toskana-Fraktion.
Bezugsquelle:
Marchese Antinori, „Pèppoli“ Chianti Classico DOCG 2022 wird um EUR 15,90 angeboten, der „Villa Antinori“ Chianti Classico DOCG Riserva 2021 um EUR 24, während der Badia a Passignano, Chianti Classico „Gran Selezione“ 2021 EUR kostet 42,57 – alle beim Versandhandel Vinorama, www.vinorama.at