Der Schmäh rennt von Beginn an im Wiener Gasthaus Reznicek. Denn dass mit Martin Nittnaus ausgerechnet einer von der anderen See-Seite, einer aus Gols, als Erster die Vorzüge des Leithagebirges lobt, sieht sogar er selbst mit einem Augenzwinkern. Doch es ist mehr als eine Pointe unter Winzern und Eingeweihten. Das macht kurz danach Gernot Heinrich (am Bild links) klar. „Zwei Drittel meiner Rebflächen sind am Leithaberg, nur mehr ein Drittel in Gols“, rechnet der biodynamische Winzer vor. Es geht um die kühleren Lagen, aber auch die ungewöhnliche Kombination – Schiefer und Kalk in einem Gebiet – der Böden. „Der kalter Wind vom Wald her ist mir sofort aufgefallen“, erinnert sich dann Hans „John“ Nittnaus, der wie Heinrich (er startete 2006 am „anderen Ufer“) ein Pionier des oenologischen Seitenwechsels war.
Wie stets bei den Weingipfeln, die Reznicek-Gastgeber Simon Schubert organisiert, wird sehr in die Tiefe gegangen. In diesem Falle auch wörtlich. Denn die Vorzüge von Kalk und Schiefer sollen erkostet werden. „Es darf generdet werden“, formuliert es Martin Nittnaus trefflich. Dazu gehören auch Premieren und „Projektweine“. Georg Prieler hatte aus Schützener seinen 2023er Weißburgunder aus der Riede Goldberg mit. Ein Fassmuster voll klirrender Mineralik und der typischen Würze des Schiefers, die hier wie Leinsamen-Brot duftet. Es ist der erst zweite Jahrgang dieses Weines. Nur 36 Flaschen gar gibt es von Gernot Heinrichs Chardonnay „Edelgraben“. Er zeigt den Duft brauner Butter und einen leicht salzigen Zug im Finish bei grundsätzlich sehr stoffiger, an Birnen erinnernder Frucht.
Doch die Weißweine von Prieler und Co. waren nur das Warm up – konträr hat man die Flights mit den Blaufränkischen gesetzt. Hier leiten die „Haus-Stile“ des Leithaberg-Trios einmal ein, ehe es an die Jahrgangstiefe in Sachen Kalk/Schiefer geht.
Vor-Premieren und Projektweine: That’s Terroir!
Ein tolles Exemplar eines modernen „BF“ hatte beispielsweise Heinrich am Start: „Into the light“ 2022 ist die Umsetzung des international beliebter werdenden, wohlgemerkt nicht prickelnden „Blanc de Noirs“. Es ist ein bewußt mit kaum Farbextrakion (also so gut wie keinem Schalenkontakt direkt gepresster Blaufränkisch, der nach säurigem Kirsch-Saft, sizilianischer Blutorange, Geißblatt und Kreidestaub riecht. Der sehr kühle Typus hat viel Säure und eine Frische, die manch Weißer gerne aufweisen würde: Etwas Wermutkraut ist zu schmecken, ein stützender Gerbstoff hilft dem Trinkfluss noch. Und final wartet ein Schwung Kräuter, in dem uns vor allem Salbei auffiel. Der Sommer kann kommen!
Bereits gefüllt und vor allem in Wien-9 am Start war glücklicher Weise auch der 2021 von der kalkigen Lage Marienthal. „Kühler Boden und warmes Klima“, wie es Georg Prieler charakterisierte. Die Nase ist wunderschön reintönig – man riecht Cranberry, Weichsel (Blaufränkisch, what else?) und etwas Timut-Pfeffer. Das Mundgefühl erscheint bereits in der Jugend ätherisch und elegant; wie eine Wolke aus roten Früchten legt sich der Rotwein auf die Zunge. Spannend, wo sich diese Finesse hin entwickelt; denn der ultrafeine Gerbstoff ist schon jetzt kaum mehr zu erfassen. Zum Glück blätterten wir in unseren alten Kostnotizen (diesen hier); denn der 2017er „Moaritoi“ ließ sich ähnlich Nebbiolo-artig an. Und das ist ein großes Versprechen für den 2021er, der noch ein wenig Flaschenreife auch bekommt bis zum Verkaufsstart in Schützen/Gebirge.
Interessant im direkten Vergleich war der Jahrgang 2019 des „Ried Marienthal“, der ebenfalls in unsere persönliche Top 5 der verkosteten 24 Weine im Reznicek kam. Wenn auch mit einer deutlich anderen Art. Hier sind es Rote und Schwarze Johannisbeere, die in der ersten Nase auffallen. Carob und ein Anflug von Rauhleder bringen würzige Noten ein, mit Luft wird die Brombeer-Aromatik immer deutlicher. Das ist dunkler Beerenduft, keine Weichsel-Signatur!
Und es geht im Mund in dieser Ton-Art weiter. Die Würze besorgt hier ein frischer Kräuter-Schwall, für uns stark mit Eukalyptus konnotiert. Die Finesse dieser Noten wurzelt tief. Mal denkt man bei Georg Prielers (li. im Bild) Wein an „Hustinetten“, dann wieder an frischen Waldboden. Die Beeren wirken vielleicht auch aufgrund dieser Würzigkeit fruchtsüßer, als es die Analyse-Werte wahrscheinlich sind. Aber das macht viel Spaß! Der Gerbstoff wirkt wie ein Schwarztee-Akkord und hat noch dosierte Kraft. Wenn sich dieser Faktor noch zwei, drei Jahre im Keller abschleift… Aber eigentlich passt es ja. 2017 jetzt trinken, 2021 einlagern und den 2019er mit dazu. So man ihn noch findet.
Der nächste Überflieger kam aus einem ebenfalls großen Jahr. Speziell Schieferlagen profitierten vom Reifeverlauf des Jahrgangs 2015, wie alle drei Winzer bestätigen. Dieser Lagen-Blaufränkisch bekam bei John und Martin Nittnaus (kleinesBild re.) 20 Monate Zeit, auf der Hefe in 500 Liter-Fässern zu reifen. Eine unüblich lange Flaschenreife (zwei Jahre) schloss sich beim „Jungenberg“ 2015 an. Er wurde als Süd-Teil der Riede Tannenberg am Weingut früher auch unter dieser Lagen-Bezeichnung gefüllt. Doch Namen sind bei diesem Joiser Filetstück Schall und Rauch, viel aberwitziger ist die Nase. Es dauerte lange und erst nach der Bestätigung von drei Sommeliers schreiben wir das hier auch hin: Dieser Rotwein riecht exakt wie die Thai-Suppe „Tom Kha Gai“!
Galgant und vor allem Zitronengras bewegen sich freischwebend. Und völlig außerhalb des üblichen Blaufränkisch-Duftbilds. Doch keine Angst! Der packend-intensive Kostschluck bringt dunkelbeerig sofort die Rotwein-Assoziationen zurück. Ein intensiver Gerbstoff des 2015ers weist auf das vermutlich „ewige“ Leben dieses Weines hin. Brombeere und etwas Orangen-Öl sind zu schmecken und allein diese Bandbreite zeigt, dass dieser Wein „den so ganz anderen“ Blaufränkisch darstellt.
Dass es in einer Trilogie der reifen Blaufränkischen dann den ersten „Tannenberg“ (Jahrgang 2007) auch zu kosten gab, freute besonders. Denn er war alterslos, schlank und von kühler und strahlender Sauerkirsch-Frucht geprägt. Aus diesem Flight blieb aber auch Gernot Heinrichs „Alter Berg“ 2011 in Erinnerung. Diesen Wein sollten Bordeaux-Freunde explizit suchen gehen: Viel Würze – Lorbeer, Haselnuss-Schoko – und ein attraktives „Brett“ leiten einen ebenso strahligen wie dunkelfruchtigen Typus ein. Hier spricht eindeutig der Kalk in einer säurigen Lebendigkeit. Oder, in den Worten des Winzers: „Länge statt Breite und Aussagekraft anstelle von Volumen“. Im Match Kalk-Schiefer holte er jedenfalls einen entscheidenden Punkt!
Bezugsquellen:
Weingut Gernot Heinrich, Blaufränkisch „Into the light“ 2022 kostet EUR 19,40 beim Versandhandel Wagner, www.wagners-weinshop.com
Anita & Hans Nittnaus, Blaufränkisch „Jungenberg“ 2015 ist in Restmengen (und sogar in einigen Magnums!) bei Michael Herget um EUR 59,- zu erwerben, www.magnumweine.at
Weingut Prieler, Blaufränkisch „Ried Marienthal“ 2019 wird um EUR 69,- noch im Pub Klemo zum Versand angeboten, https://shop.pubklemo.at
Weingut Prieler, Blaufränkisch „Ried Marienthal“ 2021 gibt es ab Oktober 2024 ab Hof bzw. im E-Laden des Winzers um EUR 62,- zu erwerben, www.prieler.at