Während andere Halloween feiern, beginnt für die Sektwirtschaft am 31. 10. die wichtigste Zeit des Jahres. In der ersten Jahreshälfte tröpfelt es beim Schaumwein nur so, „im letzten Quartal wird 50% des gesamten Sekts konsumiert“, rechnet Benedikt Zacherl vor. Die jährliche Bilanz des Österreichischen Sektkomitees ist immer auch eine Feier kleiner Erfolge. Denn vom 91%-igen Anteil der heimischen Winzer in der Gastronomie ist man noch entfernt. Nur jeder vierte Schaumwein, der hierzulande in Restaurants eingeschenkt wird, ist „made in Austria“. Eine neue Werbelinie unterstreicht nun die Herkunft – „Aus besonderem Grund“ lautet der Slogan zur stilisierten Rebe. Dazu hätte man neben den Cuvées nach französischem Vorbild längst auch heimische Sorten – vielfach sogar solo – im prickelnden Talon. Die gibt es in versekter Form eben nur bei uns.
„Wir wollen ein Original schaffen“, ließ Frank Schindler etwa seine Kostprobe eines reinsortigen Blaufränkisch-Schaumweins kreisen. Der Leiter des Weinguts Esterházy brachte mit der Großen Reserve (= mind. drei Jahre Hefelagerung) einen ausdrucksstraken Sekt der obersten Klasse mit. Als „Blanc de Noirs“ vinifiziert, stammt der ohne Dosage gefüllte Neuling aus der Ried Herrschaftsbreite. Ein Lagen-Schaumwein aus nur einer Rotwein-Sorte also. Und: Warum nicht? Denn der Duft allein zeigt schon Komplexität, die über Birne und Zitrusnoten hinausgeht. Etwas Rauch, Gewürznelke auch und vor allem Gewürzpaprika, der die Rotweinsorte ahnen lässt, stehen bei diesem 2019er Sekt zu Buche.
„Große Reserve“ vom Blaufränkisch – warum nicht?
Schindlers Experiment war aber nur ein Puzzleteil zum Lernpunkt des diesjährigen „Tag des Sekts“. Denn die roten Rebsorten punkteten deutlich. Auch wenn sie „weiß“ vinifiziert wurden wie in Trausdorf/Wulka. Oder auch in Wien. Von dort stammt Fritz Wieningers großartiger „Blanc de Noirs“. Auch er stellt eine „Große Reserve“ gemäß der Sekt-Qualitätspyramide dar; als Jahrgang 2017 war er aber auch der älteste servierte Schaumwein. Mit nur 1,5 Gramm Restzucker, ergo: Brut Nature, brachte er nach 4,5 Jahren auf der Hefe dennoch vor allem reife und satte Duftnoten mit: Ananas, Sesam und dunkler Rauch, bei dem man bisweilen an die von Milch gedämpft Röstigkeit eines Mokkas denkt.
Am Gaumen findet sich die dunkle und cremige Art bei diesem Wieninger-Sekt wieder, hier paart sich Reife mit einem trockenen, aber nie trocknenden Charakter. Die Frucht etwa erinnert an Himbeerstaub, also gemahlene Trockenfrüchte, dazu liefert die Säure einen sanften Begleiter. Feine Bittertöne ergeben einen insgesamt sehr weinigen Typ Schaumwein, der locker statt eines Rotweins serviert werden könnte. Vielleicht lag es an der Saison, aber wir deklinierten gleich einmal die möglichen Trüffelgerichte durch – und landeten beim Risotto mit der Edelknolle. Denn hier stört kein Gerbstoff, dafür lässt die verbliebene Frische den Gaumen wieder fit werden für die nächste Gabel des satt-schlotzigen Reis-Trüffel-Gemischs.
Mit dem expliziten Rosé-Flight der Verkostung hatte man die gesamte Bandbreite an „rosa“ vinifizierten Rotweintrauben im Glas. „Terrassen-Sekt“ etwa nannte Peter Szigeti seinen Beitrag zu diesem Trio. Der „Rosé de Noirs“ stellte einen leistbaren, aber sehr wertigen Schaumwein ohne Jahrgangsangabe dar. Die Säure war mit nur sechs Gramm recht niedrig, der Mix aus 60% Blaufränkisch und 40% Zweigelt erwies sich ebenfalls als gute Wahl. Üppig und floral duftete dieser Burgenländer nach Pfingstrosen und Wassermelonen-Fruchtfleisch. Man darf dahinter beide Sorten mit ihren Charakteristika vermuten, aber auch die acht Gramm Dosage, die in der Nase präsenter „erblühen“ als dann im Mund.
Denn hier kommt eine feine Säure, die wir dem Blaufränkisch zuschrieben, zur Geltung. Auch insgesamt wirkt dieser Rosé recht kühl, was auch der Kohlensäure geschuldet ist. Sie verbleibt relativ druckvoll bis in den Abgang erhalten und beflügelt die fruchtige Seite, die Himbeeren und erneut Melonen-Stückchen zu bilden scheinen. Graphit und sogar etwas Kümmel bringen eine Würze eine, die dem „Rosé de Noirs“ bestens stehen. Der Auftakt in diesen Flight glückte mit dem rosaroten Szigeti allemal – und die Steigerung sollte dann erneut bestätigen, dass Pinot Noir einfach herrlich „versektbar“ ist.
Einen gewissen Vorteil hat Michael Malat auf seiner Seite, wenn es um Schaumwein – auch solchen aus roten Trauben – geht. „1976 hat mein Vater den ersten heimischen Winzersekt gefüllt“. Wer alt genug ist, sich zu erinnern, weiß um die Widrigkeiten, die man Gerald Malat damals entgegenstanden. Da könnte ja jeder kommen! Doch das Zusammenspiel zwischen den Sektkellereien und den Winzern mit prickelnder „Nebenbeschäftigung“ hat sich zum Glück entspannt. Malat jun. sitzt heute Seite an Seite mit „Schlumberger“-Manager Benedikt Zacherl im heimischen Sektkomitee. Und gemeinsam ärgern sie sich über zu wenig Budget für die Sektwirtschaft: „Der Marktanteil von „Sekt Austria“ in Österreich durchaus hat noch Potential“, so Malat.
Das versteht man mit seinem „Brut Rosé 2018“ im Glas durchaus. An die Frucht-Varianten aus dem P.E.Z.-Zuckerl-Spender erinnern die deutlichen Pinot Noir-Aromen seines Sekts: Kirsche und vor allem Himbeere ist zu riechen, erst dahinter entdeckt man auch grüne Haselnüsse als Schnittmenge aus nussig-röstigen und säurig-herbalen Tönen. Richtig fein wird diese 2018er Reserve am Gaumen, wenn sich Druck und Eleganz in Form von säurigen Fizzers, klarer Beerenfrucht und einem cremigen Akzent aus der Nuss-Fraktion (diesmal: Macadamia) entfalten. Der Zug dieses Rosé-Sekts ist beachtlich und er bleibt vor allem niemals eindimensional. Im Finish wird aus dem cremig-nussigen Geschmack dann ein kühler, zart getreidiger Eindruck, der an Rice Crispies erinnert. Und man trinkt sofort nach, um diese Metamorphose der Himbeeren erneut zu erleben. In diesem Fall stimmt der neue Claim von Sekt Austria nicht ganz. Für Malats 2018er braucht es keineswegs den „besonderen Grund“. Er schmeckt immer und überall.
Bezugsquellen:
Sektkellerei Szigeti, „Rosé de Rouges“ Brut ist um EUR 12,90 online bei der Kellerei zu bestellen, www.szigeti.at
Weingut Wieninger, „Blanc de Noirs“ 2017 ist um EUR 28 am Weingut bzw. im Webshop erhältlich, www.wieninger.at
Malat Weingut und Hotel, Brut Rosé 2018 kostet EUR 35,50 ab Hof bzw. im Webshop der Sektpioniere, www.malat.at