What a party! Mit knapp 400 Gästen feierten Simon Staffler, Othmar Kiem und Wolfgang Rosam die erste Ausgabe des Falstaff Italia. In den Werkstätten der Mailänder Scala erklang Mozarts Duett „Là ci darem la mano“, ehe das Trio alias „I Soci“ – die Gesellschafter – des neuen Genussmagazins zu Tisch baten. Den deckten drei „Dreisterner“, wobei gleich der erste Gang faszinierte. Wie ins Meer tauchte man durch eine leichten Kartoffelcreme immer tiefer in die maritimen Aromen eines butterweich geschmorten Tintenfischragouts ein. Der „Cappuccino di Seppia al nero“ von Massimiliano Alajmo färbte sich zudem immer dunkler, je mehr man davon gegessen hatte – denn auch die Sepia-Tinte hatte der Spitzenkoch aus Padua mitverarbeitet. Dieses Gericht setzte auch den Ton für die Weine, die ihren Tiefgang ähnlich langsam preisgaben. Wir nahmen uns dafür extra Zeit. Denn auch die Rotweine im Padiglione Visconti, die auf deutsche und österreichische Rieslinge sowie Lucas Pichlers Veltliner „Burgstall“ folgten, waren erstklassig.
Mit Freuden sahen wir auch, dass die Sommelier-Brigade beim Servieren die silbernen Tastevins um den Hals trugen – ein festlicher Gruß, der dem Anlass Funkeln verlieh. Oder, wie man in der Landessprache eher sagen würde: grandezza. Der jüngste Wein war dabei der älteste. Ins Glas kam nämlich der Ahnherr alle „Supertuscans“, den Marchese Incisa della Rocchetta 1968 aus der Taufe hob. „Sassicaia“ hat bis heute einen mythischen Namen, auch wenn so mancher Österreicher einen „Sassis-caia“ daraus macht. In Italien weiß man ihn nicht nur korrekt auszusprechen, sondern auch zu schätzen. Denn mittlerweile hat dieser Genie-Streich als einziger Wein seine eigene DOC-Appellation („Bolgheri DOC Sassicaia“) bekommen. Der Jahrgang lässt fast reflex-haft zum Wort „Kindsmord“ greifen, doch damit vergisst man zweierlei: Erstens folgt man in der gesamten Toscana dem Trend, die großen Rotweine früher zugänglich zu machen. Denn nur so kann man sie an junge und außereuropäische Kunden verkaufen. Das Konzept „Frühestens in 15 Jahren öffnen“ ist für die digitale aufgewachsene Klientel schlicht „inkompatibel“.
Zweitens hält man in der Tenuta San Guido den Fasseinsatz in einer fast magischen Art gering. Leichtes Toasting findet man selten in der Rotweinwelt, auch der Blend aus drei Eichen ist über die Jahrzehnte ausgeklügelt worden. Wörtlich steht in unserem Trinkprotokoll: „Wie schafft man es, Tannin in so kurzer Zeit wegzuzaubern“? Die Würze des Blend aus Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc hat etwas fast Waldiges. Moosgummi und Preiselbeere steigen in die Nase, tiefgründig und zart herb ist auch das Sortenaroma der Familie „Cab“ zu spüren. Wie reifer (!) Roter Paprika legt sich der Duft über die Beerentöne. Die grandiose Frische am Gaumen strahlt dann deshalb so, weil eben kein Gerbstoff zu schmecken ist. Dafür sorgte eine markante Säure für Trinkfluss, den man einem solchen Monument – schon gar nicht in der frühen Form seines Wein-Lebens – nicht zugetraut hätte. Natürlich sollte man warten, bis derlei Jugendlichkeit sich abgeschliffen hat. Aber gerade diesen Zauber kann auch ein „Sassicaia“ nur in der Jugend zeigen.
Die Wahl des zweiten und nicht minder berühmten Rotweins, „Tiganello“ 2019 von Marchesi Antinori, zeigte dann, wie ein wenig Reife mehr den jugendlichen Charakter des Cabernet mit dem Tiefgang verbindet. Wie ein Stück alter Borke aus dem Wald duftet dieser Wein. Dahinter aber liefert er eine Studie in Rot, die sich den 80% Sangiovese verdankt: „Fabbri“-Kirschen und Erdbeeren zugleich vermeint man zu riechen. Verführerisch, aber nicht aufdringlich oder süß, sind diese Eindrücke, die als dunklere Note eine Hauszwetschke garniert.
Es ist kein Dörrobst-Duft, so weit sind wir bei dieser Metamorphose des jungen Cuveés noch nicht. Aber am Gaumen sind die Waldbeeren reifer, die Säure geringer. Man denkt an Cranberry und Brombeere. Das dunkle Element prägt vor allem das packende Finale. Man könnte sagen, dieser Wein reift gerade vom Ende her: Der Abgang selbst wirkt kompakter und dichter als der Auftakt. Wobei gewiss ist, dass bei diesem herrlichen Jahrgang der Rest folgen wird.
Quasi als Kontrastprogramm stand auch ein Piemont-Wein in dieser Trias. Auch er hat einen Namen wie Donnerhall. Pio Cesare ist ein Garant für einen puristischen Nebbiolo, was der Jahrgang 2020 des Barolo „Ornato“ unterstrich. 1985 begann man mit diesem Einzellagen-Rotwein aus Serralunga d’Alba. Und er war es auch, der die Käsesauce zu den Tortellini von Michelin-Star Massimo Bottura am besten begleitete. Die Würze des drei Jahre alten Grana in flüssiger Form zu begleiten, schafft der Wein mit dem Pinot Noir-ähnlichen Hellrot im Glas locker. Schon der Geruch wies in eine Umami-Richtung: Steinpilz, dazu getrocknete Himbeere und eine ganzer Hain mit rot blühenden Pflanzen (Hibiskus, Essigbaum) sorgten für ein attraktives Erscheinungsbild.
Bei diesem Barolo ging es um die Textur, keine beschreibenden Nuancen des Geschmacks. Seit reines Strömen, die taktile Qualität, leicht und doch nachdrücklich, faszinierte. Erst danach folgten Gedanken zu dem feinen Spiel aus Gewürzen wie Sternanis und einer Saftigkeit, die zugleich säurig und fruchtig schmeckte wie ein ideale Orange ohne weißen Zwischenraum. Auch das florale Element war im Nachklang erneut zu spüren. Es unterstrich einen wirklich eleganten Wein. Wer sich oft wundert, was wir Weinschreiber damit meinen: Bei diesem Pio Cesare versteht man es. Die feine Klinge ist da, der seidige Touch am Gaumen auch – und doch ganz im Sinne der alten Barolo-Schule auch der Druck. Denn die 14,5% vol. vom Etikett müssen ja irgendwo doch zu spüren sein. Wobei auch dieser Wein ohne „Bitte warten!“-Schild auskommt. Das hat man vielleicht früher gesagt. Und auch damit passt dieser Wein bestens zum Neubeginn, den die erste Magazinausgabe in Milano markierte.
Bezugsquellen:
Tenuta San Guido, „Sassicaia“ 2021 kostet EUR 349,- beim Weinversand Vinorama, www.vinorama.at
Marchesi Antinori, „Tiganello“ 2019 ist um EUR 198,- noch im Webshop von Stefan Potzinger erhältlich, www.potzinger.at
Pio Cesare, Barolo „Ornato“ 2020 wird um EUR 122,- bei Millesima angeboten, www.millesima.at