Viktorianisches Interieur sieht man eher selten im Whiskybusiness; die Brennblase auf der Insel Islay aber gibt es seit 1881. Damals errichteten die Brüder Harvey ihre Bruichladdich-Destillerie. Doch nicht nur das Alter macht sie zum Wallfahrtsort (amüsant nachzulesen im Krimi „Smokeheads“ von Doug Johnstone), auch der Einsatz von Torf hat der immer wieder still gelegten Destillerie in „The Rhinns“ einen weltweiten Ruf unter Whiskyfreunden verschafft. Der in Parts per Million (ppm) angegebene Torfgehalt macht den hier erzeugten „Octomore“ zum weltweit stärkst getorften Whisky.
Dabei war der Betrieb längst eingestellt und auch Torf war für die „Laddies“ kein Thema. Nach den Besitzerwechseln mittlerweile zur Rémy Martin-Gruppe gehörig, hat man erst einmal auf reine Bio-Gerste umgestellt, ein Teil davon stammt von Islay selbst. Die wichtigere Innovation war aber das Erweitern der Bruichladdich-Familie um getorften Whisky. Denn ausgerechnet der heutige Rekordhalter in Sachen Torfverwendung für das Darren (also die Trocknung der gekeimten Gerste) verwendete klassischer Weise Feuer ohne Torfrauch. Dass der Einzelwert – für Chemiker und andere Gaschromatographen-Besitzer: gemessen wird der Phenol-Gehalt – wenig über das subjektive Empfinden von „rauchig“ aussagt, zeigt die Verkostung der beiden getorften Whiskies des Hauses.
Dazu sollte man wissen, dass die als besonders rauchig geschätzten Whiskies von Lagavulin oder Laphroaig ungefähr 40ppm aufweisen, womit sie mit dem „Port Charlotte“ von Bruichladdich gut mithalten. Jim Mc Ewan legt mit den nun auf den Markt gekommenen 6.000 Flaschen einen 10-jährigen (PC 10 ziert die Flasche daher) Whisky mit ausgeprägtem Geruch nach Rindenmulch, gerösteter Lachshaut und um es österreichisch zu beschreiben: Geselchtem vor. Auch am Gaumen dauert es nicht lang, bis der Rauch, diesmal in Form von geräucherten Mandeln und etwas nassem Aschenbecher, die zarteren Töne überlagert. Als da wären: salziges Karamell, Kletzenbirne und Schokokeks. Im Finish finden die beiden Aromen-Stränge aber zusammen und ergeben einen schier endlosen Abgang. Nicht zuletzt aufgrund der Fassstärke von 59,8 Volumsprozenten Alkohol macht ihn das zu einem fordernden und polarisierenden Whisky für Kenner.
Beim Alkohol ist der sehr stark getorfte „Octomore“ mit 57% zwar etwas milder, beim Torf reden wir hingegen von einzigartigen 167 ppm, die die sechste Abfüllung aufweist. Die an alles andere als Whisky erinnernde Aufmachung im taillierten schwarzen Anzug signalisiert dieses „Anderssein“ auch deutlich. Dabei wirken die Jod-Note und der Rauchgeruch weit milder als beim „Port Charlotte“, zumal sich Spuren von gerösteten Haselnüssen und weissem Pfeffer dazwischen mengen. Erst am Gaumen schlägt der „Octomore“ zu und lässt auf die erste Seetang-Welle Schärfe, Rauch und etwas Pumpernickel folgen. Die alte Streitfrage, ob man den Whisky mit Wasser „zähmen“ darf (to tame the dram sagt der Schotte), ist in diesem Fall eindeutig mit JA zu beantworten. Mit wenigen Tropfen Wasser blüht der „Octomore“ auf; was ihm an Schärfe verloren geht, gewinnt er an Aromatik. „Too much“ stand auf der ersten Kostnotiz, mit Luft und etwas Wasser kommt auch die Subtilität ins Glas.
Dennoch: harmonischer, wenn auch deutlich rauchiger, wirkt der mit einem Viertel der ppm-Menge versehene „Port Charlotte“. Aber dafür hat der „Octomore“ vermutlich das weitaus längere Leben vor sich.
Bezugsquelle: Bruichladdich, „Port Charlotte PC 10“ ist um EUR 60, der „Octomore/6_167“ um EUR 129 bei Del Fabro erhältlich, www.delfabro.at