Der Sprung kam zur rechten Zeit: Bevor es auch Merrill Lynch mit der Bankenkrise zu tun bekam, stieg Jamie Kutch 2005 als Trader aus. Statt dessen begab sich der Burgunder-Fan nach Kalifornien, nutzte sein Dealmaker-Geschick für Reben statt Bonds und war plötzlich Weinmacher. Statt in Napa legte der Neo-Winzer sein Geld aber im alten Weinland Sonoma an und ließ neben dem Chardonnay auch einige Burgunder (die Einzellage Falstaff (sic!) wäre das Filetstück) keltern.
Hans Martin Gesellmann, der den Pinot Noir „Sonoma Coast“ als einen seiner Lieblinge in einer Probe am Naschmarkt vorstellte, kennt die Anfänge des Quereinsteigers gut: „Begonnen hat er mit fetten Weinen und 16% Alkohol, heute halten wir bei 12,5%“. Soviel zur Lernkurve der US-Winzer, die nur hierzulande viel zu wenig wahrgenommen wird. Denn bei allem Preis-Wahnsinn, den etliche der Kalifornier hinlegen – und hinlegen können angesichts der Inlandsnachfrage!, kommt bei den ganz Guten auch eine außerordentliche Qualität auf die Flasche. Gehört der knapp-50-Euro-Pinot von Kutch dazu?
Nun, der 2014er beginnt einmal mit einer säurigen roten Frucht-Nase, die neben den sortentypischen Himbeeren auch deutlich an Hagebutte erinnert. Auffällig allerdings ist auch die zweite, die kräutrige Seite: Lorbeer, seiner getrockneten Strenge beraubt, vor allem aber auch Lavendel kommt hier im Duft durch.
Die Beerenfrucht sorgt auch am Gaumen für ein rasches Burgunder-Erkennen, doch auch hier geht der „Kutch“ die Extra-Meile und liefert Graphit und eine Menge grünen Pfeffer mit. Vor allem im Abgang bleibt von der fast schon an junge Brombeeren anstreifenden Frucht kaum etwas über, dafür sorgt die Würze dafür, dass sich hier viele Eindrücke abwechseln. Es ist ein moderner Pinot Noir, der aber nicht über die Opulenz der Sorte ihre Finesse austreibt, sondern ein wenig an allen Schrauben dreht. Die Frische ist da, die Frucht ein bisserl ausgeprägter als in der Alten Welt, aber dafür hat man auch keine Angst vor helfenden grün-würzigen Noten.
Kutch-ig statt kitschig, könnte man angesichts dieses Pinots kalauern.
Dritt-Wein wie im Bordelais, aber „made in Napa“
Wir bleiben in Kalifornien. Die nächste Flasche stammt aus Napa, genauer dem schönen Ort Yountville, wo Christian Moueix in der vom weltberühmten Architekten-Duo Herzog/de Meuron gestalteten Winery seine Version eines US-Bordeaux‘ umsetzt. Der langjährige Manager von Château Pétrus (und heute u. a. immer noch letztverantwortlich auf den Bordeaux-Châteaux Trotanoy und Hosanna) ist mittlerweile alleiniger Eigentümer von Dominus Estate. Der dritte Wein neben dem hochgelobten und teuren Dominus und dem Zweit-Wein Napanook bringt einen über 90%-igen Anteil Cabernet Sauvignon mit Spurenelementen von Petit Verdot und Cabernet Franc zusammen.
Der „Othello“ – wie der kalifornische „Einsteigerwein“ heißt – riecht nach einer ganzen Ladung Cranberry, dazu kommen dunkle Fruchtnoten von schwarzen Kirschen, Brombeeren und Heidelbeeren. Bereits im Duft flirren aber auch die Kräuter durch die Luft, als wäre ein Sackerl mit „Herbes de Provence“ geplatzt. Schwarzfruchtig ist auch der erste Schluck Othello, die intensive Beerenaromatik kratzt schon fast an der herben Intensität eines Espressos.
Mit 14,5% Alkohol besitzt diese Napa-Cuvée auch ordentlich Stoffigkeit, der Cabernet aber bringt genau das ein, was ihn auszeichnet, wenn er schön reif wird (in Österreich selten genug): Grüne Kräuter wie frisch vom Balkon, wir sagen einmal: Thymian und Petersilie, dazu die nicht unproblematische Grüne Paprika-Note. Zwischen der Penetranz dieses Pyrazin-Tons und der würzigen Blättrigkeit gibt es wenig Nuancen – aber hier hat man den Ton exakt getroffen. Den frischen nämlich, der dem so kräftig und fruchtsatten Wein ein langes Finish voller Frische beschert.
Burgund können die Amis also offenbar, Bordeaux auch. Soll man sagen, das einige der besten Franzosen aus den USA zu kommen scheinen? Oder ist das jetzt nur ein neues Vorurteil…?
Bezugsquellen:
Kutch Wines, Pinot Noir “Sonoma Coast” 2014 ist um EUR 49,58 erhältlich;
Dominus Estate, „Othello“ 2012 ist um EUR 45,99erhältlich, beide bei Wein & Co.; www.weinco.at