Ein Land, ein Stil. So lautet normalerweise das Lateinamerikanische Brenngesetz in Sachen Rum. Dort, wo die Franzosen imperalistisch agierten, gibt es Rhum Agricole aus der Alembic-Brennblase, die Briten ließen einfach die schottische Pot Still auch in der Karibik befeuern. Und bei den ehedem spanischen Besitzungen hat die Kolonnen-Destillation samt nachfolgender Solera-Alterung ihre Heimat. So weit, so technisch, so (zumeist) wurscht für den reinen Rum-Genießer. In La Miel allerdings, der seit 1958 aktiven venezolanischen Großdestillerie, hatte man immer schon drei Verfahren im Einsatz.
Der Hintergrund – vor allem für die in der Rum-Welt unbekannte Batch Kettle-Destillation – liegt in den früheren Eigentümerverhältnissen. Der längst selbst filetierte kanadische Seagram-Konzern wollte am Whisky-Boom der 1950er mitnaschen. So sollte in seinem Outlet in Venezuela eben auch Whisky gebrannt werden. Die Anlage dafür kam aus Kanada, wo der Batch Kettle für Rye Whisky im Einsatz stand. Doch die Karibik-Anwohner hielten sich lieber an schottischen Whisky, die Brennblase aber blieb im Einsatz, weiß Gilberto Briceño, Master Blender, zu erzählen.
Diplomaticos Rums sind ein Blend aus allen drei Verfahren. Geht es um schwereren Rum, kommt mehr aus der Pot Still dazu, will man leichte Destillate, dann hat die Kolonne ihren Einsatz. So weit, so gut, dem Konsumenten kann derleit eher gleich sein. Wenn nicht plötzlich die „Distillery Collection“ auf dem Markt wäre – und die stellt genau die Unterschiede der Destillationsverfahren in den Mittelpunkt.
Die „Barbet Column Still” unterscheidet sich von der normalen Kolonnen-Destillerie durch den Abstand der Platten, an denen das Destillat kondensiert. Das Ergebnis interessiert vermutlich mehr als die Technik – hier entstehen schwerere Brände, die Süße, Vanille und zart milchige Noten mitbringen. Der „No. 2“ aus der Distillery Collection bestätigt diese theoretische Abhandlung in Sachen Brenngeräte schon im Duft: Haselnuss-Creme (Gianduja), aber auch Vanille, Piment und eine an Ovomaltine erinnernde Intensität zeichnen den 47%-igen Rum aus.
Am Gaumen gesellen sich zu der Milchschoko-Karamell-Mischung auch fruchtige Noten. Wir notierten Bratapfel, die herausragende Note des süß-intensiven Diplomático ist aber Kirsche. Im Finish wird es erwartungsgemäß würziger, aber insgesamt erkennt man hier die sanfte Art wieder, die auch den achtjährigen Rum aus dem venezolanischen Haus auszeichnet.
Dass die neue „No. 1“ als zweites an die Reihe kommt, liegt daran, dass sie einen ganz anderen Rum-Stil erzeugt, der diesen Neuzugang auch für Leute interessant macht, die es normaler Weise nicht so mit dem Zuckerrohr-Brand haben. Denn das Destillat aus dem „Batch Kettle” ist leichter als reiner Kolonnen-Brand, bringt aber auch florale Noten mit. Bemerkenswert ist aber die für einen Rum recht trockene Art.
Flüssige Butter und Ananas sind die Duftnoten des gefüllten Brands. Im ungelagerten Destillat – das parallel zu kosten war – findet sich eine noch exotischere Frucht-Note, die Señor Briceño als “tutti frutti” bezeichnet. Sie erinnert tatsächlich an Weingummi, Marke „Haribo“. Bemerkenswerter am „No.1“ sind aber seine Kräuternoten. Wann hat man schon Thymian (sic!) in einer Rum-Kostnotiz? Sanft und würzig legt sich der Batch Kettle-Rum auf den Gaumen: Das ist eine feine Klinge, die bei 47% Alkohol (in diesem Punkt gleicht sich das Distillery Collection-Duo) geführt wird!
Tatsächlich erinnert das Geschmacksprofil – leicht, schokoladig und mit deutlicher „hard spice“-Würze von Zimt und Co. – an einen kanadischen Rye Whiskey: Zarte Ananas-Noten sorgen für Frische, üppige Frucht bietet dieser Rum aber keine, dafür ein fast ätherisches Finish mit zart holzigem Nachklang. Ein eigenständiger Rum, der auch notorischen Whisky-Trinkern gefallen wird. Wer süße Früchte sucht, weiß jetzt: Im „Batch Kettle“ findest Du sie nicht!
Bezugsquelle:
Diplomatico, Distillery Collection „No. 1“ (Batch Kettle) ist wie „No. 2“ (Barbet Column) um EUR 80,60 im Vinorama-Webshop erhältlich, www.vinorama.at