„Peter kocht, Robin serviert“ – so simpel ist die Idee des Restaurant-Pop ups in der Wiener Praterstraße. Dass man in einer Bankfiliale bekocht wird, ist originell, dass Peter Neurath die drei Induktionsplatten anwirft, macht Gourmets hellhörig. Lange war er die kulinarische Seele des „Tancredi“. Nun lässt er es locker angehen und da kamen vier Weingüter gerade recht, die ebenfalls neue Wege beschreiten. Das merkte man schon daran, dass es gar nicht so leicht ist, die „Wine Embassy“ zu definieren. Mastermind Günther Neukamp, der mit Sommelière Natascha Quester die Idee entwickelt hat, entschied sich für „Verkaufsverbund“.
Das klingt technischer, als es der Zusammenschluss des Quartetts ist. Für Meisterkoch Neurath etwa war der Vorteil gleich evident: „Die Vier zusammen ergeben eine perfekte Weinkarte“. In der Terroir-Kollektion kommen sich die Weine aus dem Rotwein-lastigen Seewinkel nicht mit den filigranen Weißweinen aus der Wachau ins Gehege. Und was Heinrich Hartl in der Thermenregion an Rotgipfler und Burgundern keltert, hat wenig mit den Power-Weißweinen Fritz Rieders aus dem Weinviertel zu tun. Mehr noch: Unter Headlines wie „Klassisch elegante Weißweine“ oder „Alternativweine“ werden auch die Meta-Rubriken von den vier Häusern gut besetzt.
Zumal auch die Besonderheiten an diesem Auftaktabend als „Wine Embassy“ in Wien (auf internationalen Messen reüssierte man bereits als Vierer-Takter) nicht zu kurz kamen. Die „Alten Reben“ vom Weinrieder etwa zeigten einen Veltliner abseits aller Erwartungen. 70 Jahre alte Anlagen und die höhere Gärtemperatur (ein Geheimnis, das uns der Winzer flüsterte) machen den Unterschied. So erinnerte dieser „GV“ mit seinem Himbeer-Duft an die rote Ader eines „Paiper“-Eises! Die intensive und strahlende Frucht bog den Duft in eine Richtung, die mit Rosenblättern und Lychee keineswegs an einen klassischen Weinviertler erinnerte. Einfach verführerisch!
Wobei der Gaumen eine zurückgenommenere Frucht zu schmecken bekam. Hier fiel neben der leichten Extraktsüße vor allem das Mundgefühl auf. Es erinnert mit seinem Schmelz an eine Pfirsich-Sorbet. Diese breit strömender Art machte einen Genuss aus, den man in einer Blindprobe wohl schwerlich richtig verortet hätte. Es ist eine weitere Bestätigung für die Klasse der weißen „Weinrieders“ – zum Glück verteilte Fritz Rieder auch gleich die Einladungen zu seiner Jahrgangspräsentation (hier ist eine frühere nachzulesen). Doch wir werden auch beim Dessert noch auf ihn zurückkommen.
Der zweite Weißwein-Spezialist, ebenfalls in Sachen Grüner Veltliner versiert, stellte für uns eine neue Bekanntschaft dar. Sympathisch und smart, erwiest sich der jüngste Winzer in der Runde, Simon Gattinger aus Unterloiben, auch für die Kollegen aus Weinviertel, Thermenregion und dem Seewinkel als Glücksfall. Nicht nur, weil er firm im Marketing ist und aktuell gerade ein neues Logo für das Kollektiv erstellt. Sondern, weil damit auch die Wachau im Boot ist und mehr Terroir geht ja kaum! Wobei Gattinger das mit der Wachau insofern relativiert, als er für einen neuen Stil steht. Botrytis und Honig-Töne sind nicht seines. „Grosser Wein ist keine Frage des Alkohols“, sagt der 26-jährige Winzer, der den Weinbau der Familie 2017 wiederbelebt hat, sogar öfter.
Entsprechend gern zeigt er die Federspiele seines wachsenden Weinguts in Loiben her. Den Anspruch auf Frische unterstreicht aber auch der Smaragd, der in der Praterstraße eingeschenkt wird. Ried Loibenberg 2021 zeigt wenig klassische Riesling-Frucht. Die hellfruchtigen Duftnoten erinnern an Sternfrucht (Karambole), Weiße Trauben, Grapefruit und erst dann an weißfleischigen Pfirsich. „Bis Juni liegt er bei mir auf der Feinhefe“, verspricht sich Simon Gattinger davon mehr Charakter.
In der Tat ist es ein spürbar lebendiger Wein geworden, der straff durch seine Säure ist, aber auch mit viel Trinkanimo ausgestattet wurde. Etwas Mango, aber auch hier die frische Variante in Grün, nimmt den Platz von plakativen Steinobst ein. Die alten Riesling-Rebanlagen verstärken die karge, aber druckvolle Art noch – wie eine Marshall-Box aus Urgestein. Und das passte bestens zu Peter Neuraths Fischgang!
Dass sich drei von uns seit Jahren geschätzte Winzer in diesem „Handelsverbund“ zusammenschlossen, machte das Happening in Wien-2 noch einmal spannender. Denn viele Weine waren alte Bekannte. Und doch: Wieder einmal entschieden Atmosphäre und die verhaltene oder „singende“ Flasche über die Eindrücke.
Unserer Lieblingswein von Heinrich Hartl war bei diesem Line up glücklicherweise am Start – zuletzt lobten wir den „Graf Weingartl“ ja hier aus. Der Jahrgang 2021 zeigte seine Klasse mit einem außergewöhnlich würzigen Pinot Noir-Duft an. Vor allem war dieser Wein auch sofort „da“ – und geizte nicht mit Grünkaffee, Lorbeer und Rauchpaprika (ein spezielles Fass in der subtilen Komposition liefert diesen Akzent alljährlich). Diese Noten würzten einen saftigen Beeren-Fluss. Doch für eine Überraschung sorgte dann der „Rotwein für Weißweintrinker“, wie ihn Marie-Sophie Hartl ankündigte.
Der St. Laurent mit seinen sanften 12,5% vol. duftet anfangs ruppig, wie es sich für einen Burgunder gehört. Dem ersten „Stinkerl“ folgt eine Brombeer-Duftnote mit säuriger Untermalung, ehe die Kräuter zuschlagen. Estragon und Lorbeer fallen am stärksten auf. Im Mund ist die Saftigkeit von Heidelbeere und Brombeere bei Hartls 2021er auch nicht alleine. Herbe Noten von Schlehe und Weichsel spannen den Frucht-Bogen straff, während es erneut eine Dosis Kräuter im eleganten Nachhall gibt. Der Witz an diesem Rotwein aus der Riede Kräutergarten in Oberwaltersdorf ist, dass der Wein diese würzigen Aromageber auch zeigt. Denn eigentlich war der „Kräuter-“ einst ein „Kraut-Garten“. Doch der 2022er bestätigt die „feinere“ Namensgebung vollends.
Von Neukamp&Stadler kamen ebenfalls würzige Rotweine, nicht von ungefähr sorgte Cabernet Franc für den schnellen Ruhm des Boutique-Weinguts (hier schon mal von uns beschrieben). Und die Sorte spielt auch eine Rolle in der Cuvée der Halbturner. „Nestor“ wurde bislang aber meist in seiner Jugend verkostet – was bei einem seit fünf Jahren existierenden Projekt auch schwerlich anders geht. Nun aber stand auch Flaschenreife auf der Haben-Seite, so Günther Neukamp (rechts am Bild). Und ja, das brachte es auch wirklich!
Mit einer fast „staubigen“ Würzigkeit wartet diese Cuvée zu Beginn auf. Der fein zerstäubte Langpfeffer kommt eher an die Nase, als sich die satte Brombeer-Frucht des Merlots räkeln kann. Vom Cabernet Franc weht ein Odeur säurige Johannisbeere aus dem Glas, während ein Hauch „Sportgummi“ daran erinnert, dass auch 10% Syrah den „Nestor“ ausmachen. Das ist schon im Duft recht komplex, aber der Gaumen hält mit, wenn auch etwas anders als erwartet. Denn von einem kühlen Fundament aus – wir assoziierten Rote Rübe, frisch gehachelt – entwickelt sich ab dem mittleren Gaumen eine Saftigkeit, die in dosierten Übergängen zu Kräuter-Nuancen wechselt. Bohnenkraut ergänzt dann die Beerenfrucht, die Rudimente jugendlicher Säure beflügeln den 2019er zusätzlich. Vielleicht in der bislang besten Form, seit wir diesen Wein des jungen Halbturner „Joint ventures“ der Familien Stadler und Neukamp kennen.
Herausragend war dann auch der Süßwein zur Schoko-Tarte Neuraths, der von Weinrieders „Sweet March“ begleitet wurde. Diese Trockenbeerenauslese eines Veltliners verdankt ihren Namen dem Lesezeitpunkt – am 10. März wurden die wenigen Beeren erst geerntet. Das Ergebnis stand mit seinen fast pikanten Himbeer-Akkorden dem intensiven Dessert nicht nach. Vor allem die im Hintergrund zu spürende Säure der nach Rotem Apfel und Papaya schmeckenden Süßwein-Rarität begeisterte zum Abschluss. Intensität hatte er sowieso. Ganz getreu Fritz Rieders Credo: „Ich will kein Süppchen, ich will eine Consommé“. Und weder Peter Neurath noch die Gäste widersprachen bei diesem Genussabend.
Bezugsquellen:
Weinrieder, Grüner Veltliner „Alte Reben“ 2021 ist um EUR 17,90 erhältlich, die TBA „Sweet March“ 2019 um EUR 29; beide ab Hof bzw. im E-Shop des Weinguts, https://weinrieder.at
Simon Gattinger, Riesling „Ried Loibenberg” 2022 kostet EUR 26,- beim Online-Handel Vinonia, www.vinonia.com
Heinrich Hartl, Pinot Noir „Graf Weingartl“ 2021 wird um EUR 34 in den Filialen von Wein&Co. bzw. im Webshop angeboten, www.weinco.at
Heinrich Hartl, St. Laurent „Classic“ 2022 ist um EUR 12,- bei Gurkerl.at online zu erwerben, www.gurkerl.at
Neukamp & Stadler, Cuvée „Nestor“ 2019 kostet EUR 26,- im Webshop des Weinguts, https://shop.neukampundstadler.at