Es soll ja auch gute Neuigkeiten geben, die aus den Vereinigten Staaten kommen. Für uns Freunde des Flüssigen hat sich im Mai etwa weitgehend unbemerkt das Alcohol and Tobacco Tax and Trade Bureau (TTB) ausgezeichnet. Denn mit einer kleinen Streichung hat man die Spaltung der Wodka-Welt beendet. Worin dieses Ost-West-Schisma des Getreidebrennens bestand? Nun: Galt im § 5.22 der so genannten Standards of Identity for Distilled Spirits der USA bislang die Definition von Wodka als einer Spirituose ohne Eigengeschmack (!), strich man diesen Passus. „Flavorless, odorless and colorless” sind also auch in den USA Geschichte – zumindest als Definition des Getreidebrands.
In Europa kann man da ohnehin nur lachen. Und je weiter man nach Osten vorstößt, desto lauter schallt das Lachen an den Brennkesseln und überall, wo die obligaten 100 Milliliter („sto gram“/Сто грамм) eingeschenkt werden. Denn gerade der würzige Charakter unterschied ja schließlich nicht nur nationale Fabrikate, sondern auch den klassischen russischen (Getreide-)Wodka vom traditionellen polnischen (Erdäpfel-)Wodka. Doch auch das war einmal. Speziell im streng geregelten polnischen Wodka-Recht, wenn wir schon dabei sind, sind heute ja sechs verschiedene Ausgangsmaterialien denkbar: Solange sie auf oder unter der polnischen Erde wuchsen, dürfen neben Erdäpfeln auch Roggen, Hafer, Gerste, Triticale und Weizen in die Brennblasen.
Was allerdings nicht zulässig ist, sind gemälzte Varianten der genannten Getreide. Also jenes Malz, das zum Beispiel für Single Malt Whisky genutzt wird (und ihm nicht nur den Namen gibt, sondern auch von „Single Grain Whisky“ unterscheidet).
Das war allerdings nicht immer so, bis ins 19. Jahrhundert hinein setzten polnische Brenner die Technik des Mälzens auch bei der Wodka-Herstellung ein. Erst im Laufe der Zeit wurde die Nationalspirituose zunehmend mit einem Destillat aus ungemälztem Getreide assoziiert. Doch man kennt sogar die Temperatur des Getreidedarrens; 80 Grad Celsius waren es – und sie geben einem Destillat den Namen, das international auf den alten Brennstil aufmerksam machen will. Ergo schrieb man bei Belvedere Wodka auch nicht „80“ auf die Flasche, das man als Volumsprozente missdeuten könnte. Sondern 176, die entsprechende Temperatur auf der Fahrenheit-Skala.
Technisch haben wir es also mit einem Blend aus Belvedere Wodka und gemälztem Roggen-Brand zu tun. Ließe man letzteren drei Jahre und einen Tag im Fass, dürfte das auch Rye-Whisky heißen. So aber ist es ein kantigerer Vertreter des Getreidebrands, der auch ein bisschen mehr vergärbaren Zucker mitbringt. Beim Wodka-Hersteller reizt man generell die Spielarten des Roggens aus. Die beiden „Single Estate“-Brände (zwei Mal Roggen aus unterschiedlichen Anbauzonen) haben wir im Vorjahr bereits hier verglichen. Nun darf aber auch nicht Wodka draufstehen auf der „Heritage 176“-Flasche. Doch für Wodka-Fans ist das dennoch eine spannende Sache.
Der Duft fällt deutlich süßer aus, zu den Getreide-Tönen – Sandwich-Wecken, entrindet, so unser Eindruck – kommt auch eine zwischen Süßholz und Marshmallow angesiedelte Duftnote. Der Gaumen der „gemälzten Roggen-Spirituose“ bringt weiße Schokolade und leicht malzige Noten á la Laugengebäck mit. Auch an Haselnuss-Plätzchen dachten wir bei der Verkostung einmal. Aber nur kurz. Denn fast explosiv steigt aus dieser Sanftheit (40% Alkohol) dann der pfeffrige Teil des „Heritage 176“ heraus. Diese Würzigkeit, die sich anhaltend bis ins Rückaroma zieht, wird noch ergänzt von Anis-Samen und etwas Piment.
Das macht in der Tat schon pur Spaß, wenn man dem Impuls widersteht, Eiswürfel ins Wodka-Glas, pardon: Roggen-Spirituosen-Glas, zu werfen. Für Cocktail-Freunde geht sich hier neben einem würzigen Wodka-Soda, das nicht so heißen darf (sagten wir das schon?) auch ein wunderbarer „Red Snapper“ aus. Denn die Würzigkeit, speziell in der zweiten Hälfte, sorgt für eine feine Basis für alle pikanten Mixes der Kategorie „savoury drinks“ – es muss ja nicht immer Tequila sein…
Bezugsquelle:
Belvedere Vodka, Heritage 176 ist um EUR 39,90 (0,7 Liter-Flasche) beim Weisshaus Versand erhältlich, www.weisshaus.at