Piemont ist Nebbiolo-Land, das gilt auch abseits der Barolo-Gegend rund um Alba. Im Norden der Region mag man die Rebsorte zwar mitunter anders nennen (Spanna heißt sie etwa Richtung Monte Rosa), doch auch hier regiert der Rebenkönig, als hätte er die Savoyer-Könige in Turin abgelöst. Und einen Hauch von königlicher Familie versprühen auch die Winzer, um die es heute geht. Denn nicht nur, dass eine gewisse Noblesse die Familie aus Ghemme umweht, als sie sich zum Gruppenbild aufstellten, nein, auch der Wein reift in der gewaltigen Anlage des Castello von Ghemme. Und wem derlei Parallelen in der Einleitung zu unseren Kostnotizen nicht reicht, dem sei gesagt, dass die Familie seit 600 Jahren Weinbau betreibt.
Wenn Paolo Rovellotti Wein einschenkt, dann tut er es, wie viele Italo-Winzer: Die größte Grandezza widmet er dem schwierigsten Wein. Während hierzulande gerne der Winzer selbst „das ist unser Einstiegswein“ sagt, dass es klingt wie „bringen wir’s schnell hinter uns!“, entlässt der Piemonteser seinen Weißwein erst nach einem Sermon elegant ins Glas. Dabei hat der Erbaluce, die einzige autochthone weiße Traube, seinen Beinamen nicht ganz zu Unrecht. Händlern verschwieg man besser, dass man auch diese Sorte kelterte, er galt als bäuerlich und wurde daher zum „ungenannten Rebsorte“, zur Vitigno innominabile. Ein Synonym wie früher der „Brünnerstraßler“ in Österreich – und der Vergleich trifft es, denn beide waren eher ziemliche Säuremonster.
Der „Unaussprechliche“ aus dem Schloss-Keller
„Il Criccone“, wie Rovellottis weißer Einstieg heißt, hat auch eine hohe Säure, aber er bringt auch Kräuternoten, grünen Pfeffer und etwas Tannin mit. Was schon recht knackig klingt, erhält von einer an grüne Melone erinnernden Frucht noch ein wenig Terrassen-Tauglichkeit mehr verpasst – zumindest beim 2015er, einem unkomplizierten Wein der Marke „Warum eigentlich nicht?“. Als Basis für einen Süßwein bringt die säurige Variante aber eine gute Anlage mit, Signora Rovellotti reicht dazu gerne Gorgonzola.
Mi scusi, aber uns ist eigentlich mehr nach Nebbiolo. Doch auch dazu wird ein Häppchen gereicht, der 2012er „Chioso dei Pomi“ sei nämlich prädestiniert zur weichen Wurst der Region, der Salame morbido, wie wir belehrt werden. Auch eine neue Rebsorte, Vespolina, spielt eine Rolle, sie ergänzt den Rebenkönig Nebbiolo. Geprägt wird der Rote aus Ghemme, der übrigens eine Herkunftsbezeichnung (DOCG) führt, eben doch von der piemontesischen Paradesorte: Roten Beeren, vor allem Erdbeeren, ein wenig auch Himbeere und ein Hauch von Krokus, prägen den Duft. Zart säurig beginnt der Wein auch noch nach 24 Monaten im Fass plus anschließender Flaschenreife, die Tannine sind aber bereits etwas geschliffen. Markant baut sich seine Würze auf, er sei ein „vino pepato“, also gepfeffert, meint der Winzer.
Nicht nur die Anklänge von Lorbeer und schwarzer Olive erinnern in diesem noch jugendlichen Wein an den Eisenberg im Südburgenland. Die nördliche (Höhen-)Lage bringt auch kernigere Varianten als das südlichere Piemont mit sich – Ghemme braucht Zeit, für „Gemma!“ hat man nichts über.
Das zeigt besonders die ein paar Jahre ältere Reserva, die Paolo Rovellotti mit seinem Bruder Antonello unter dem Namen „Costa del Salmino“ füllt. Zum dritten Mal zum besten Nebbiolo des Nordpiemonts gekürt, hat die Ghemme Reserva DOCG 2008 eine andere Intensität: Satte Noten wie Rum-Erdbeeren, dunkler Espresso und wieder diese Mischung aus Thymian und schwarzen Olive sind präsent im Duft. Mit weicheren Tanninen und herb-fruchtiger Gravitas nähert sich der 2008er Nebbiolo dem Genießer. Lorbeerblätter, Lakritze, etwas Veilchen, nie aber süßliche Noten ergeben in diesem Rotwein eine Grundierung, die gemeinsam mit der ersten Genussreife für einen Wein abseits südlicher Fruchtbomben sorgt. Gebratene Leber oder Enten-Sugo mit Rigatoni drängen sich hier als Partner auf – und tatsächlich wird schon eine mit Leber versetzte Wurst aufgeschnitten für uns.
Bevor wir’s veregssen: Die Weine der Rovellottis sind noch sehr erschwinglich – auch, weil es sie mangels Österreich-Präsenz nur ab Hof gibt. Kurz: In der TV-Serie „Game of Thrones“ segnete der „König des Norden“ schnell das Zeitliche, dieser 2008er Spross des beginnt gerade erst zu leben!
Bezugsquelle:
Rovellotti, „Chioso dei Pomi“ 2012 ist um 5,80 Euro, die Ghemme DOCG Reserva „Costa del Salmino“ um 20 Euro erhältlich, beide ab Hof, www.rovellotti.it