„Es kann zu Jahrgangsunterschieden kommen“, warnt das Etikett. Nein, wir haben es nicht mit einem Winzer zu tun. Dass es natürlich auch beim gepressten Obst – wenn man nicht nach industriell „bereinigtem“ Einheitsgeschmack strebt – so ist, kann man nachvollziehen. Nur: wo hat man es schon gelesen? Bei Rainer und Peter van Nahmen sind es solche Details, die die herausragende Stellung des deutschen Produzenten, speziell in der gehobenen Gastronomie, ausmachen. Denn billig sind die Säfte aus Hamminkeln nicht.
Dafür bieten die seit 1917 agierenden Getränkehersteller meist nicht nur 100% Frucht, sondern auch eine echte Leidenschaft für Obst. Das beginnt bei den reinsortigen Traubensäften, die etwa Riesling und Dornfelder nicht als vergorenen Wein, sondern in seiner Urgestalt präsentieren. Beim Dornfelder kommt die Zwetschkenfrucht ebenso durch wie ein zarter Gerbstoff, vor allem aber merkt man den Säuregehalt der dickschaligen Rotweinsorte.
Und wo wir gerade beim Wein sind: Van Nahmen überträgt auch so etwas wie das Terroir-Prinzip auf die Säfte, man erfährt immer, wo das Obst wächst. Beim „Morellenfeuer“, dem Direktsaft aus der gleichnamigen Kirschsorte, ist das etwa die Region Aachen. Ein schöner Kirschduft, zart mit Balsamiconoten und einem zarten Marzipan unterlegt, ist der erste Duft-Eindruck vom „Morellenfeuer“. In der Verkostung zeigt sich die Kirschvariante aus Deutschland zunächst kühl und rotfruchtig, auch mit etwas Gerbstoff. Mit der dezenten Säure, die im Finish dazukommt, schmeckt das tatsächlich wie eine perfekt gereifte Sauerkirsche.
Hierzulande wurde in Zeiten alkoholfreier Speisebegleitungen vor allem ein Saft der van Nahmens bekannt (weil exzellente Apfelsäfte haben schließlich auch wir Österreicher genug): der Rhabarber. Denn damit muss man nicht nur umgehen können, man braucht auch eine Menge, um genug Saft produzieren zu können. Der Klassiker im Sortiment lehrt einen dann gleich auch ein wenig Botanik, denn auch beim Rhabarber gibt es verschiedene Sorten. Am Nieder-Rhein wachsen „The Sutton“ und „Framboozen“, aus denen der unkonventionelle Saft stammt.
Der säuerliche Geruch ist einer, der sofort an das Kompott der rotstieligen Pflanze erinnert, man kann aber auch an Himbeere denken. Am Gaumen fällt vor allem die Balance auf, das Vorurteil des sauren Rhabarbers stimmt hier nicht, was möglicherweise daran liegt, dass Framboozen im Flämischen auch Erdbeere bedeutet, also eine fruchtigere Variante beschreibt. In jedem Fall lässt sich das nicht nur als „Schorle“, wie der Etikettentext empfiehlt, genießen, sondern auch pur. Unsere Empfehlung wäre ein kleiner Shot vom Rhabarber zwischendurch als echter Energiekick.
Falls noch Sekt-Reste vom Silvester da sein sollten, wäre aber die Variante „Weißer Pfirsich“ ein Thema. Denn mit ihr lässt sich natürlich auch der Schaumwein-Cocktail Bellini mixen, die verwendete Obstsorte würde passen, es ist der weißfleischige „Pferscher“, den das italienische Originalrezept aus der Harry’s Bar (Venezia) verlangt.
Dickflüssig und mit einem dezenten Fruchtaroma, bietet der Pfirsichsaft erst gegen Ende auch eine gewisse Säure. Die Reife streift schon fast an einer Bananen-artigen Intensität, in jedem Fall empfiehlt sich das Aufspritzen des „gelben“ Van Nahmens – ob mit Sekt oder Soda hängt vom individuellen Vorsatz für 2016 ab. Prost!
Bezugsquelle:
Van Nahmen, „Rhabarber“ und „Weißer Pfirsich“ ist um je EUR 5,90 (0,75 Liter-Flasche) in den Wiener Radatz-Filialen bzw. bei Marco Simonis/Dominikanerbastei 10 erhältlich, www.radatz.at
„Morellenfeuer“ und „Dornfelder“ gibt es um EUR 3,95 bzw. EUR im Webshop van Nahmens, www.vannahmen.de