Wärmepackungen müssen nicht unbedingt an den Füßen wirken. Die formschöne Flasche, die Georg Prieler für seine Medizin gegen Winterfrust gewählt hat, beweist das. Ihr Inhalt ist ausschließlich für die orale Einnahme gedacht. Genau genommen stammt aber nur die moderne Hülle vom sympathischen Schützener, der Weinbrand selbst ist mit 20 Jahren ja nur acht Jahre jünger als der Kellermeister. Vater Engelbert Prieler ließ 1992 die damals noch vorhandenen Veltliner-Bestände des Hauses von drei Brennern veredeln. Wer die beste Charge ablieferte, lässt sich heute nicht mehr eruieren, aber seither reifte das Destillat in 300 Liter-Fässern, in denen zuvor schon Cognac von Rémy Martin gelagert hatte.
Ein wenig erinnert das Resultat auch an den französischen Brand, allerdings wirkt die Schützener Variante milder. Das liegt allerdings nicht am Alkohol (45%), sondern vor allem an den vielen schokoladig-nussigen Aromen. Im Duft mischen sich Toffee, Kakaopulver, Rosinen und die würzigen Akzente von Vanille und Kardamom. „Flüssiges Tiramisu“ könnte man auch die Eindrücke am Gaumen übertiteln, die sich aus Schokolade, einer cremigen Note (Malagaeis) und gerösteten Haselnüssen im Finale ergeben. Das alles wird zusammengehalten von einer zarten Frucht, die irgendwo zwischen Ringlotte und Dörrzwetschke liegt.
Ein schöner Zeitvertreib ist übrigens der Wechsel der Gläser, aus denen man den Veltliner-Brand genießt. Denn in jeder Glasform zeigt er andere Facetten, kommt einmal mehr alkoholisch, dann wieder nussig-zart oder mit Kokosduft daher. Aber so soll es ja auch sein, wenn man nach 20 Jahren den Schleier lüftet: Man erwartet keinen Springteufel, sondern eine Schatzkiste. Und genau diese, prall gefüllt mit Geschmackseindrücken, bekommt man auch.
Bezugsquelle: Weingut Prieler, Weinbrand 1992 fassgelagert, EUR 60 ab Hof, www.prieler.at