Wenn der Einstieg passt, ist das immer ein gutes Zeichen. Und am Blaufränkischweg 3 zu Horitschon läßt man dem Gast die Wahl, ob er die Paradetraube als Rosé oder aus der Riede Hochäcker zuerst verkosten will. Ort des Geschehens ist der lichtdurchflutete Verkostraum des Weinguts Iby, der die markante Halle mit Blick auf die Riede Dürrau ansprechend erweitert. Anton Markus Iby und seine Frau Eva Maria zählen zu den wohltuend leisen Rotwein-Winzern – Feinmechanik ist den Bio-Pionieren wichtiger als Ego-Trips.
Das mag vielleicht auch eine genetische Frage sein. Denn schon Senior Anton Iby, der Vierte dieses Namens am Gut, konnte sich mit den vorgefertigten „Lösungen“ der Industrie nie anfreunden. Wurde in Horitschon ein neuer Traktor angekauft, konnte man sicher sein, dass er ihn noch verbessern würde. Der Techniker hatte die Fähigkeit Optimierungspotentiale zu erkennen und zu heben. Das färbt offenbar ab. Und so weist auch der ebenerdige „Keller“ von Sohn Anton V. einige Arbeitsverbesserungen. Die wesentlichste Entscheidung aber traf man vor Jahren: Damals trennte man sich von allen Weingärten außerhalb des Orts.
„Ziel ist es, dass keine Traube länger als 30 Minuten vom Rebstock bis zum Gärtank braucht“.
Eva Maria Iby, Rotweingut Iby
Diese Selbstbeschränkung bringt kürzeste Wege für die geernteten Trauben; so ist der frische Ausdruck des Blaufränkischlands zu erhalten. Denn konzentrierte und überholzte Weine sind dem Winzerpaar immer schon ein Gräuel. „Plastische Chirurgie“ nennt das Anton M. Iby und lässt keinen Zweifel, dass ihm natürliche Wein-Schönheit lieber ist. Das zeigt bereits der erwähnte Einstiegswein „Hochäcker“. Er ist ein 2018er Jahrgang und wer das für eine „Classic“-Abfüllung zu alt wähnt, sollte erst einmal kosten: Denn minütlich ist hier mehr zu riechen. Was als satte Brombeere begann entwickelt sich zunächst in Richtung Steinpilz. Aber auch pikante Noten wie Olive und süßer Chili folgen. Wie eine vierstufige Rakete zünden dann die Geschmacksnoten am Gaumen: Cranberry und Kirsche vermengen sich aufs Schönste; final gesellt sich Erdbeere und Pfeffer hinzu.
Diese Würze nach hinten hinaus, ein gewisses Understatement der Weine, wird uns wieder und wieder begegnen – es ist ein Charakteristikum der Iby-Handschrift. Schauen Graphologen sich die Ober- und Unterlänge an, geht es hier um die Überlänge.
Das unterstreicht auch der vielleicht bekannteste Wein des Hauses. „Chevalier“ ist eine Blaufränkisch Reserve des Jahrgangs 2018 und ebenso dunkel wie leicht erdig in der Nase. Die lässige Kirschfrucht sucht man hier vergebens. Dafür erinnert der Wein an Heidelbeere und Karamell. Etwas Schokolade und Brombeere kleiden dann saftig den Gaumen aus. Das Fass-Management ist hier zu loben, auch wenn der Wein jung ist, blitzt nirgends Eichen-Aroma durch. Dafür sorgt auch die feine Säure, die stützend im Hintergrund wirkt. Die heller werdende Frucht – am Ende findet man die Weichsel – wird vom haustypischen, langen und pikanten Finish abgelöst.
Wie vielfältig man eine einzige Sorte zeigen kann, wenn sich Lage und Rebstockalter unterscheiden, führt dann Blaufränkisch „Quintus“ 2017 vor. Der Duft von Dörrzwetschke zeigt eine höhere Reife an. Die über 50 Jahre alten Stöcke der Ried Gfanger bringen aber auch herbe und trockene Duftnoten wie Kornellkirsche in der Nase mit. Eva Maria Iby spricht die Liebstöckl-intensive Würze-Note an. In der Tat will man hier lange riechen, denn man ist auch nicht sicher, ob dieser Anflug von Kokos wirklich da war oder nicht. Wieder also hat Fass-Tüftler Iby hier ein gutes Händchen bewiesen; ein Schlüssel zu dieser Eleganz ist möglichst leichtes Toasting der verwendeten Barriques. Das ergibt dann auch am Gaumen diese ziselierte Gerbstoff-Struktur. Sie baut sich, wie der „Quintus“ generell, langsam am Gaumen auf: Saftige Einlege-Kirschen und strukturierende Röstnoten versprechen ein großes Potential dieses Weins.
Die vielleicht deutlichste Ahnung vom leisen Drehen an den Qualitätsschrauben gibt aber dann der Lagenwein „Dürrau“. Als Jahrgang 2015 ist er im ersten „Trinkfenster“ angelangt und wirkt schlicht geheimnisvoll! Kühl-würzig fällt der Duft aus; man denkt nicht gleich an einen Blaufränkischen. Eher an einen Burgunder, so filigran sind die frischen Düfte nach Tomaten-Blatt und Berberitzen. Erst in der Tiefe entdeckt man dann einen ätherisch würzigen Duft, den Parfümeure wohl Myrrhe nennen würden. Butterweich ist hier bereits das Tannin. Der erneut burgundisch wirkende Tiefgang verrät die alten Reben (60 Jahre und älter). Eine fast schwebende leichte Sauerkirsch-Note macht sich am Gaumen bemerkbar. Feinstrahlig und definitiv ein Vergnügen ist dieser „Dürrau“. Doch das reicht dem Wein, dessen Herkunft man vom Kostraum aus sieht, nicht: Einen rauchigen Hall gibt’s als Art aromatischen „Bonus“ obendrauf. Einmal mehr zeigt sich, dass der „zeitgenössische“ Blaufränkisch einer ohne viel Technik ist. „Dürrau“ vertraut dem klaren Ausdruck der Lage. Und nicht der „Schminke“, wie Anton Iby V. es mitunter auch nennt.
Bezugsquelle:
Rotweingut Iby, Blaufränkisch „Hochäcker“ 2018 kostet EUR 12, der „Chevalier“ 2018 ist um EUR 19 zu haben und der „Quintus“ 2017 um 33, der „Dürrau“ 2015 kostet EUR 44 – alle ab Hof bzw. im Webshop, www.iby.at