Die Energie war spürbar, der Ort gut gewählt. Im Wiener Delicatessen am Spittelberg stand ein Mann, dessen Hemd ein antikes griechischen Vasenbild zierte. Es war eine Hälfte von X Muse, dem neuen Wodka aus Schottland. Vadim Grigoryan hat die Marke mit Robert Wilson gegründet und damit eine Spirituosen-Idee umgesetzt, die ihn seit den Tagen als Manager bei Pernod-Ricard umgetrieben hat. Was wäre, wenn man nicht die Ausbeute zur Basis der Destillation nähme, sondern den besten Rohstoff. Was Fruchtbrennern ein „no, na net!“ entlockt, ist in der Welt des Wodkas weitgehend unbekannt. „Wieviele Wodka-Marken haben ein Gesicht, wo kennst Du den Brennmeister?“ hatte François Thibault vor Jahren schon gefragt. Der Destillateur des Welterfolgs „Grey Goose“ kümmert sich mit Weizen aus der Picardie um die höchste Qualität (BPS genannt). Und auch sein Landsmann Grigoryan wollte sich nicht mit dem Korn zufrieden geben, das am günstigsten, weil ergiebigsten in der Kolonnendestille ist.
Der Herstellungsprozess, bei dem auf 96% vol. destilliert wird, treibt aber praktisch jeder „Rohfrucht“ den Eigengeschmack aus. Das war eines der Gegenargumente, dass die „X Muse“-Macher aber nicht anficht. Sie entschieden sich für zwei teure, früher lange in der Brauwirtschaft verwendete, Gerstensorten. Destilliert werden Maris Otter und Plumage Archer separat, der finale Blend umfasst dann beide Getreide-Destillate.
Doch ein Wodka allein war zu wenig, viel kam aus der Kunstaffinität des Duos hinzu. So hat man als geistige Markenheimat den Skulpturen Park Jupiter Artland bei Edinburgh erkoren. Den „Temple“, die markante Bar der schottischen Wodka-Neulinge dortselbst, gestaltete die Gruppe Formafantasma, bekannt für ihre Arbeit für Prada.
Damit nicht genug, zitiert man gerne den Alchimisten John Dee, dessen Motto „Plura latent quam patent“ (=Es versteckt sich mehr als man sieht) sich auch auf der Flasche findet. Selbst der Name, der die Zehnte Muse evoziert, wurzelt in der Kunst. Der schottische Multikünstler Ian Hamilton Finlay († 2006) hatte der Muse, die die Spezialdisziplinen aller neun bündelt, als Skulptur gestaltet. Das alles ist kopflastig und luxuriös – bis hin zu den eigenen Wodkagläsern von Lobmeyr. Doch wie schmeckt der Wodka, der schottische Gerste einmal nicht für Whisky nutzt?
„Bei Wodka kannst Du Dich weder hinter Fass-Aromen, noch hinter Botanicals verstecken“
Vadim Grigoryan, „X Muse“
Zunächst sind die beiden Einzelchargen von Maris Otter und Plumage Archer klar unterschiedlich. Himbeere im Duft wie „Hubba Buba“, viel Zwetschke am Gaumen und eine Erinnerung an Haselnuss-Schoko machen den softeren Wodka aus – er stammt vom Maris Otter. Das zweite Getreide Plumage Archer hingegen erinnert an Zuckerrohr-Safgt und dezent an Getreide (wie Porridge, in den ein bisschen Sauerampfer gefallen ist). Das weiche Mundgefühl dieser Charge erinnert fast an Kokosnuss-Creme. Zusammen wird daraus der X Muse.
Er duftet nach weißer Schokolade, Kampfer und sumpfigem Grün, das wir gerne mit Seerosen-Teich umschreiben. Im Mund erkennt man den Kokos-Touch des Plumage Archer wieder. Etwas „Raffaelo“ schwingt da mit, ehe sich die Getreidenote klarer zeigt. Das sanfte Finish erinnert an die Vorgabe von Grigoryan und Wilson, dass man „einen Sipping Wodka“ schaffen wollte. Viskos und doch sehr sanft kleidet der Scottish Barley Vodka den Gaumen aus. Der elegante Würze-Ton zum Ende schmeckt nach Weißem Pfeffer – er ist die einzige Erinnerung an den Alkohol. Da dürfte das weiche Wasser rund um die Produktionsstätte das Ihre zum runden Eindruck beigetragen haben.
Dass dieser Wodka einen feinen „Martini“ ergibt, demonstrierte dann ein Gast aus Londons nobler Beaufort Bar. Markus Bassets Version mit österreichischem Süßwein ließ dem X Muse aromatisch Platz, lieferte aber eine fast sommerliche Variante das ansonsten so kantigen Cocktail-Klassikers. Das passt gut so🍸!
Bezugsquelle:
X Muse, Scottish Barley Vodka ist derzeit noch ausschließlich über den britischen Webshop um ca. 60 Euro (0,7 Liter-Flasche) erhältlich, https://xmusevodka.com