Kleines Weinbaugebiet, historischer Betrieb, nur große Lagen. So kann man die Ausgangssituation des Guts Hermannsberg umreissen. Wobei Größe natürlich relativ ist; auch als eines der Flächen-Schlusslichter der 13 deutschen Gebiete bringt es die „Nahe“ auf 4.000 Hektar Anbaufläche. Und schließlich macht nicht die (Quadrat-)Oberfläche den Wein aus, sondern der Unterboden. Da wiederum trumpft die Region auf: Auf kleinem Raum liegen Schwemmsand und Vulkangestein beisammen, mit etlichen geologischen Spielarten und Kleinklimata dazwischen.
Angelegt hat das Musterweingut in Niederhausen 1902 die preussische Krone, als „Will’em Zwo“ noch König war. „Die Domäne“ nennen die Einheimischen am Rheinnebenfluss Nahe daher auch nach mehreren Regierungswechseln die ehemals Königlich-Preussischen Weinbaudomäne. Poltik vergeht, Hektar besteht…
1998 privatisiert, holten nach dem bislang letzten Eigentümerwechsel 2009 Jens Reidel und Christine Dinse einen neuen Kellermeister. Karsten Peter bringt seither auf den rund 30 Hektar Weinbergen – allesamt vom Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) als Große Lagen klassifiziert – seine Handschrift ein. Das ergibt ein gut zu beobachtendes „work in progress“, da jedes Jahr ein bisschen mehr die neue Kellerlinie durchkommt. 2013 etwa gelang bei allen Weinen Spontangärung, die den Lagencharakter noch unterstützen soll. Der prägt sich auch deutlicher aus, wenn man eine Vertikalverkostung der „Großen Gewächse“ erlebt (übrigens dank 11 Gästezimmern auch im Weingut selbst möglich, ohne um den „Schein“ zu zittern).
Unser Kost-Privatissimum leitete Christoph Friedrich, der für den wachsenden Export der insgesamt nur 12.000 Flaschen der Lagenweine verantwortlich ist. Die drei Rieslinge aus den Jahren 2010-2012 stammen wie erwähnt aus der höchsten Weinklasse im VDP-Klassement (vergleichbar mit den Grands Crus in Burgund). Die Unterschiede waren tatsächlich beachtlich, vor allem die „Bastei“, mit 327 Meter Höhe die höchste Felswand nördlich der Alpen, stellt in allen drei Jahren einen Ausreißer dar. Die Monopollage „Hermannsberg“, die dem Gut den (neuen) Namen gab, erwies sich verlässlich als die mit dem „fettesten“ Riesling. Das bestätigt die mikroklimatischen Unterschiede, denn die nur 200 Meter entfernte Kupfergrube zeigt stets einen anderen, von kühler Mineralik geprägten, Charakter.
Die mineralisch-frische Lage
Die warme Lage nützte im verregneten Jahr 2010 der „Bastei“ nichts; ihr deutlicher Grapefruit-Duft und die prägnante Säure machen sie zu einem Wein, den Opa mit seinem säureempfindlichen Magen meiden sollte. Die Frische und Länge, die er heute noch mitbringt, vibrierend vor roter Paprika und Nektarine, ergibt aber genau diesen Typus Riesling, der Österreichern selten gelingt. Wenn sie im Sommer in Sylt eine Scholle in Specksauce auftragen, dann sollte genau so ein Wein gut gekühlt im Glas sein. 2011 verwischt sich der Lagencharkater ein wenig, Zitrusfrüchte satt gibt es wieder, aber ohne die Expressivität des „10ers“. Dafür gesellt sich 2012 eine exotische Note – Papaya und dezentes Lychee-Aroma – dazu, die dem Wein mit seiner floralen Nase (weißer Flieder und Rosen nebst Akazienhonig) zu einer Balance zwischen Säure und Frucht verhelfen.
Die kräutrig-würzige Lage
Die Favoriten stammten auch bei den anderen Lagen aus dem Jahrgang 2012, wobei die Eleganz des „Hermannsberg“ 2011 ihn nur knapp Zweiter werden ließ. Eine fast „paprizierte“ Art, die seine Fruchtigkeit zusammen mit der Säure und der mineralischen Note im heißeren Jahr ergibt, prädestiniert ihn geradezu zu der Kombination Fischfilet, Orange und Fenchel. Momentan noch am Beginn steht der 2012er, der dafür mit einem fast aberwitzig deutlichen Alpenkräuter-Mix in der Nase wie am Gaumen auftritt. Karambolfrucht und blanchierte Mandeln liefern beim „Hermannsberg“ dezente Geruchseindrücke, der erste Schluck hingegen bringt nicht ganz reifen Pfirsich, herbe Noten wie Lorbeer (vor allem im Finish), aber auch edelsüßen Paprika und Szechuanpfeffer zu einem komplexen Aromenspiel zusammen, das ich gerne mit „Fruchtpikanz“ umschreibe.
Die rauchig-flirrende Lage
Wenn etwas die tatsächlich auf einem ehemaligen Bergwerk angelegte Riede „Kupfergrube“ über die Jahre charakterisiert, dann ist es ein ausgeprägt rauchiges Aroma. 2012 bricht sich neben dieser Mineralik aber auch ein würziger Strang die Bahn: Rooibos-Tee, Estragon und Klarapfel prägen den Duft. Am Gaumen präsentiert sich der Riesling mit einer fast zerbrechlichen Eleganz, ehe er zu spielen beginnt: Reife Noten wechseln sich mit der Säure ab, dazwischen bricht die Rauchigkeit durch wie in einem guten Dessert, sagen wir aus Brandteig. Gemeinsam mit gelbem Paprika und Apfel ergibt sich ein fulminantes Frucht-Säure-Stein-Spiel. Und das alles vor dem Hintergrund der Jugendlichkeit dieses Weines. Wie beim „Hermannsberg“ gilt daher auch hier: Gewähren Sie Lagerzeit!
Bezugsquelle:
Gut Hermannsberg, Riesling GG „Bastei“ bzw. Riesling GG „Hermannsberg“ 2012 sind um je EUR 31,50 ab Hof erhältlich, http://gut-hermannsberg.de; den Riesling GG „Kupfergrube“ 2012 führt Wein & Co. um EUR 49,90, www.weinco.at