132 Weine an einem Vormittag klingen nach beneidenswertem Zeitvertreib. Zumal, wenn es sich um die Lagen-Veltliner und Rieslinge der österr. Traditionsweingüter handelt und der Jahrgang 2015 am Etikett steht. Sonnenverwöhnt heißt aber beim Wein nicht immer problemfrei. Denn der Trockenstress setzte den Weinen durchaus zu. Dieses Zwischenergebnis stellen wir an den Beginn des zweiteiligen „Best of“ der großen Verkostung im Schloss Grafenegg. Denn auch wenn es ein „silent tasting“ war, bei dem jeder die Weine nach Nummern abrufen und still in seinem Tempo bewerten konnte: Die besten dieses vor allem beim Grünen Veltliner nicht einfachen Jahres sollen vor den Vorhang.
Wo lag das Problem? Oft, zu oft, glich eine Kostnotiz der anderen: Verführerische Duftnoten, meist Tropenfrüchte und üppig, gehörten zu Weinen, denen schon in der Jugend Finesse und Säure abging. Wo aber soll die Lebendigkeit herkommen, die solche breitschultrige 2015er in die Zukunft tragen müßte? Mitunter glichen sie den „Cornettos“, wie der Volksmund mächtige Herren auf zahnstocherdürren Beinen nennt. Doch genug des Schatten, wir werfen den Lichtkegel auf die Grünen Veltliner, die faszinierten (und reichen die Liste für die ungleich homogeneren Rieslinge demnächst auf Trinkprotokoll.at nach)!
Wenn wir im niederösterreichischen Westen beginnen, gefiel uns der Traisentaler „Zwirch“ von Ludwig Neumayer ausgesprochen gut. Mineralisch bis in Rauchige, dazu auch die süße Note des Schaumzuckergebäcks „Babyspeck“, Bratapfel und eine Dosis Grapefruit im Duft zeigen die zwei Gesichter. Säurig und mit Zug auf der einen Seite, ist auch viel Reife da. Am Gaumen bleibt es bei diesem Wechselspiel; einerseits kühler Apfel und eine saftige Ader, der aber auch ein Finale mit weissem Pfeffer gegenübersteht. In jedem Falls schlummert hier noch viel Potential, von breit und langweilig sind wir hier weit entfernet.
Ganz anders hingegen fällt die 2015er „Gottschelle“ bei Petra Unger im Kremstal aus; hier springt einen die zitrische Ader des Veltliners fast an. Pink Grapefruit bahn sich stichgerade einen Weg, im Mund wirkt das wie ein Laser, ein idealer Wein zum Backhenderl und einer der weniger wirklich säurebetont-frischen „GV“s in der Grafenegger Groß-Verkostung.
Aus Zöbing hatte Günther Brandl seinen Veltliner „Lamm“ mitgebracht, der sich als Weißburgunder verkleidete: Weißer Flieder, Klarapfel und florale Noten (Holunderblüte), besonders aber ein kreidiger Unterton stellen die ersten Eindrücke dar. Vollmundig am Gaumen, bringt er Banane und weiße Schokolade mit, die zarte Säure sorgt dafür, dass der Schmelz nicht zu üppig wird. Im Finish auch noch mineralisch, tut man dem Wein nicht unrecht, wenn man ihn „Everybody’s darling“ nennt. Denn bei diesem Kamptaler, der auf Löss und Sandstein wächst, ist für jeden etwas dabei.
Veltliner-Macher Bernhard Ott, der etliche der Weine für unseren Flight einschenkte, hatte mit seinem „Rosenberg“ einen wunderbar auf der frisch-säurigen Seite geparkten 2015er anzubieten. Floral im Duft, mit verhuschten Zitrusnoten und einem reifen Apfel-Geruch, drehte der saftige Veltliner vom Wagram am Gaumen auf. Schön recht zugänglich, mit der saftigen Fruchtigkeit von Nektarine und rotem Apfel, ließ der trinkanimierende Rosenberg gegen das Finish hin eine rauchig-mineralische Note aufblitzen. Schwere Lager-Empfehlung, denn der legt noch zu!
Das gilt auch für den „Renner“, ohnehin immer eine Bank unter den Weinen von Schloss Gobelsburg. Der 2015er riecht dezent nach Blätterteiggebäck (Sfogliatini), intensiver schon nach Bratapfel und Hagebutten. Der Druck, den er aktuell entfaltet, ist fast zu viel des Guten. Roter Apfel, Cornflakes, Rumrosine, Kokos, man weiß gar nicht, was man alles notieren soll in diesem Moment. Lediglich an einer Notiz besteht kein Zweifel: Drei Jahre liegen lassen, bitte!
Bezugsquellen:
Neumayer, Grüner Veltliner DAC Reserve „Zwirch“ 2015 ist um EUR 19 bei Weinhandel Noitz erhältlich, http://www.wein-handlung.at
Petra Unger, Grüner Veltliner DAC Reserve „Gottschelle“ 2015 ist um EUR 13 bei Feine Weine zu kaufen, http://www.feine-weine.at
Brandl, Grüner Veltliner Kamptal DAC Reserve „Lamm“ 2015 ist um EUR 21,80 bei Weinhandel Noitz zu haben, http://www.wein-handlung.at
Ott, Grüner Veltliner „Rosenberg“ 2015 kostet EUR 26 bei Weinhandel Gawein Bruckner, http://www.gawein.at
Schloss Gobelsburg, Grüner Veltliner Kamptal DAC Reserve „Renner“ ist um EUR 16 bei Getränke Del Fabro zu erwerben, http://delfabro.at/