Die Bier-Welt treibt schöne Blüten. Nehmen wir einen Stil namens „California Common“. Der kommt nun mit israelischer Hilfe aus München. Die kleine Herzl Brewery in Jerusalem war zu Gast bei den Kollegen von Crew Republic in Unterschleißheim. Die Zusammenarbeit, im Craft Beer-Jargon „Collaboration“ genannt, kann man auch historisch nennen. Nicht, weil es das erste untergärige Bier von Timm Schnigula und Mario Hanel wurde, sondern weil die länderübergreifende Kooperation in Sachen Hopfen und Malz zeigt, dass alte historische Wunden heilen. Zumal das Einbrauen des „Steam Beer“ auch einen Anlass hat. Die im Jüdischen Museum München bis Jänner 2017 gezeigte Ausstellung, die das heuer begangene Bayern-Jubiläum (vielen anderen ist das eher wurscht) „500 Jahre Reinheitsgebot“ aus jüdischer Sicht betrachtet. Und nicht wenige „ur-deutsche“ Erfolgsbrauereien verdankten ihren Aufstieg bis 1933 ihren jüdischen Eigentümern.
„Darauf einen Sud!“, sagte man sich wohl, um nur an nicht historisches Unrecht zu erinnern und alte Brauer-Größen zu betrauern, sondern auf friedlichere Zeiten anzustoßen. Das California Common wurde als Stil erkoren, weil es einerseits an ausgewanderte deutsche Brauer in Amerika erinnert, aber auch das Klima Israels eine Rolle spielt. Was kompliziert klingt, liegt an den zu heißen Temperaturen in beiden Gegenden. Historisch wurde in Kalifornien bei schlechter Kühlung mit untergärigen Hefen gebraut, die eigentlich kühle Gärtemperaturen brauchen. Das Bier erhielt eine vollmundige und aromatisch leicht „obergärige“ Geschmackskomponente. „Steam Beer“ ist ein Synonym, das auf die hohe Gärtemperatur samt Nebel im Sudhaus anspielt.
Dampf im Braukessel: Untergärige Hefe, obergärige Temperatur
Während in den USA mit Anchor Steam (San Francisco), die das Dampfbier schon im Namen der Brauerei tragen, aber auch Flying Dog (Frederick in Maryland) einige der bekannten „Crafties“ California Common brauen, kennt man wenig Vergleichbares aus Mitteleuropa. In der für experimentelle Edition reservierten Serie mit dem großen „X“ am Etikett hat Crew Republic mit Hilfe aus Jerusalem in Form dieses 5,2%-igen, bernstein-farbenen California Common also Pionierarbeit geleistet.
Seine süßlichere „Malz-Nase“ nach Toblerone, Honig und Ovomaltine hat auch Noten von karamellisiertem Weißkraut zu bieten. Auffällig ist die rezente Säure, die Frische des Bierstils passt einmal. Im Mittelteil übernimmt der Malzkörper das Zepter und kleidet mit cremigen Nougat-Noten den Gaumen aus. Ein schöner Moment beim Steam Beer-Trinken ist jener, wenn die süße Cremigkeit unmerklich in Artischocken-Bitterkeit umschlägt. Denn der Hopfen – an sich wurden Herkules, Hallertauer Tradition und Golding dezent eingesetzt (35 IBU für Bier-Daten-Sammler) – zeigt im Abgang seine Kante.
Mit deutlich herben Noten und einem würzigen grünen Pfeffer-Gruß klingt das „kalifornische“ Münchner Bier aus. Sein Charakter ist die Ausgewogenheit, gerne wird in den schon publizierten Tasting Notes hingewiesen, dass IPA-Fans das Steam Beer nicht schätzen werden. Als missing link zwischen erfrischenden Zisch-Bieren und einem vollmundigeren Typus hat es aber, ähnlich dem wiederentdeckten Typus „Wiener Lager“, seine Berechtigung. Und auch, wenn es im Museums-Café in München ausgeschenkt wird: Als Stil hat California Common durchaus Zukunft nicht nur in der „Crew Republic“.
Bezugsquelle:
Herzl Brewery/Crew Republic, Collaboration „Steam Beer“ ist um EUR 3,- (0,33 Liter-Flasche) bei BeerLovers in der Wiener Gumpendorfer Straße oder online erhältlich, https://beerlovers.at