Es herrscht eine ehrfürchtige Stille im Kopenhagener Stadtteil Amager Øst. Schließlich ist es ein historischer Moment. Denn immerhin wird gleich der erste Whisky aus der dänischen Hauptstadt eingeschenkt. „Der erste legale Whisky“, feixt jener Mann, der den Zeremonienmeister macht und in der Whisky-Welt so was wie der Papst ist. Jim Murray, Herausgeber der Whisky Bible, ist jener Mann, der den Höhenflug des japanischen Whiskys mit seiner Bewertung eingeleitet hat. Vor allem ist er aber ein witziger Gesprächspartner, der allenfalls mit seiner speziellen Art des Verkostens aneckt. Doch da muss man als einer der wenigen Premieren-Gäste der Copenhagen Distillery (und einziger Österreicher) durch.
Dem Whisky Wasser zuzugeben, lehnt Murray beispielsweise generell ab. Auch beim mit 56,2 % Fass-Stärke gefüllten Erstling von Henrik Brinks, dem Mitgründer und CEO der Kopenhagener Brennerei. Seit einem Ausflug zu Bruichladdich auf die Insel Islay wollte er Whisky erzeugen. Bisher sorgte seine Destillerie bereits mit dem fassgelagerten Oak Gin für Aufsehen. Noch ungewöhnlicher vor Ort ist ein hierzulande mit gutem Grund nicht erhältliches Destillat namens „Schweiss“. Dieser Bitter sollte vor allem die Jägerschaft ansprechen, erklärt uns Verkaufschef Jesper Mathiesen – denn auch dänische Waidmänner verstehen unter „Schweiss“ das Blut der Beute. Allerdings keine menschlichen Ausdünstungen. Und tatsächlich wurde Wildschwein-Blut für diese ungewöhnliche Abfüllung – die es auch in einer Fass-gelagerten Version gibt, verwendet.
Die Öle im Duft geben Dir nachher das Finish. Daher nie Wasser in den Whisky geben – das zerstört den Abgang!
Jim Murray, „The Whisky Bible”
Experimentelle Abfüllungen, teils auch in Kooperation mit der Food-Szene Kopenhagens sind eine Spezialität von Brinks‘ Brennerei, die in deutschsprachigen Landen vom Traditionsvertrieb Charles Hosie vertreten wird. Zum Whisky-Launch wird mit Destillat gewaschener Käse serviert, aber auch ein Aquavit aus der ansonsten im Schnapsglas wenig gefälligen Zuckerrübe. „Doch alle diese Experimente müssen in einer dänischen Tradition wurzeln“, gibt Henrik Brinks die Linie vor. Und schlägt noch vor dem Verkosten eine Brücke zu seinem „Baby“: Gebrannt der erste Kopenhagener Whisky aus 100% Bio-Gerste („Drei Tonnen davon rollen jeden Freitag auf den Hof“), der dänische Charakter wird aber durch das Räuchern der ungarischen Eichenfässer mit Buchenholz erreicht. So machen sie es normal in den „smoke houses“ von Bornholm, die von Lachs über Makrele bis zu Muscheln alles selchen.
Der spezielle Rauch ist in der Tat auch die erste markante Duftnote. Er ist trocken, nicht ölig und Teer-artig wie bei den Islay-Single Malts – das hören Brinks und Destillateur Lasse Öznek nur allzu gerne! Neben dem Karamell-Duft und den würzigen Einschlüssen sind es die Rauchmandeln, die eine trockene, „smoky“ Spur über dem Holmegaard-Kostglas ziehen. Dunkler Zucker, der leicht an Rum erinnert, aber deutlich karamellisierter riecht, und getrocknete Tomate sind auch zu merken. Doch nun will der kräftige Däne mit seinen 56,2 Volumsprozent auch verkostet sein.
Der Antritt kommt ebenso dunkel in der Aromatik wie stark daher; die Bitter-Schokolade und die nussigen Noten werden von pikanter Würze – auch abseits des Fass-Stärken-Alkohols – begleitet. Rauchpaprika (piment d‘Espelette) und Kreuzkümmel vermischen sich zu einem Widerpart des dichten, alkoholkräftigen Schokoschwalls. Das lange Finale baut sich sogar noch an Intensität auf: Wieder sind da Rauchmandeln, aber auch Erdnüsse.
Mit ein paar (an sich verbotenen) Tropfen Wasser schließt sich diese Würze auf wie bei einer aromatischen Faktoren-Zerlegung: Brotgewürze, vor allem Fenchelsamen, und auch eine deutliche Lakritz-Note kommen dann neben der leicht medizinalen Grundierung durch. Der Abgang – da hatte Jim Murray recht – fällt weniger lang aus, dafür schiebt sich die Würze des Erstlings quasi am Gaumen vor.
Der an sich nur mit dem Mindestalter von drei Jahren gefüllte „First Edition Single Malt“ wird bei seitens ihrer Macher als unwiederholbares Sammler-Stück angesehen. Das erklärt den exorbitant hohen Preis und auch, dass man ihn für die Premiere edel – und wieder unverkennbar dänisch – verpackt hat: Die mundgeblasene „Klukflaske“ wird unverändert seit 1920 für Holmegaard Glasdesign hergestellt und kostet leer schon gut 90 Euro. Mit ihren drei Säulen und dem namensgebenden Gluckern beim Einschenken ist sie die Begleitmusik zu dieser exklusiven Premiere am Kløvermarksvej. Und allein diese Adresse sollte für die (leistbarere) Whisky-Zukunft Glück bringen: Denn die Copenhagen Distillery befindet sich am „Klee-Feld-Weg“.
Bezugsquelle:
Copenhagen Distillery, First Edition Single Malt wird nach Zentilitern (cl) verkauft! Die Mindestmenge kostet EUR 130,- (für 5 cl), die größeren „Klukflaskes“ sind ab 20 cl (= EUR 520,-) erhältlich, alles ab Destillerie, https://copenhagendistillery.com oder über den deutschen Vertrieb Charles Hosie, www.charleshosie-1918.com