Was macht die weltbekannten Weingüter besser als den Rest? Diese Frage taucht gerne auf, wenn wieder Flaschenpreise im dreistelligen Bereich besprochen werden. Das Château Ducru Beaucaillou gehört zum raren Club der Bordeaux-Weingüter, die seit der Klassifikation von 1855 als „deuxième cru“ eingestuft wurde. Vor allem die skrupulöse Sortierarbeit strich Pascale Blickman heraus, die drei Weine des Weinguts in Saint-Julien nach Österreich mitgebracht hatte.
Auf die international übliche Grün-Lese folgt am Weingut auch eine „pink harvest“, bei der alle Beeren aussortiert werden, die vor dem Farbumschlag – dem Wechsel der Weintrauben zu roten Beeren – unreif sind und damit säurige Ergebnisse brächten. „Zwar würde die Farbe stimmen, aber nicht die Qualität“, so Blickman. Damit nicht genug, erfolgt seit vier Jahren direkt im Weingarten die Kontrolle durch eine optische Sortieranlage. Per Mustererkennung via Kamera „bläst“ die Maschine alle unreifen Trauben vom Förderband. Eine weitere optische Sortieranlage hat Bruno Borie, Besitzer des immer noch familien-geführten Châteaus im Keller installiert.
Borie gilt als Qualitätsfanatiker, der auch eine Teilung des Weinguts in die lehmigen Böden und den namensgebenden Teil mit den Stein- und Sandparzellen („schöner Kiesel“ heißt Beaucaillou übersetzt) durchgeführt hat. „La Croix“ nennen sich die 35 Hektar, auf deren lehmigen Grund Merlot prächtig gedeiht. Der ebenso große „Ducru“-Teil wiederum bietet dem Cabernet Sauvignon eine ideale Heimat. „70% sind mit dieser Rebe bestockt“, so Madame Blickman. Der „La Croix“ ist somit kein Zweitwein wie auf anderen Bordeaux-Gütern, das wäre seit 2005 der „kleine Kiesel“ bzw. „Le petit Caillou“.
Die eigentliche Einstiegsstufe stellt der in der Gastronomie beliebte „Château Lalande-Borie“ dar (siehe kl. Bild links). Tinte, Sauerkirsche, Sternanis und ein Geruch wie vom Pfeffersteak leiten diesen Wein ein (wir tranken den 2015er), der am Gaumen ein „Schmeichler“ mit Zwetschkenröster- und Vanille-Noten ist.
Spannender wird es beim „La Croix“, dessen Label Jade Jagger, die Tochter von Rolling Stones-Sir Mick Jagger, gestaltet hat. „Stones“-Tochter für Kieselstein-Weingut, lautet das humorige Um-die-Ecke-gedachte Motto bei diesem Wein. Und eine Probe des 2015ers zeigt, dass man bei Ducru-Beaucaillou gerne die Jahrgangsunterschiede herausarbeitet. Der jugendliche Wein hat den kräftigen Antritt von Espresso, rote Früchte wie Erdbeeren bilden das Mittelstück, das danach in einer Würze förmlich explodiert, in der Oregano und grüner Pfeffer nur Teil-Aspekte darstellten. Spannend, wenn sich dieser Wein in drei, vier Jahren sortiert haben wird!
Der 2014er „La Croix“ ist da gänzlich anders. Er bringt einen einladend-offenen Duft mit – ein Quäntchen Erdbeer-Yoghurt trifft auf jugendliche Brombeeren und garniert wird der kühle Beeren-Mix mit einem Schub Langpfeffer. Am Gaumen wird der Cassis-Ton des Cabernet dann deutlicher. Die Johannisbeeren strahlen förmlich, Eukalyptus und eine generell „grüne“, frische Würze bilden das Gegengewicht dazu. Vor allem das lange Finale, ein wenig an die „Sportgummi“ des Kinobuffets erinnernd, vermag zu begeistern.
Geschmack der Geschichte: Colberts Eichen-Fass
Doch den „La Croix“ gibt es seit drei Jahrgängen zweifach. Was an einer Erwerbung der Familie Borie liegt, die an die großen Zeiten Ludwig XIV. erinnert. Für seine Flotte, die die Welt von Lousiana bis Indochina beherrschen sollte, wurden die „forêts royales“ von Jean-Baptiste Colbert angelegt. Eichenwälder, aus denen heute keine Kriegsschiffe, sondern die teuersten Wein- und Cognac-Fässer Frankreichs stammen. Wir haben nun also im Grunde den gleichen Wein im Glas, nur reifte dieser 2014er „La Croix“ als „Cuvée Colbert“ in einem Fass aus den letzten Eichen, die der legendäre Finanzminister noch selbst pflanzen ließ. Bei einer Versteigerung erworben, ist dieses Fass eine Art vinophiles Nationalheiligtum, das aber auch technisch einen völlig anderen „La Croix“ 2014 ergibt (die Etikettenfarbe „kupfer“ unterscheidet die beiden).
Schon der Duft ist deutlich holz-lastiger, Nougat und Mandelblüte sowie Amarena-Kirsche lassen an einen anderen Wein denken. Im Mund wirkt der „La Croix Ducru-Beaucaillou Cuvée Colbert“ präziser als die „normale“ Version; das merkliche Tannin wirkt mit der Traube verwoben, an zu viel Eiche denkt man nicht. Denn da befindet sich der Saint Julien schon im letzten Drittel und würzt mit Piment d’Espelette nach. Würzig und weniger süß ist der Abgang der „Cuvée Colbert“. Sie ist nicht nur teurer, auf lange Sicht wird es auch der spannendere Wein sein. Doch der „La Croix“ 2014 vermag aktuell mehr Trinkspaß zu bereiten. Der Vergleich reizt aber zu schönen Blindproben der beiden Saint-Juliens.
Getoppt wird die Range aber natürlich vom „grand cru“, der in diesem Falle dem Jahrgang 2008 entstammt. „Ein typischer Jahrgang“, kommentiert Pascale Blickman den zu 85% aus Cabernet Sauvignon gekelterten Blend und meint das als Kompliment. Denn Jahrgänge mit normalem Witterungsverlauf beherrsche man im Bordelais am besten. Nach 18 Monaten im Barrique („medium“ getoastet, wie es der Haus-Brauch ist) bringt der Ducru-Beaucaillou eine an Moos erinnernde „waldige“ Note im Duft mit, das Holz ist in der Nase kaum da. Dafür Maulbeere, Malzkaffee und ein wenig Cranberry.
Der Antrunk fällt elegant aus, blaue Beeren, vor allem eine Heidelbeere, an der noch der Stiel haftet, sorgt für den Grundgeschmack. Lorbeer, grüner Pfeffer und schwarze Oliven kann man sich im Abgang vorstellen, der abschließende Akzent gehört der Schwarzen Johannesbeere. Knapp zehn Jahre alt, zeigt der Bordeaux eine erste Zugänglichkeit; die Frische ist auffallend und auch die würzige Art, in der das Holz kaum eine wahrnehmbare Rolle spielt, gefällt. Oder, mit den Worten Madame Blickmans: „Ducru-Beaucaillou hat nie zu viel Extraktion, er ist immer elegant“. Bien dit!
Bezugsquelle:
Ducru Beaucaillou, „La Croix de Beaucaillou“ 2014 kostet EUR 49,90, der „La Croix de Beaucaillou Cuvée Colbert“ EUR 79,90 und der grand vin Ducru Beaucaillou 2008 EUR 179, alle bei Fine Wine Trade, www.finewineshop.com