Carnuntums Bodenschatz kennt man: Rubine sind es, was hier wein-technisch geschürft wird – und technisch bestehen die nicht mehr aus Konglomeraten, sondern seit einiger Zeit zu 100% aus Zweigelt-Trauben. So weit die ,,Geologie“ der Weine aus dem alten Römer-Grenzland. Schon der Blaufränkische hat es beim durchschnittlichen Achtelkäufer nicht leicht, wenn er von hier kommt. Doch es gibt weit mehr über die Böden hier zu wissen, als dass der Rubin auf ihnen wächst. Der Brot-und-Butter-Wein der Gegend verstellt nämlich den Blick darauf, wie unterschiedlich die Lagen hier sein können. Zugespitzter noch, er verhindert mitunter die Erkenntnis, dass es Lagenweine gibt. Der Rosenberg von Gerhard Markowitsch, sicher ein rotes Aushängeschild Carnuntums, verdankt sich etwa keiner Phantasiebezeichnung, sondern einem Flecken Erde zwischen den Rieden Steinriegel und Neuberg, gegenüber quasi liegen die Parzellen am Rothenberg.
Also ging es an Pauken der 23 Lagen, von denen etwa der Braunsberg aus dem Geographie-Unterricht bekannt ist, der Spitzerberg als kontinuierlich als Toplage vermarktet wird. Irgendwann soll es auch hier eine Hierarchie, technisch: Klassifizierung der Lagen, geben. Davor kosten aber auch die Winzer alles von allen Kollegen, was in der Schulklasse-Bestuhlung des Landgasthof Muhr 72 Weine bedeutete; weisse Sorten vom Traminer und Grünem Veltliner über eine Legion (Römer-Speak passt zur Region!) Zweigelts bis zu roten Blends.
- Wo kommt ein spezifischer Charakter von Boden und Mikroklima durch?
- Wo ist die Qualität höher?
- Und vor allem auch: Passt eine andere Sorte hier ev. besser her?
Das sind Fragen, die aus Konsumenten-Sicht spannend sind – richtungsweisend und wirtschaftlich entscheidend für die Winzer ber auch. Die Andacht war also groß, die Weine viele. Und während bei Lagen mit vielen Mustern und Jahrgängen (Bärnreiser, Bühl und Spitzerberg etwa) der Vergleich leicht fällt, kann man nicht bei allen Rieden, die nur zwei Weine repräsentierten, verbindlich etwas sagen. Dort, wo sich das aber leicht ergab, ja den Kostorganen praktisch aufdrängte, wagen wir eine kleine Charakteristik nebst „Best of“ in zwei Teilen. Und der aberwitzigste Fleck, was das betrifft, war der bislang trinkprotokollistisch ungewürdigte Haidacker. Lasst mich das erklären.
Quer über die Sorten ergab sich hier ein Bodenton im Duft, den man als geneigter Leser der Rubrik Männerpflege kennt. Oud, wie der Parfümbestandteil heisst, verdankt sich dem Adlerholzbaum, von dem es nicht nur das sündteure Harz für animalische Herrenparfüms gibt, sondern auch getrocknetes Holz zum Räuchern – eine Standardware in Basars von Jakarta bis Doha. „Und jetzt neu auch in Göttlesbrunn“, könnte man reissserisch auf die Zweigelt-Flasche schreiben.
Denn der erste Lagen-Vertreter stammt von Lukas Markowitsch und stellte einen kräftigen 2015er Haidacker mit 14 % dar. Kein Zweigelt-Kitsch im Duft, sondern Adlerholz, das sich mit Wildrose, Sauerkirsche und Darjeeling Tee vermengt. Am Gaumen tritt die orientalische Würze dann zurück, hier wird es rund und schmeicheld mit einem satten Kirschgeschmack. Die zarte Pfefferwürze rundet den Haidacker Markowitschs ab, der zum süffig-vertrauten Tischwein wird, auch wenn er so ganz exotisch duftete.
Oud liefert dann auch der zweite Zweigelt Haidacker, ein dunklerer Typus noch, den Franz und Christina Netzl 2013 kelterten. Zum Adlerholz gibt es noch die „pencil shave“-Note, wie US-Kollegen gerne schreiben (hier passt der Bleistift-Spitzer-Vergleich einmal), und Kakaopulver. Beim 2013er Haidacker kommt Würze vor Frucht, genau genommen zeigt er wie eine Skelettuhr viel von seiner Struktur. Das mag manchem zu hart sein, aber der Mix aus Keemun-Tee, Sandelholz, etwas Vanille und dem betont röstigen Espresso-artigen Abgang hat etwas. Er zeigt auch die Lagerfähigkeit des Haidackers, der offenbar auch kräftigeres Holz verträgt und den Vanille-Kokos-Touch um seine eigene orientalische Punze bereichert.
Diese Einschätzung unterstrich ein zweiter Haidacker Lukas Markowitschs, der auch den 2011er mitgebracht hatte. Hier hatte sich das Adlerholz offenbar mehr verschliffen. Die reife Zwetschkenfrucht war hier vorrangig, im Duft stand sie gleichberechtigt neben weißem Pfeffer, schwarzen Oliven und Estragon. Das Mundgefühl erwies sich als beeindrucken saftig, die dunklen Beeren rollten hier mächtig an : Heidelbeere und Vanille ergaben einen Smoothie von einem Zweigelt. Dass er noch reichlich Tannin als Gewürz mitbringt, bewahrt diesen Rotwein vor der Eindimensionalität. In Wahrheit ist dieser 2011er Haidacker genau am Punkt, balanciert wie ein gutes Parfum, das sich nicht auf die Herznote Oud verläßt.
Dass hier die Lage auch anderen Sorten ihr Gepräge verleiht, zeigte der Haidacker von Franz Taferner. Der ,,Tribun“ aus dem Jahrgang 2015 verbindet wieder Kakao und Adlerholz, er ist allerdings ein Cabernet Sauvignon, kein Zweigelt. Mächtige 14,5 % Alkohol haben als Frucht-Tragekonstruktion die Himbeere verliegen bekommen. Der Wein von Tafi ist bereits sehr zugänglich, die würzige Ader des Haidackers ergeben einen Trinkfluss, den Alkohol-Besorgte nicht glauben können. Über der frischen Himbeer-Fruchtigkeit, die eine saftige Grundierung liefert, schwebt der Butterkeks-Ton cremigen Oolong-Tees, der Gerbstoff wirkt ebenso dezent hin getupft. Wer gerne Cassis-Paprika-Monster trinkt, wird hier einen Cabernet finden, der gegen diese Stilistik gearbeitet wurde. Ihn als elegant zu bezeichnen, ist übertrieben, aber die Komplexität zeichnet diesen 2015 von der Adlerholz-Riede aus. Danke, Haidacker – hier fanden wir alles gut!
Bezugsquellen:
Lukas Markowitsch, Zweigelt Haidacker 2015 ist um EUR 22 ab Hof erhältlich, http://lukas-markowitsch.com
Weingut Netzl, Zweigelt Haidacker 2013 ist um EUR 24 ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, http://shop.netzl.com
Weingut Taferner, Tribun 2015 (Cabernet Sauvignon), ist um EUR 26 im Webshop des Weinguts erhältlich, http://www.tafi.at